Strikte Hygieneregeln, verschärfte Sicherheitsmaßnahmen, über 6.000 Neuinfektionen in Frankreich kurz vor dem Start - die Sorgen rund um die 107. Tour de France, die am 29. August in Nizza beginnt, sind groß. Die Tour soll nicht zum "Superspreader-Event" werden. Tour-Veranstalter ASO hat vorbeugende Maßnahmen beschlossen. Diese gelten für Fahrer und deren Team, aber auch für die Zuschauer. Dennoch ist ungewiss, ob das Feld am 20. September das Finale in Paris erreichen wird. Schafft es das Virus ins Peleton und breitet sich aus, droht das Konzept zu scheitern. "Das ganze Konzept ist fragil. Ich kann mir vorstellen, dass unter Umständen auch eine Tour de France abgebrochen werden muss", sagte etwa der deutsche Radprofi Rick Zabel der "Augsburger Allgemeinen". Es wäre der erste Abbruch in der Geschichte der Tour.
Dürfen Zuschauer an der Strecke stehen?
Ja. Eine "Geistertour" wäre im radsportversessenen Land Frankreich auf einer Strecke von gut 3.500 Kilometern nicht durchzusetzen gewesen. Aber es wird dennoch ganz anders sein als sonst: Normalerweise säumen in den drei Wochen gut zwölf Millionen Menschen die Straßen. Dieses Jahr sind die Fans dazu aufgerufen, zu Hause zu bleiben. Maximal 5.000 dürfen jeweils im Start- und Zielbereich stehen.
An den Bergen und je nach Infektionslage werden sogar noch weniger Fans zugelassen, etwa in den beiden ersten Etappen in Nizza: Die Region Provence-Alpes-Côte-d’Azur mit der Stadt Nizza ist vom Robert Koch-Institut zum Risikogebiet erklärt worden. Somit sind nur 100 Menschen am Start erlaubt. Auch Paris ist laut RKI ein Risikogebiet. Dort sind beim Finale normalerweise hunderttausende Fans an der Strecke.
Alle Zuschauer sollen eine Maske tragen (in einigen Städten wie Nizza oder Toulouse gilt sowieso die Maskenpflicht) und mindestens zwei Meter Abstand zu den Fahrern halten. Zu den Anstiegen dürfen sie nicht mit dem Auto fahren. Autogramme von oder Fotos mit den Fahrern sind nicht erlaubt. Auch die Familien dürfen die Fahrer in den drei Wochen nicht besuchen.
Welche Regeln gelten für die Fahrer?
Die 176 Fahrer werden täglich auf Corona-Symptome untersucht und regelmäßig auf das Coronavirus getestet: zweimal vor Beginn der Tour und an den beiden Ruhetagen. Ist das Ergebnis positiv, werden sie sofort ausgeschlossen. Werden zwei Fahrer einer Mannschaft innerhalb von sieben Tagen positiv getestet, wird das ganze Team aus dem Rennen genommen. Das gilt aber nur für die Fahrer, Positivtests im direkten Umfeld wie bei Betreuern oder Sportdirektoren haben mittlerweile keine direkten Auswirkungen mehr.
Fahrer und ihr engstes Umfeld - inklusive Betreuer sind das etwa 20 bis 25 Menschen - sollen in ihrer "Peleton-Blase" bleiben und im Hotel eine eigene Etage beziehen. Im Hotel, im Bus, beim Einschreiben oder bei der Siegerehrung gilt zudem für die Fahrer die Maskenpflicht. Im Rennen gilt diese nicht.
Welche Regeln gelten für den Begleittross und die Werbekarawane?
Die Zahl der Organisatoren, Helfe, Medien, Sponsoren usw. wird in diesem Jahr von 5.000 auf 3.000 reduziert. Alle müssen vor Tour-Start einen negativen Coronatest vorweisen und dürfen nicht in Kontakt zu der ersten "Peleton-Blase" um die Fahrer treten. In Begleitfahrzeugen herrscht ab drei Menschen Maskenpflicht.
Wird es eine Siegerehrung geben?
Die übliche Zeremonie mit den Siegerküsschen der Hostessen für die Fahrer wird es so nicht geben: Die Fahrer müssen ihre Masken tragen, Abstand halten und sie kommen bereits im Trikot auf das Podest.
Welche Probleme könnte es bei den Corona-Regelungen geben?
Das größte Problem für die Fahrer sind mögliche falsch-positive Coronabefunde: Ein falsches Ergebnis könnte sogar den Träger des Gelben Trikots kurzfristig vom Rennen ausschließen.
Ein weiteres Problem: die Zuschauer an der Strecke - vor allem an den Bergetappen, wo sie sonst dicht gedrängt ihre Idole bejubeln. Eine Kontrolle der Anzahl von Zuschauern und der Abstands- und Maskenregeln wird an den langen Strecken der Frankreich-Rundfahrt schwer bis unmöglich sein.