Eine Zimtschnecke – durchaus appetitlich anzuschauen, auseinandergepflückt auf dem Backpapier. Doch im Inneren des Gebäcks steckt ein Teil eines menschlichen Gebisses. Das Gesicht einer jungen Frau mit geschlossenen Augen – sie scheint zu weinen, aber anstelle von Tränen rinnen Sturzbäche von Honig über ihr Gesicht.
"Ich will Motive auf eine Weise zeigen, wie sie noch nicht gesehen wurden. Sie für eine andere Betrachtungsweise öffnen – etwas das persönlicher, körperlicher, psychologischer oder erotischer ist. Und den Betrachter so auf einer tieferen Ebene erreichen, in der er seine persönlichen Erfahrungen und fotografischen Erinnerungen in die Arbeit einbringt", sagt der Fotograf.
Kontroversen zeigen, "dass die Betrachter aktiviert wurden"
Wenn Torbjørn Rødland über seine Arbeit spricht, dann fällt immer wieder das Wort Offenheit. Ihm ist es wichtig, dass er mit seinen Fotos nicht eine ganz bestimmte Botschaft übermitteln oder eine ganz bestimmte Reaktion hervorrufen will.
Wer versucht, die Bilder allein mit dem Verstand zu erfassen, der beißt sich an ihnen wirklich die Zähne aus. Es ist als würden sie aus mehreren Schichten bestehen – sie sind gleichzeitig schön und beunruhigend, anziehend und ekelerregend.
"Viele meiner Fotos bekommen sehr gemischte Reaktionen. Die Fotos der beiden Kinder beispielsweise, deren Köpfe von Menschen mit deutlich gealterten Händen gehalten werden. Manche Betrachter empfinden sie als schön, für andere sind sie voller Gewalt – und über diese unterschiedlichen Reaktionen freue ich mich, denn das zeigt, dass die Betrachter aktiviert worden sind."
"Ich will das Genre, in dem ich arbeite, richtig durchschütteln"
Ob Landschaften, Porträts oder Stillleben – immer hinterlässt der Fotograf kleine Widerhaken im Bild, an denen der Blick hängenbleibt. Ein Schimpfwort in ein Liebesgedicht einfügen, hat der Fotograf das einmal genannt.
"Ich will das jeweilige Genre, in dem ich arbeite, so richtig durchschütteln. Es aus seiner Klischeehaftigkeit und seinen Wiederholungen reißen und es zu neuem Leben erwecken. Und das mache ich, indem ich etwas Hässliches hinzufüge oder eben etwas hinzufüge, das aus logischer Sicht nicht dort hineingehört, sondern eher auf eine intuitive Weise."
Um diesen Effekt zu erreichen, arbeitet Torbjørn Rødland oft stundenlang an einem Foto. Alles ist perfekt inszeniert, wirkt fast schon steril und künstlich. Die Farben sind intensiv. Gesichter, Körper und Oberflächen scheinen von innen heraus zu leuchten. Rødland besitzt zwar ein paar Digitalkameras, aber er benutzt sie so gut wie nie. Alle Fotos in der Ausstellung hat er mit einer analogen Kamera aufgenommen.
"Es gibt keine Nachbearbeitung, kein Photoshop. Ich will, dass alles vor der Kamera passiert. Dass dort diese Fotos entstehen, die das Alltägliche hinter sich lassen und etwas Fantastisches, etwas Wundersames – ja vielleicht sogar etwas Heiliges an sich haben."
Viele Fotos wirken tatsächlich als wären sie nicht von dieser Welt. Es sind Bilder, die wir sonst nur aus Träumen oder Albträumen kennen. Und doch begegnen uns auf den Bildern Alltagsgegenstände wie Schuhe, Orangen oder Gabeln. Rødland spielt mit der Bildsprache von Mode-, Werbe- und Produktfotografie, der Ästhetik der Bilder, die uns tagtäglich umgeben.
"Es ist eine Antwort darauf, denn das ist die visuelle Sprache, die uns umgibt. Die Ikonografie unserer Zeit. Für meine Arbeit ist das ein Ausgangspunkt. Ich benutze diese Ästhetik von populärer Fotografie oder Werbefotografie, aber versuche sie zu vertiefen und etwas von dauerhaftem Wert zu schaffen. Ich benutze diese kommerzielle Fotografie eher als Inspirationsquelle, ich imitiere sie nicht."
Torbjørn Rødlands Bilder verunsichern. Irritieren. Sie wollen immer und immer wieder angeschaut werden, sich im Unterbewusstsein der Betrachter festsetzen. Was hat es mit dem vollkommen verdrehten nackten Körper im Wald auf sich? Handelt es sich um eine Frau, einen Mann oder ein unbekanntes extrem biegbares Wesen? Und warum trägt es Turnschuhe an den Händen? Wer sich auf Torbjørn Rødland einlässt, muss es aushalten, dass alle Fragen, die seine Fotos aufwerfen, unbeantwortet bleiben.
"Man kann sie als Rätsel betrachten, aber es gibt eben nicht die eine richtige Lösung."