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Tour de France
Gemischte Eindrücke vom Grand Depart

Die Tour de France hat begonnen, im Sommer, wie gewohnt. Auch mit Zuschauern und Werbekarawane. Aber ein Zurück zum alten Modus gibt es nicht.

Von Tom Mustroph |
Domenico Pozzovivo mit Verletzung bei der Tour de France.
Domenico Pozzovivo mit Verletzung bei der Tour de France. (dpa / picture alliance / Augenklick/Roth)
"10,9,8,7,6,5,4,3,2,1 parti"
So zählt der Tour de France-Sprecher den Countdown herunter. Und das Publikum zählt mit. Denn Publikum war zugelassen bei dieser zweiten Pandemie-Edition der Großen Schleife. Den Fahrern bereitete die Rückkehr der Fans Freude.
"Ja, klar, man sieht es. Es sind doch ein paar Zuschauer mehr zugelassen. Es ist schön, dass man wieder Applaus bekommt. Es ist langsam ein Weg zurück", meinte der Berliner Radprofi Roger Kluge.

Die Zuschauer halten sich noch zurück

Aus ganz Frankreich kamen Zuschauer, erzählt Philippe, der selbst aus Paris stammt und mit einer Gruppe von Freunden aus dem Norden, dem Süden und der Mitte des Landes nach Brest gereist war.
"Das macht viel Freude hier, vor allem, dass es wieder im Sommer, im Juli ist"
Im letzten Jahr wurde die Tour wegen der Pandemie noch auf den Herbst verlegt. Jetzt findet sie zum angestammten Zeitpunkt statt. Mit allem, was zu dem Spektakel dazu gehört: Mit Fanpark, Gastromeile und Werbekarawane. Sogar eine Blaskapelle mischte mit, ganz ohne Trennscheiben und sonstigen Aerosolwolkenschutz.
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Erleichterung im Radsport - Robust durch die Pandemie-Saison
Der Radsport geht zwar gerupft, aber mit einer gehörigen Portion Optimismus aus dieser Pandemiesaison heraus. Ein Rückblick auf die alte und ein Ausblick auf die kommende Saison.
Die alten Verhältnisse sind allerdings noch nicht wieder hergestellt. Vor die Teamhotels beispielsweise trauen sich nur wenig Fans.

Roger Kluge: "Ein paar standen draußen, ein paar Kids, aber wirklich vereinzelt. Innendrin habe ich wenig andere Gäste gesehen."
Auch Emanuel Buchmann wirkt noch nicht vom Zuschauerandrang überwältigt: "So viel Zuschauer sind es jetzt noch nicht. Es sind nicht so viele, dass man denkt, es gibt kein Corona mehr. Ich denke, wenn man die Fußball-EM sieht, da stehen ja auch ein paar Zuschauer, da können hier dann auch ein paar Zuschauer sein."
Für ihn, wie für alle Profis, hat sich ohnehin nicht so viel geändert.
"Die Regeln sind fast die gleichen wie letztes Jahr. Immer Maske überall. Wichtig ist, die Bubble einzuhalten, dass wir keinen Kontakt mit anderen haben, immer Maske, Hände desinfizieren, gute Hygiene, die Grundsachen einfach."

Hauptsache in der Blase bleiben

Geblieben sind auch die Tests. Zwei Coronatests gab es vor dem Rennen, um überhaupt die Bubble bilden zu können. Nach dem Zeitfahren der 5. Etappe und an den beiden Ruhetagen werden die Fahrer erneut getestet. Dann schwebt über den Teams wieder die Sorge 'Wer darf weiter machen?' Denn bei zwei positiven Fällen reist der gesamte Rennstall ab.
"Ja, es ist natürlich immer die Gefahr. Und es wäre für den Sponsor und das ganze Team natürlich der Super-GAU, wenn wir deswegen schon in der ersten Woche nach Hause fahren. Aber das motiviert auch extrem zum Aufpassen und diese Teamblase wirklich zu respektieren und so wenig Kontakt wie möglich zu haben. Aber die Organisation schützt uns da sehr gut."
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Die Tour de France 2020 ist Geschichte und hat mit Tadej Pogacar einen Überraschungssieger hervorgebracht. Dazu fand die Rundfahrt aufgrund der Corona-Pandemie unter besonderen Bedingungen statt.
Interessanterweise ist die Tour-Organisation in diesem Jahr sogar strenger in der Umsetzung von Corona-Regeln als die übrige Gesellschaft. In Frankreich wurde wegen sinkender Inszidenzzahlen die Maskenpflicht im Freien aufgehoben. Die Tour fordert aber zum Maske tragen auf. Einzelne Ordner gingen auch in Brest durch die Menge und ermahnten Zuschauer, denen das Textil locker unter dem Kinn klemmte. Das ist ein bemerkenswerter Wandel.
Im letzten Jahr war die Tour noch die Ausnahme von der Regel, sie wurde durchgezogen, obgleich das Land immer mehr im Lockdown versank. Nun ist es genau anders herum.

Eher Angst vor den Stürzen

Über weite Strecken war dieser Tourauftakt dann aber doch näher an den Vor-Corona-Rennen als an der letzten Großen Schleife. Zur Normalität gehörten auch Massenstürze. Vor ihnen hatte Routinier Geschke ohnehin mehr Angst als vor Corona. Trotz seiner mittlerweile neunten Tour sei er noch immer aufgeregt, gestand der gebürtige Berliner.
"Es ist jetzt nicht mehr so die Aufregung vor dem Unbekannten, sondern vor dem Bekannten. Aber die Aufregung ist noch immer da."
Als das Bekannte, das ihn schreckt, nannte er: "Ja, der Stress der ersten Woche vor allem, die Stürze, all das, was dazu gehört im negativen Sinne."
Davon gab es dann genug. Gleich zwei Massenstürze gab es auf der ersten Etappe, einer davon ausgelöst durch einen unaufmerksamen Fan.
Er hielt sein Transparent so unglücklich ins Peloton hinein, dass der frischgebackene Deutsche Zeitfahrmeister Tony Martin keine Chance zum Ausweichen hatte.
"Ja, es war eine relativ entspannte Rennsituation für uns, weil wir vorne waren. Wir hatten alles unter Kontrolle. Ich wollte meinen Teamkollegen Robert Gesink auf der rechten Seite überholen. Und ob es eine Frau oder ein Mann war, weiß ich gar nicht. Aber ich habe gesehen,wie sie ein Schild in der Hand hatte. Das ist eine Rennsituation, wie sei eigentlich die ganze Zeit in der Tour an der Seite stattfindet. Und im Normalfall muss man davon ausgehen, dass die Zuschauer dann zur Seite gehen."
Genau das passierte aber nicht. Offenbar muss auch das in den letzten Wochen auf Distanzen trainierte Publikum die neue Nähe erst wieder erlernen. Man kann nur hoffen, dass dieser Prozess keine weiteren Opfer fordert. Drei Profis mussten bereits das Rennen aufgeben.