Jasper Barenberg: Meint Syriens Diktator Assad es ernst, wenn er beteuert, auf sein Arsenal an chemischen Waffen verzichten zu wollen? Das ist vor allem die Frage an diesem Morgen. Zweifel sind da wohl angebracht. Bisher nämlich hat Assad stets den Weg der Eskalation gewählt, noch nie den der Deeskalation, hat erst Schlagstöcke und Polizei gegen Demonstranten eingesetzt, später schickte er Soldaten mit Sturmgewehren, schließlich Hubschrauber, Kampfjets. Raketen und Artillerie und am Ende wohl das todbringende Giftgas Sarin. Ebenso unklar bleibt freilich einstweilen, ob und unter welchen Bedingungen Amerikaner und Europäer willens sind, sich auf den Vorschlag aus Damaskus einzulassen, auch völlig unabsehbar, wann dafür ein Mandat auf dem Tisch liegen könnte. Der Toxikologe und Chemiewaffen-Experte Ralf Trapp hat einige Jahre für die Organisation für das Verbot chemischer Waffen in Den Haag gearbeitet. Die OPCW überwacht im Auftrag der Vereinten Nationen, dass die Unterzeichnerstaaten ihre Chemiewaffen-Konvention und die der UNO erfüllen und einhalten. Ich habe Ralf Trapp heute Morgen gefragt, wie ein solcher Plan aussehen könnte, die Chemiewaffen Syriens unter internationale Kontrolle zu stellen.
Ralf Trapp: Zunächst mal muss man sagen, das geht natürlich nur auf der Grundlage einer Resolution des Sicherheitsrates, einer bindenden Resolution des Sicherheitsrates, und dafür braucht man zunächst die Unterstützung der Amerikaner, der Europäer, der Russen, der Chinesen und aller anderen Mitglieder im Rat. Nehmen wir mal an, dass das auch erreicht wird. Dann ist ein erster Schritt, dass Syrien seine Chemiewaffen-Vorräte melden muss. Man braucht eine vollständige und komplette Erklärung der Syrer darüber, welche Waffen sie haben, wo die sind, welche Typen, welche Mengen, und das muss dann verifiziert werden. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie das gemacht werden kann: Entweder über eine Sonderkommission des Sicherheitsrates, oder aber man kann die OPCW damit beauftragen, in Den Haag das zu tun. Die hat dann natürlich technische Erfahrungen, wie so was gemacht wird. Und man kann in dem Kontext natürlich auch die Bemerkung der Syrer aufgreifen, dass sie bereit sind, dem C-Waffen-Abkommen beizutreten, und das kann man durchaus als eine Rechtsgrundlage verwenden, um die OPCW direkt zu beauftragen.
Barenberg: Und dann würden Experten vor Ort reisen, um sich all diese Orte anzugucken und zunächst einmal in Augenschein zu nehmen?
Trapp: Genau. Nehmen wir mal an, dass dann die Rahmenbedingungen geschaffen werden können im Sinne von Sicherheit. Man braucht eine Waffenruhe, um so was durchführen zu können, in dem Bürgerkrieg in Syrien. Ansonsten würden dann Inspektoren vor Ort ziehen, würden eine komplette Inventur der gemeldeten Lager vornehmen, würden entsprechend die Waffen zählen, Fässer würden gewogen werden, sie bereiten ein komplettes Inventar vor, einige der Munitionen und der Fässer werden entsprechend gekennzeichnet, damit man über das Lager hinterher noch Kontrolle hat. Und dann müssten die Dinger abtransportiert werden: entweder an einen sicheren Standort irgendwo in Syrien, der dann auch gesichert werden kann gegen Zugriff oder gegen Angriffe, oder aber aus dem Lande zu einer Stelle, wo sie eventuell vernichtet werden können. Man kann sich auch eine Kombination aus beiden Verfahren vorstellen.
Barenberg: Das klingt - und das ist ja auch allgemein bekannt - alles kompliziert, das klingt gefährlich, das klingt teuer, das klingt aber auch, als wäre dafür viel Zeit nötig, mal von dem Waffenstillstand ganz zu schweigen.
