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Tourismusboom auf Island
Regierung sieht das Land "am Limit"

Mit der Ruhe ist es dahin. Jahr für Jahr steigen die Besucherzahlen auf Island. Die meisten kommen per Flugzeug, die anderen als Tagestouristen mit dem Kreuzfahrtschiff. Es reicht, sagt die isländische Regierung.

Von Carsten Schmiester |
    Besucher am Geysir Stokkur und den heissen Quellen im gleichnamigen Ort auf Island
    Besucher am Geysir Stokkur, hier im Winter 2017. Egal zu welcher Jahreszeit, Island ist ein Touristen-Magnet. (imago/Seeliger)
    Um die zwei Millionen Besucher im vergangenen Jahr, jährliche Steigerungen von bis zu 40 Prozent. Und das bei nur gut 330.000 Einwohnern. Thordis Gylfadóttir, Islands Tourismusministerin, sieht das Land am Limit.
    "Beliebte Natur-Attraktionen laufen Gefahr, überrannt zu werden. Das kurzfristige Vermieten setzt den Wohnungsmarkt unter Druck, man beschwert sich an bestimmten Orten über zu viele Besucher und schlechte Infrastruktur."
    Das hat sie schon im vergangenen Jahr gesagt, jetzt präsentiert ihr Ministerium einen Bericht, der diese Sorgen bestätigt und Zahlen nennt: Fast die Hälfte der Isländer meint danach, dass die Insel nicht noch mehr Touristen verträgt und im Sommer schon längst überlaufen ist. Sigurdur "Sigi" Grimsson ist Dokumentarfilmer und Reiseleiter. Er kennt den Markt, die beiden Haupt-Besuchergruppen und ein merkwürdiges Phänomen.
    Im Winter kommen viele asiatische Besucher
    "Es kommen mehr Individualtouristen nach Island. Aber - Massentourismus? Ja! Es kommen sehr viele Asiaten, besonders im Winter. Es gibt irgendwie den Glauben im asiatischen Raum, dass Kinder, die unter Nordlichtern erzeugt werden, Glückskinder sind. Und so kommt man in Scharen hierher, um Kinder zu erzeugen."
    Lange dachten auch die Isländer, dass sie Glückkinder seien. Mehr Touristen, das bedeutete gerade nach der Wirtschaftskrise die Chance auf schnelle Erholung, auf neuen Wohlstand:
    "Ein offensichtlicher Vorteil ist, dass es viel Geld bringt ins Land, aber Nachteile? Ja! Island ist auch nicht darauf vorbereitet. Die isländische Natur ist sehr empfindlich. Wenn Tausende von Leuten darüber trampeln, dann geht es ganz schnell kaputt."
    Sigi sieht fast täglich mit eigenen Augen, was im Bericht des Tourismusministeriums beschrieben wird.
    "Der goldene Circle oder diese Runde hier aus Reykjavik ist eine schöne Runde. Es gibt viele Sehenswürdigkeiten: Þingvellir, der goldene Wasserfall und der Geysir, was alle sehen möchten. Aber der ist übervoll, das ist eigentlich zu viel. Der hat wirklich diesen Charme verloren."
    Steigende Preise könnten Touristen abhalten
    Hinzu kommen stark gestiegene Preise. Bringen sie womöglich ein "natürliches" Ende des Tourismusbooms? Immerhin haben erste Reiseveranstalter Pauschalangebote storniert mit der Begründung, sie seien aufgrund der steigenden Kosten nicht mehr wirtschaftlich.
    "Das wird es dämpfen, ja, aber es gibt auch viele Leute, die bereit sind, hierher zu kommen trotz dieser hohen Preise. Das sind ja hauptsächlich die Lebensmittel- und Restaurantpreise. Wenn man die vergleicht mit Europa ist es wirklich enorm teuer."
    Aber allein wird das nicht den Touristendruck von der Insel nehmen. Das sieht offenbar auch Ministerin Thordis Gylfadóttir so. Sie will Infrastruktur ausbauen, auch andere Ziele auf der Insel erschließen und allgemein ein besseres "Besuchermanagement".
    "Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir müssen mehr tun. Ich würde Island gerne als Besuchsziel entwickeln, das viel bietet, wo aber wenig zerstört wird. Und der Tourismus sollte nachhaltiger werden für die Umwelt und für unsere Gesellschaft."