Motordoping, also der Einbau von E-Motoren in Fahrradrahmen, hat bei dieser Tour de France eine ironische Wendung genommen: Im Pyrenäenvorland rollten einige Profis des Teams Trek Segafredo mit Motor bestückten Bikes zum Einschreiben. Es war eine Werbeaktion des Ausrüsters. Räder mit Motoren sorgten im letzten Jahr in Deutschland bereits für 51 % des gesamten Umsatzvolumens am Fahrradmarkt.
Die Industrie hat vitales Interesse an der Vermarktung. Im Straßenradsport ist die Technologie verboten. Was technisch möglich ist, ist aber reizvoll. "Die Gefahr ist niemals vorbei", sagt Patrick Lefevere, Rennstallchef von Quick Step und einer der dienstältesten Manager im Gewerbe: "Zu denken, alle seien ehrlich, ist falsch. Wir sind mitten in der normalen Gesellschaft. Überall, ob bei den Bänkern oder Fabrikarbeitern, gibt es Diebe und Betrüger. Und das ist natürlich auch im Radsport so."
"Es wird ja kontrolliert"
Die Anreize gibt es also. Sind die Gegenmaßnahmen abschreckend genug? "Ich denke schon", sagt Simon Geschke, Profi beim Team Sunweb, "es wird ja kontrolliert. Es ist ja auch etwas, was leicht zu kontrollieren ist. Man darf auch nicht vergessen, dass noch nie im Profistraßenradsport ein Motor gefunden wurde."
Nicht gefunden, weil nicht vorhanden - oder nicht gefunden, weil nicht richtig gesucht? "Die, die wir nutzen, können sie niemals finden", sagt Steven De Jongh, Teamchef bei Trek Segafredo, und grinst breit. Natürlich, es ist ein Scherz. Seine Jungs fahren in E-Bikes nur zum Einschreiben, nicht aber im Wettkampf.
Motoren bei der Tour de France hält der Ex-Profi für ausgeschlossen: "Nein, sie führen so viele Kontrollen durch, so dass ich wirklich denke, dass so etwas nicht existiert. Sie röntgen, sie machen die Scans - ich sehe nicht, dass jemand das benutzt. Ich glaube es einfach nicht."
Zu komplex
Auf WorldTour-Niveau hält De Jongh das Problem für bewältigt. Der Berliner Profi Simon Geschke sieht es ähnlich. Er hält das Betrugsszenario vor allem wegen der logistischen Komplexität für wenig wahrscheinlich: "Wenn jemand einen Motor benutzt, das macht man ja nicht im Alleingang, da müssen Mechaniker davon wissen, und da gab es auch noch nie einen, der dann ausgepackt hat. Wie damals in den 90ern mit dem Epo-Skandal, wo einer nach dem anderen dann gesagt hat - ja, ich wusste davon. Da würde es so viele Mitwisser geben, dass ich mir das nicht vorstellen kann."
Das sind natürlich alles nur indirekte Indikatoren: Zu komplex das Ganze. Es hat auch noch keiner geschwätzt darüber - bis auf den ungarischen Ingenieur Istvan Varjas. Der zeigte Journalisten schon mal den Kontoauszug über eine Million Dollar: Angeblich ein Honorar eines Kunden aus dem Profiradsport, der die von ihm entwickelte Technologie exklusiv nutzen wollte.
Bei der Tour werden jeden Tag zwischen 120 und 150 Räder mit den elektromagnetischen Suchgeräten abgescannt, sieben bis acht Räder geröntgt. Zudem sind Wärmebildkameras im Rennen selbst im Einsatz. Darüber werden allerdings keine Zahlen veröffentlicht.
Transparenz geht anders
Die Röntgenkontrollen finden in einem abgezäunten Bereich im Ziel jeder Etappe statt, unmittelbar neben dem Antidoping-Caravan. Rein darf man dort nicht. Auch nicht das UCI-Personal zwischen den Gitterstäben interviewen. Man bräuchte die Erlaubnis aus dem UCI-Hauptquartier in Aigle, heißt es. Das aber meldet sich bei Anfragen nicht einmal zurück. Transparenz geht anders. Einer Untersuchung, ob die Kontrollen auch tatsächlich wirksam sind, geht die UCI aus dem Wege.
Auch das Investigationsinteresse der Tour wirkt gebremst. Auf die Frage, was seine Organisation gegen verbotene Motoren unternimmt, meint Renndirektor Christian Prudhomme nur: "Das musst du die UCI fragen. Sie machen die Kontrollen."
Die UCI schweigt
Naja, die UCI schweigt eben. Vielleicht hat Christian Prudhomme, seit 11 Jahren immerhin Tourdirektor und davor als Fernsehjournalist auch schon mit dem Radsport beschäftigt, eine Erklärung dafür, warum die UCI bei seinem Rennen noch keine Motoren fand?
Es kommt eine Variation der bekannten Floskel: "Die müssen dir darauf antworten. Das musst du die fragen. Nicht wir sind für die Kontrollen verantwortlich. Ich kann nichts anderes sagen."
Da lacht der Tourboss. Engagement gegen ein Betrugsrisiko schaut allerdings anders aus. Der Eindruck entsteht, dass das Problem einfach wegkommuniziert werden soll. Das merkt man auch bei der Kontrollstation selbst. Wo früher noch groß "Antidoping" stand, findet sich jetzt gar kein Hinweis mehr, dass hier auf pharmazeutisches und mechanisches Doping kontrolliert wird. Der Caravan ist neutral. Wände mit Logos der Toursponsoren schirmen ihn ab, ganz so, als sei es ein Bereich der Mixed Zone - eine besondere Mixed Zone, so ganz ohne Interviews.