Zum traditionellen Saisonstart in Adelaide wird der Radsport mal mit einem für die Branche ziemlich neuen Thema konfrontiert: Nein, es geht nicht um die Aufstockung der World Tour, auch nicht um die jüngsten Einkaufstouren des britischen Ineos-Teams oder um Doping. Nein – "climate change" ist das Schlagwort dieser Tage im Süden Australiens. Die weltweite Diskussion um den Klimawandel und um Extremwetterlagen könnte für den Straßenradsport ein prägendes Thema des neuen Jahrzehnts werden. Mit einem Wetterextrem bekamen es die Profis direkt beim traditionellen Saison-Auftakt-Kriterium in den Straßen von Adelaide zu tun. Und zwar mit einem völlig unerwarteten - einer Kältewelle:
"Ich bin jetzt das elfte Mal hier. Ich muss sagen, ich bin noch nie hier in einem Langarmtrikot herumgefahren."
"Ich kann mich an Jahre erinnern, wo ich vor dem Kriterium mit einer Eisweste hier im Zelt saß, weil es knapp 40 Grad hatte. Jetzt hat man hier eine Jacke an, das ist schon seltsam."
Sagten die deutschen Radprofis Andre Greipel und Simon Geschke am ersten Wettkampftag der neuen Saison. 17 Grad waren es zum Start um 18.45 Uhr Ortszeit, dazu wehte ein heftiger kalter Wind und es nieselte. Das wäre für einen Wintertag in Adelaide schon schlechtes Wetter. Aber mitten im Hochsommer? Dabei ist es schon seit Wochen ungewöhnlich kühl.
Die Tour Down Under litt eigentlich immer unter der Hitze, kaum eine Etappe ging bei unter 30 Grad über den südaustralischen Asphalt. Zuletzt waren es immer häufiger deutlich über 40 Grad. Australiens Wetter wird immer extremer, in alle Richtungen. Keiner der deutschen Radprofis weiß das besser als Roger Kluge, der zwei Jahre für eine australische Mannschaft gefahren ist:
"Ja, ist richtig. Ich habe auch zum ersten Mal eine lange Jacke angehabt beim Training heute früh. Die letzten Tage war es leider nicht mehr so warm. Jetzt haben wir vielleicht 15 Grad nachts und tagsüber 20, was einfach frisch ist. Weil hier ist Hochsommer. Man ist es nicht gewohnt, man hat nicht soviel mitgenommen."
Vor dem Hintergrund der Extremwetterlagen dürfte auch der Radsport aufgerufen sein, über seinen CO2-Abdruck nachzudenken. Schon in diesem Monat jetten die World-Tour-Profis zu Rennen in Australien, Gabun und Argentinien. Kurz danach geht es weiter in der arabischen Welt und in Kolumbien. Die Bahnradsportler, zu denen auch der Weltmeister in Zweiermannschaftsfahren Roger Kluge gehört, tourten binnen weniger Wochen nach Weißrussland, Schottland, Hongkong, Neuseeland und Australien und nächste Woche dann nach Kanada:
"Ich würde mal sagen wir reisen viel, aber ich glaube wir sind immer noch ein kleiner Fisch. Ich meine, da gibt es andere Business-Leute, die wirklich tagtäglich oder wöchentlich fliegen. Bei uns ist ja immer ein Flug hin und eine Woche später zurück. Und dann zwei Wochen nicht und dann wieder. Also wie in anderen Sachen: Ich glaube, wir sind ein kleiner Fisch und ein kleiner Zirkus. Klar verbrauchen wir auch ein bisschen mehr, aber ich weiß nicht was wir besser machen sollten."
Und dennoch werden die Radsportler sehr intensiv mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert. Hier in Australien mit den Buschfeuern. Obwohl die schlimmsten Brände 2.000 Kilometer entfernt wüten oder wüteten, auch in Südaustralien hat es vor einigen Wochen gebrannt. In den Adelaide Hills und im Barossa Valley. Die typischen Trainingsreviere der Radsportler wie Tour-de-France-Etappensieger Simon Geschke berichtet:
"Wir waren in Woodside wo das ziemlich schlimm war. Da waren die Feuer drei Wochen vorher gelöscht worden und man hat’s trotzdem immer noch gerochen. Also wenn man da direkt in dem Gebiet war. Und das war schon übel zu sehen. Man kann sich vorstellen wie das aussieht, wie das ist wenn da alles in Flammen steht. Man hat gesehen, dass da kilometerweit alles schwarz war. Kein schönes Bild."
Die Tour Down Under selbst ist nicht betroffen, Streckenänderungen sind nicht nötig. So etwas hat es in den vergangenen Jahren allerdings schon gegeben. André Greipel, der Rekord-Etappensieger dieser Rundfahrt hat auch schon viel gesehen:
"Wenn man Weinregionen sieht, die komplett abgebrannt sind und auch Häuser, die ausgebrannt sind, das ist natürlich alles andere als schön zu sehen."
André Greipel ist aber erfahren genug, um noch auf einen anderen Aspekt hinzuweisen. Viele hier in Australien fürchten noch ein anderes Phänomen - die dramatische Berichterstattung in Europa könnte auch zu einem Einbruch der Touristenzahlen und damit zu weiteren wirtschaftlichen Problemen führen:
"Das ist halt ein Thema, was in den Medien schon sehr ausgeschlachtet wird. Deswegen möchte man die Einheimischen jetzt nicht noch damit belasten. Aber auf jeden Fall ist das Feuer hier im Sommer gang und gäbe und man muss damit umgehen können, so wurde es uns gesagt. Aber es ist natürlich auch immer schwer, die Anteilnahme für die Leute zu finden, weil man nicht weiß, was man da so durchmacht.
Die Organisatoren übrigens bemühen sich um sehr viel Normalität. Die Sportler und das Rennen sollen im Mittelpunkt stehen und nicht das Wetter. Das zumindest könnte klappen, denn für die sechs Tage der am Dienstag beginnenden Tour Down Under sind immerhin Temperaturen zwischen 22 und 26 Grad vorhergesagt.