Archiv

Touristen, Rohstoffe, Geld
Grönlands große Pläne für die Zukunft

Mehr Touristen, mehr Investoren, mehr Rohstoffförderung – Grönland will sich wirtschaftlich neu positionieren und unabhängiger vom Fischfang werden. Dazu werden mehrere Flughäfen auf der Insel gebaut. Das sorgt für politischen Zündstoff.

Von Gunnar Köhne | 24.02.2020
In Grönland werden gerade mehrere Flughäfen geplant
In Grönland werden gerade mehrere Flughäfen geplant (Planungsbüro)
Tina Amondsen steuert ihren Geländewagen von der schneegeräumten Straße auf den festgefrorenen Schnee des Seitenstreifens. Sie steigt aus und geht ein paar Schritte vor, zum Rand einer Anhöhe. Von dort blickt man auf den Flughafen der grönländischen Hauptstadt Nuuk. Eine Piste für Start und Landung, ein Tower und ein mausgraues Terminal, das an eine Lagerhalle erinnert. Dahinter, von eiskaltem Sonnenlicht beschienen, das Meer.
Eine Dash-Propellermaschine der Air Greenland rollt mit Getöse zu ihrer Parkposition. Das Thermometer zeigt minus 15 Grad – Tina Amondsen schlägt die dicke Kapuze ihres Anoraks über ihren Kopf. Die gebürtige Dänin weist mit ihrem Arm in die Richtung, wo schwere Baumaschinen und Baucontainer wie eine Wagenburg zusammenstehen:
"Dort links, am südlichen Teil der neuen Startbahn, sehen Sie die Baustelle. Dort sind sie derzeit noch mit den Sprengungen beschäftigt. Es müssen enorme Felsmengen weggesprengt werden. Und das Geröll wird dann dafür gebraucht, den Untergrund für die neue Start- und Landebahn aufzuschütten. Es ist geplant, dass wir Ende 2023 in Betrieb gehen."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Begehrte Insel: Grönland im Fokus der Großmächte".
Amondsen ist der Stolz anzusehen. Was sie als Managerin bei der Flughafen-Holding des Landes mitverantwortet, ist nicht bloß der Ausbau eines Airports. Es ist ein Projekt, das Grönland in eine andere Zeit katapultieren soll: Die Hauptstadt Nuuk bekommt einen neuen, einen internationalen Flughafen. In der eine Flugstunde weiter nördlich gelegenen Küstenstadt Ilulissat soll zeitgleich ein zweiter entstehen, ein dritter in Qaqortoq – im Süden des Landes.
Flughäfen für Touristen und Investoren
Das bedeutet: In wenigen Jahren können in Nuuk große Maschinen aus London, Berlin oder Vancouver landen. Voll besetzt mit Touristen und Investoren – das ist die Hoffnung der grönländischen Regierung. Bislang musste man auf dem Weg von oder nach Europa in Reykjavik oder Kopenhagen umsteigen. Direktverbindungen seien gut für die Umwelt und schonten die Geldbörse der Grönländer, sagt Amondsen auf dem Weg zurück in die Stadt:
"Wenn der neue Flughafen öffnet, werden 50 Prozent des Inlandsflugverkehrs entfallen. Denn die meisten Passagiere, die aus dem Ausland kommen, werden bereits an ihrem Zielort landen."
Das Flughafen-Konsortium hat seine Büros im höchsten Gebäude von Nuuk – ein neunstöckiger Bürokomplex gleich neben dem Einkaufszentrum und der Bank. Ein Ensemble grauer Klötze, das sich von den bunt verschalten Wohnhäusern des 17.000-Einwohner-Ortes absetzt.
Straßenszene in Grönlands 17.000-Einwohner-Hauptstadt Nuuk
Straßenszene in Grönlands 17.000-Einwohner-Hauptstadt Nuuk (Deutschlandradio / Gunnar Köhne)
Im Flur hängen die Entwürfe der Architekten für die geplanten Terminals aus Holz und Glas. Rund eine halbe Milliarde Euro sollen die drei neuen Flughäfen kosten. 20 Prozent der Kosten trägt die dänische Regierung, der Rest wird von dänischen Banken finanziert. Damit hat Kopenhagen verhindert, dass chinesische Investoren zum Zuge kamen.
Aber die finanzielle Übernahme der Flughafenprojekte durch die Dänen führte 2018 zu einer politischen Krise in Grönland – die Unabhängigkeitspartei verließ aus Protest gegen die Entscheidung die Regierungskoalition. Deren Politiker hätten lieber die Chinesen als Partner gesehen. Denn für sie sind die Flughäfen vor allem eins: Ein weiterer Schritt in Richtung Unabhängigkeit von Dänemark.
Hoffnung auf großes Wirtschaftswachstum
Für Tina Amondsen, die im Konferenzraum eine Power-Point-Präsentation über die geplanten Projekte gestartet hat, sind das Schlachten der Vergangenheit, die spätestens dann vergessen sein werden, wenn dank der neuen Flughäfen das große Geld ins Land fließe:
"Wir haben gesehen, wie nach der Entscheidung für den Flughafenbau private Investoren aktiv wurden, sowohl in Nuuk als auch in Ilulissat. Neue Hotels sind entweder schon gebaut oder sind in Planung. Und in den Fjorden rund um die Stadt werden neue touristische Aktivitäten entwickelt. Wir sind recht zuversichtlich, dass es für Touristen hier viel mehr zu erleben gibt, wenn der Flughafen 2023 eröffnet."
Der sei eine großartige Sache, sagen die allermeisten Grönländer in Umfragen. Nur einige entlegene Gemeinden im Norden und Nordosten des Landes beklagten, dass sie weiterhin mit einem Helikopterlandeplatz leben müssten, während andernorts neue Start- und Landepisten gebaut würden. Aber es gebe schon erste Planungen für weitere regionale Flughäfen, sagt Amondsen während sie ihre Power-Point-Präsentation kurz unterbricht. Und was ein Flughafen für entlegene Gegenden bedeute, habe man schließlich bei einer Nachbarinsel im Nordatlantik gesehen:
"Wir haben genau studiert, was auf den Färöer-Inseln passiert ist, nachdem sie dort ihre Landebahn verlängert haben. Es kam zu einem großen Wirtschaftswachstum. Vor allem, weil neue direkte Flugrouten vom europäischen Festland gestartet werden konnten – sogar direkt aus Paris. Das hat sehr viele Touristen ins Land gebracht. Und wir hoffen auf einen ähnlichen Effekt."