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Tourismus in der Krise

Athen haben seit Januar etwa zehn Prozent weniger Touristen besucht als in den ersten Monaten 2011. Vor allem deutsche Urlauber bleiben aus Angst vor Streiks, Demonstrationen und Anfeindungen aus. Bedenken, die viele Griechen trotz Krise für unbegründet halten.

Von Gerwald Herter | 11.06.2012
    Japaner, Amerikaner, Skandinavier oder Briten – aus der Athener Sommerhitze sind sie in die klimatisierten Räume des Akropolis-Museums geflohen. Nur nach deutschen Touristen muss man hier – zwischen Steinen und antiken Skulpturen - lange suchen. Auch Georgia ist das schon aufgefallen. Die Archäologin hat sich auf Führungen für Deutsche spezialisiert. Jahrelang hatte die zierliche Griechin beim Goethe-Institut die deutsche Sprache erlernt, doch nun könnte sich das als Fehler erweisen, auch wenn die ein oder andere Führung im Akropolis-Museum noch zustande kommt.

    Wie viele Griechinnen und Griechen klagt auch Georgia über höhere Steuern und Abgaben. Sie arbeitet in mehreren Athener Museen und ist selbstständig. Dass jetzt viel weniger Deutsche nach Athen kommen, als in früheren Jahren, hat ihr da gerade noch gefehlt. Vielleicht hänge das mit der griechischen Finanzkrise zusammen, sagt Georgia, sie wisse es nicht, nur eines steht aus ihrer Sicht fest:

    "Die deutschen Touristen sind verschwunden."

    Den Verantwortlichen des griechischen Tourismusverbände SETE ist das Lachen längst vergangen. 16 Millionen ausländische Touristen werden nach Schätzungen des Verbands in diesem Jahr nach Griechenland kommen. Das wären nur ein paar Hunderttausend weniger als im vergangenen Jahr, aber die Prognose klingt sehr optimistisch.

    Athen haben seit Januar etwa zehn Prozent weniger Touristen besucht als in den ersten Monaten des letzten Jahres. Andreas Andreadis, der Vorsitzende des Verbands, sagt, dass vor allem weniger Deutsche kommen:

    "Als die deutschen Flaggen auf dem Syntagma-Platz in Athen brannten, war das der Tiefpunkt. Ab dem nächsten Tag blieben Buchungen aus Deutschland aus. Ich verstehe, dass die Deutschen gekränkt sind und dass das alles sehr heikel ist."

    Das aber ist nicht der einzige Grund. Der Reiseveranstalter TUI hatte deutschen Touristen geraten, mehr Bargeld als sonst nach Griechenland mitzunehmen, denn man kann ja nie wissen. Viele griechische Medien haben das hochgespielt, Andreas Andreadis sagt jedoch, dass TUI viel für Griechenland getan habe und man solche Aufforderungen nicht isoliert betrachten solle. Die Angst vor Taxifahrer-Streiks oder Problemen mit dem Fährverkehr hält er zudem für unbegründet:

    "Die Streiks liegen in diesem Jahr, im Vergleich zum letzten Jahr bei etwa zehn Prozent. Seit Januar hatten wir vier Streiks - 54 waren es im vergangenen Frühjahr. Den Wahlen, Ende der Woche, werden erst einmal Koalitionsverhandlungen folgen. Ich glaube an einen ruhigen Sommer. Sie werden für Ihr Geld in Griechenland mehr bekommen, als je zuvor. Ich hoffe auf ein gutes Wahlergebnis und setze auf die Weisheit unserer Politiker."

    Davon abgesehen hofft Andreadis natürlich auch auf die Weisheit der deutschen Touristen. Viele seiner Kollegen beteuern, dass im Sommer zumindest keine Überraschungen drohen.

    Sollte Griechenland die Drachme tatsächlich wieder einführen, könne das nicht über Nacht erfolgen. Im Gegensatz zu den Preisen für Flüge sind viele Hotelpreise gesunken. Das könnte helfen, wie auch die Erfahrungen deutscher Touristen, die – trotz allem – nach Griechenland aufgebrochen sind:

    "Super, wir waren sehr beeindruckt von den Leuten. Wir hatten im Vorfeld diese ganzen Befürchtungen gehört und diese Missstimmungen, muss man einfach sagen, die in Deutschland verbreitet werden. Wir haben nur freundliche Leute getroffen. Es ist ganz anders, als es in Deutschland vermittelt wird."

    Gaby Mussiel war mit Freunden in Griechenland unterwegs - in Athen und auf den Inseln. Die Rheinländerin hat in Griechenland nur gute Erfahrungen gemacht. Auch andere deutsche Touristen können weder von Feindseligkeiten, noch von Deutschenhass berichten. Den meisten fällt allerdings auf, dass man Landsleute in Griechenland nur selten trifft, jedenfalls seltener als in der Vergangenheit.

    In der Athener Altstadt musste bisher kein Restaurant schließen, weil weniger Touristen kommen. Fahrende Händler und Straßenmusiker sind ebenfalls noch hier – manche kommen von weit her, zum Beispiel aus Rumänien. Für Griechenland ist das in dieser tiefen Krise wohl eher ein gutes Zeichen.