Farbenprächtige Kostüme, traditionelle Musikinstrumente, rituelle Tänze und hunderte von Gläubigen. Und dann Chinapop – dazu tanzen junge Frauen mit roten Blumen im Haar und in den Händen. Das chinesische neue Jahr, aber auch andere traditionelle Feste, werden von den in Rom lebenden Chinesen auf Plätzen und Straßen gefeiert. Oder in ihrer Pagode, der größten ihrer Art in ganz Europa. Ein klassischer Pagodenbau, errichtet am Stadtrand, zwischen Lager- und Fabrikhallen. Hier hat jede der in Rom lebenden chinesischen Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit, ihre buddhistischen und taoistischen Glaubensrituale zu zelebrieren.
In Rom leben rund 15.000 Chinesen. Wie viele genau es sind, die sich vor allem im Viertel Esquilino beim Hauptbahnhof niedergelassen haben und ihre Geschäfte betreiben, ist unklar. Viele dieser Neubürger sind illegal in Italiens Hauptstadt untergekommen.
Menschen aus den verschiedensten Kulturkreisen üben ihre Religionen aus
Während Roms Chinesen ihren Glauben und ihre Rituale ganz offen leben und somit präsent sind, fallen die vielen anderen in der Hauptstadt existierenden Glaubensgemeinschaften nicht sonderlich ins Auge. Rombesucher halten die Stadt noch immer für durch und durch katholisch. Kein Wunder, angesichts von 300 katholischen Kirchen. Und doch finden sich – in Wohnhäusern und Garagen, in Lagerhallen am Stadtrand, in ehemaligen Kirchen und Kellerräumen – hunderte nicht-katholischer Kulträume. Die römische Religionswissenschaftlerin Katiuscia Carnà hat, zusammen mit ihrem Kollegen Angelo Del Florio, eine erste Bestandsaufnahme der nicht-katholischen Kulte in Rom erstellt.
"In den vergangenen 20, 25 Jahren ist aus dieser Stadt der katholischen Christenheit ein Ort geworden, an dem Menschen aus den verschiedensten Kulturkreisen leben und ihre Religionen ausüben. Darunter Anhänger des iranischen Zoroastrismus, Sikhs und Sufis, Hindus, Hare-Krishna-Anhänger, Baha’i, Gläubige verschiedenster afrikanischer und lateinamerikanischer Kulte. Unser Buch ist eine Art Reiseführer zu den unterschiedlichen Kultorten." Wie etwa zu einer der schönsten Moscheen Europas. Das blütenweiße Gebäude liegt im Nordwesten der Stadt, kann 2500 Gläubige aufnehmen und wurde von dem römischen Stararchitekten Paolo Portoghesi entworfen. Ein Muss für jeden Freund moderner Architektur.
In Rom leben etwa 55 Tausend Muslime, sagt der Religionswissenschaftler Angelo Del Florio: "Es gibt in Rom neben der großen Moschee 34 weitere Moscheen. Kurioserweise werden in 33 dieser Moscheen die Imame von Einwanderern aus Bangladesh gestellt, obwohl die meisten Moslems aus Nordafrika und anderen Ländern stammen."
Keinerlei Unterstützung durch die Kommunalpolitik
Keines der nicht-katholischen Kultgebäude darf höher als die Kuppel des Petersdoms sein. Das ist in Rom ein ungeschriebenes Gesetz. Um die Höhe des Minaretts der römischen Hauptmoschee entbrannte deshalb während der Bauarbeiten in den 1980er Jahren ein heftiger Streit. Schließlich gaben die Muslime nach: Das Minarett ist deshalb von keinem der Aussichtspunkte im historischen Stadtkern aus zu sehen.
Die italienische Kirchensteuer kommt neben den katholischen auch protestantischen und jüdischen Gemeinden zugute sowie den Waldensern, andere Glaubensgemeinschaften erhalten vom Staat keine finanzielle Unterstützung. Katiuscia Carnà: "In Rom dominiert immer noch eine politische Klasse, die auf dem Ohr nicht-katholischer Religionsgemeinschaften komplett taub ist. Auch wenn immer wieder von interreligiöser Dialogbereitschaft die Rede ist, die vor allem von der katholischen Laienorganisation Sankt Ägidius praktiziert wird, gibt es seitens der Kommunalpolitik keinerlei Unterstützung, praktischer oder finanzieller Art."
Und so finanzieren sich die anderen Religionsgemeinschaften in Rom auf eigene Faust. Ein Teil des muslimischen Lebens in Rom wird aus saudi-arabischen Geldquellen finanziert, nicht wenige der in Rom arbeitenden Imame vertreten wahabitisches, also islamistisches Ideengut vertreten. Erst allmählich wird diese Facette einer multireligiösen Metropole öffentlich zum Thema. Staatliche Kontrollorgane interessieren sich dafür erst seit kurzer Zeit. Auch dies ist eine Nebenwirkung davon, dass sich die Politik in der Hauptstadt bisher nur für das christliche Rom interessiert hat.