"Ist es wirklich nötig, den großen Eddy Merckx vorzustellen?" Im Radsport-verrückten Belgien eine rein rhetorische Frage. Obwohl der Ausnahme-Athlet seine aktive Laufbahn schon vor mehr als 40 Jahren beendet hat, kennt ihn hierzulande jedes Kind. Nicht nur, weil es Briefmarken und T-Shirts mit seinem Konterfei zu kaufen gibt – bevorzugt in der Siegerfarbe Gelb des berühmten "Maillot jaune":
"Wir sind stolz auf ihn", bekennen die Brüsseler, die gegen nationales Pathos im Allgemeinen immun sind. "Vor 50 Jahren, 1969, hat er zum ersten Mal die Tour gewonnen. Immerhin fünf Mal insgesamt – das muss man doch anerkennen!"
In seiner Heimatstadt Brüssel, die aus Anlass des diesjährigen Jubiläums seit Tagen im 'Gelbfieber' ist, hat man nach dem "großen Champion" sogar eine U-Bahn-Station benannt. Eine Ehre, die bisher nur zwei anderen berühmten Landsleuten zuteil wurde: Ex-König Baudouin und Chanson-Legende Jacques Brel.
Baron Merckx - populär bei Flamen wie Wallonen
Mit letzterem teilt sich der mittlerweile in den Adelsstand erhobene Baron Merckx eine weitere Besonderheit, die seinen ewigen Kultstatus illustriert: Bei beiden großen Volksgruppen des kleinen Königreichs – Flamen wie Wallonen – ist er gleichermaßen populär. Gemeinsam kürte man ihn 2005 zum "größten Belgier aller Zeiten".
Der Weg zum Volkshelden – im Fall von Eddy Merckx war er besonders lang und steinig und besonders eindrucksvoll. Vor allem absolvierte er ihn in einem wahren Höllentempo, mit geradezu brachialer Energie und unbedingtem Siegeswillen. Seine Gegner deklassierte, ja zerstörte er regelrecht, nach Belieben am Berg oder auf Sprint-Etappen. Sein berserkerhafter Fahrstil, ohne Rücksicht auf Verluste, brachte ihm nicht nur den zweifelhaften Spitznamen "der Kannibale" ein. Er hätte ihn auch beinahe selbst das Leben gekostet.
Im September 1964, gerade mal 19, sichert sich Merckx als jüngster Fahrer aller Zeiten den Weltmeistertitel der Amateure. 1966 gewinnt er den Klassiker Mailand-San Remo. 1969 dann die erste Teilnahme am härtesten und prestigeträchtigsten Radrennen der Welt. Merckx entscheidet die Tour vom Start weg für sich – in Weltklasse-Manier.
Wie Merckx dem König sein Trikot schenkte
Dem an sich schon beispiellosen Triumph folgt eine Siegesserie ohne Gleichen, mit der Eddy Merckx Radsportgeschichte schreibt. Zwischen '69 und '78 gewinnt er über 600 Rennen. Darunter nicht nur fünf Mal die Tour, sondern auch fünf Mal den Giro d'Italia. Und als einziger Rennfahrer überhaupt in einem Jahr zusätzlich die Schweiz-Rundfahrt. Dazu kommen drei Weltmeistertitel, unzählige Klassiker und Sechstagerennen und ein Stundenweltrekord, der 30 Jahre lang Bestand hat.
Für ihn selbst, der trotz des Medienrummels stets bescheiden blieb, ist der erste Toursieg, vor einem halben Jahrhundert, bis heute der schönste und wichtigste Erfolg. Der Gewinn des mythischen gelben Trikots – die Erfüllung eines Kindertraums, wie er sagt. Ein Tag, den er nie vergessen wird.
"Der Tag danach war der 21. Juli, der belgische Nationalfeiertag. Die Tour endete am 20. Und die ganze Mannschaft war beim König eingeladen. Und da hab ich ihm dann das Maillot jaune von 1969 übergeben."
Drei positive Dopingtests
Ganz ohne Makel war und ist auch die Legende Eddy Merckx trotz allem nicht. Drei positive Dopingtests, die beruflich letztlich ohne Folgen blieben, haben dem Mythos des "Kannibalen" dennoch nichts anhaben können. Seiner großen Leidenschaft, dem Radsport, ist Eddy Merckx auch nach dem Karriere-Aus, 1978, treu geblieben – ob als Rennrad-Produzent, Veranstalter oder beliebter Studiogast.
Und obwohl inzwischen die Knie schmerzen, sitzt er noch immer fast täglich im Sattel und quält sich – ein Idol, das bis heute junge Nachwuchsfahrer inspiriert und das seine belgischen Landsleute verehren.