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Bergsteigerin Kaltenbrunner zu Mount-Everest-Tourismus
"Das hat mit Bergsteigen nichts zu tun"

Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner kritisiert im Dlf erneute Todesfälle am Mount Everest. Kaltenbrunner hat den höchsten Berg der Welt bereits selbst bestiegen. Auf der Hauptroute auf der Südseite seien allerdings zu viele Unerfahrene unterwegs.

Gerlinde Kaltenbrunner im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Eine lange Schlange von Menschen steigt den Mount Everest hinauf.
"Für den Berg sind diese Menschenmassen, glaube ich, einfach zu viel", sagt Gerlinde Kaltenbrunner. (picture alliance / AP Photo / Rizza Alee)
Der Mount Everest ist der höchste Berg der Erde – 8 848 Meter über dem Meeresspiegel, zwischen Tibet und Nepal gelegen. Vor 70 Jahren haben es Bergsteiger das erste Mal geschafft, ihn zu besteigen. Seitdem sind tausende Menschen gefolgt, Dank kommerzieller Touren zum Gipfel.
Auch in diesem Jahr wollen hunderte Menschen den Berg besteigen. Vier sind dabei bereits gestorben: ein 69-Jähriger US-Amerikaner in einem Basiscamp und drei nepalesische Scherpas durch eine Lawine.

"Auf dem Everest sind zu viele Leute unterwegs"

"Das ist so unnötig, das müsste nicht passieren", sagt Gerlinde Kaltenbrunner. Die Österreicherin gilt als eine der erfolgreichsten Höhenbergsteigerinnen der Welt. Sie hat als erste Frau alle 14 Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen.
Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner
Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner (picture alliance / dpa | Felix Hörhager)
"Natürlich kann immer wieder was passieren. Ein Restrisiko bleibt immer und überall, wo wir unterwegs sind", sagt Kaltenbrunner.
"Aber ich denke, gerade am Mount Everest sind einfach so viele Leute unterwegs - ich möchte gar nicht Bergsteiger sagen - die einfach wenig Erfahrung haben, viele Gefahren einfach nicht einschätzen können und dann oft auch falsch handeln."

"Der Berg wehrt sich"

In 8.000 Metern Höhe sei es enorm wichtig, permanent in den Körper hineinzuspüren und immer im Hinterkopf zu haben, dass man ja auch noch gut wieder hinunterkommen müsse, erklärt Kaltenbrunner ihre eigenen Erfahrungen.
Auf dem Mount Everest, den sie auf der weniger frequentierten Nordseite bestieg, habe sie ihre Grenzen erweitert. Zwischen 8.600 und 8.700 Metern nimmt der Sauerstoffpartialdruck weiter ab, Atmen und Schritte werden schwerer.
"Für den Berg sind diese Menschenmassen, glaube ich, einfach zu viel", sagt Kaltenbrunner. Als sie 2012 am nahe gelegenen 7.800 Meter hohen Nuptse unterwegs war, konnte sie eine Lawine im unteren Bereich des Mount Everest beobachten, wo hunderte Menschen in einer Schlange aufstiegen.
Das sei für sie ein Zeichen gewesen und sie habe zu ihrem Teamkollegen gesagt: "'Der Berg wehrt sich einfach gegen diese Menschenmassen. Das ist einfach zu viel.' Und da muss ich schon sagen, da wär's natürlich hilfreich, wenn weniger Genehmigungen ausgeteilt werden würden."

Bergtourismus ist in Nepal eine wichtige Einnahmequelle

In diesem Jahr haben die Behörden mehr als 450 Genehmigungen ausgestellt, ein neuer Rekord. Früher habe es nur wenige Genehmigungen gegeben, aber weniger Genehmigungen bedeuteten eben auch weniger Einnahmen. Trotzdem seien es aktuell einfach zu viele, sagt Kaltenbrunner.

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Eine Genehmigung kostet rund 10.000 Euro, der Bergtourismus ist im armen Nepal eine wichtige Einnahmequelle. Viele der Touristen lassen sich ihr Gepäck auch von den Sherpas den Berg hochtragen. Dass die Sherpas ausgenutzt werden, siehr Kaltenbrunner aber nur bedingt.
"Zum Ausnützen gehören immer zwei dazu: Die einen, die ausnutzen und die Anderen, die sich ausnutzen lassen. Und sie zahlen wirklich gut dafür. Für die Nepalesen ist es wirklich viel Geld, und die Sherpas sind natürlich froh."

"Ethisch-moralische Aspekte werden nicht berücksichtigt"

Die Einstellung der Kunden sieht Kaltenbrunner allerdings noch deutlich problematischer: "Viele Menschen wollen da rauf, egal was es kostet und mit welchen Mitteln. Wo dann wirklich ethisch-moralische Aspekte einfach gar nicht mehr berücksichtigt werden. Und das ist irgendwie schon traurig zu sehen, wie die Leute an diesem Berg unterwegs sind."
Die Menschen glaubten, sie könnten alles kaufen, auch den Gipfel des Everest. Der Respekt vor dem Berg und der Natur ginge verloren. Der Luxus im Basislager ist für Kaltenbrunner nicht nachvollziehbar. Sie habe von einer Freundin gehört, dass Anbieter mittlerweile eigene Porzellantoiletten für einzelne Teilnehmer anböten. Bei An- und Abreise per Flug zum Lager 2 auf 6.600 Metern und Sauerstoffmengen, die die wahrgenommene Höhe des Bergs auf 3.000 Meter reduzierten, gehe es für sie nicht mehr wirklich um Bergsteigen, sagt Kaltenbrunner.
"Man darf nicht alle in einem Topf werfen. Es sind auch wirkliche Bergsteiger drunter. Aber die Masse, muss ich sagen ja, hat eigentlich wenig mit Bergsteigen zu tun."
Jeder habe seine eigene Auffassung, sagt sie: "Wünschenswert wäre: lieber aus eigener Kraft einen niedrigeren Berg, als den Everest mit allen Mitteln. Letztendlich: Eine wirkliche Lösung gibt es einfach noch nicht."