Trapp: Ja, es ist kompliziert. Dem stimme ich schon zu. Aber es ist halt nicht unmöglich. Es ist eine Option, die man durchdenken sollte und wo ich glaube, hier haben wir eine Chance, dieses Problem zu bereinigen. Wenn es die entsprechende politische Unterstützung im Sicherheitsrat dafür gibt, dann halte ich es für realistisch, das in der Praxis tatsächlich durchzuführen. Zeit wird es schon brauchen, wobei die Vernichtung selber natürlich sowieso etwas länger brauchen wird, und deshalb ist es schon wichtig, dass man die Lager aus der Kampfzone entfernt und in irgendeiner Weise sichern kann. Die Vernichtung selber wird entweder dann, wenn sie in Syrien durchgeführt wird, die Errichtung einer Vernichtungsanlage erfordern, oder, wenn man die Waffen nach außerhalb von Syrien verschiffen kann, dann gibt es im Grunde genommen nur noch Russland, wo sie vernichtet werden können, denn in Amerika, das zweite Land, das noch eine entsprechende Kapazität zur Vernichtung von chemischen Waffen im Augenblick hat, gibt es eine Reihe von rechtlichen Problemen, die es wahrscheinlich sehr schwer machen würden, ausländische chemische Waffen ins Land zur Vernichtung zu transportieren.
Barenberg: Das Arsenal, von dem wir reden, soll ja massiv sein, soll sehr umfangreich sein. Es heißt, dass Syrien über etwa 1000 Tonnen an chemischen Kampfstoffen verfügt, verstreut über verschiedene Orte des ganzen Landes. Was würden Sie denn schätzen, wenn wir mal voraussetzen, alle Bedingungen sind erfüllt, es gibt einen Plan, es gibt eine Übereinkunft, was würden Sie schätzen, wie viel Personal und wie viel Zeit sind nötig, um einen wesentlichen Schritt weiterzukommen?
Trapp: Das Personal, das hängt dann zunächst mal davon ab, wie viele Lager es wirklich sind, und da habe ich unterschiedliche Zahlen gelesen. Das weiß ich selber im Augenblick hundertprozentig nicht. Die Menge, das ist etwas, was man zumindest von der Verifikationsseite her mit einer entsprechend großen Inspektionsgruppe sequenziell abarbeiten kann, also 15, 16 Leute im Inspektorat und dazu natürlich noch die entsprechende Infrastruktur einer Organisation, die das alles unterstützt. Das kann die OPCW mit dem Personal, das sie hat, sicher machen. Die Sicherung der Waffen über längere Zeiträume, da kann ich mich nicht dazu äußern. Dafür wird man mit Sicherheit Personal brauchen. Und die Vernichtung selbst: Zeit ist hier der entscheidende Faktor. Wie gesagt, eine solche Anlage aufzubauen, dauert etliche Jahre, und die Waffen in eine existierende Anlage zu verschiffen, braucht auch etwas Zeit und dann natürlich noch mal Zeit zur Vernichtung selbst.
Barenberg: Sie haben ja selber Jahre für die Organisation für das Verbot chemischer Waffen in Den Haag gearbeitet. Können Sie sich überhaupt vorstellen, dass man ein solches Mandat in einem Land wie Syrien mitten im Bürgerkrieg umsetzen kann, dass man ein solches Mandat in die Wirklichkeit überführen kann?
Trapp: Noch einmal: Technisch gibt es da eigentlich keine Gründe dagegen. Das, was man braucht, ist massive politische Unterstützung seitens des Sicherheitsrates und ein Sondermandat des Sicherheitsrates, das das alles zunächst mal rechtlich absichert und für die Bedingungen sorgt, unter denen das gemacht werden kann. Man braucht natürlich dann die Kooperation aller Bürgerkriegsparteien in Syrien, ansonsten kann man das sowieso nicht machen. Aber das sind Dinge, die im Grunde geregelt werden können. Man sollte auch darüber nachdenken, dass andere Staaten in der Region da mithelfen können, inklusive der Iraner zum Beispiel, die in der OPCW über Jahre hin eine aktive Rolle gespielt haben und durchaus in dieser Frage kooperativ sein könnten.
Barenberg: Gibt es Dinge, die Europa, die die Europäische Union anbieten kann, um diesen Prozess zu unterstützen?
Trapp: Sie kann zunächst mal politische Unterstützung anbieten. Es ist ganz wichtig, dass Staaten wie Frankreich, Großbritannien, Deutschland diese Initiative aufnehmen und versuchen, darauf zu drängen, dass sie wirklich in der Praxis angewendet wird und nicht einfach nur auf dem Papier steht und dann wieder verschwindet, und dann fängt das Schießen wieder an. Im Übrigen gibt es natürlich auch in Europa Erfahrungen in technischer Hinsicht mit der Beseitigung von chemischen Waffen.
Barenberg: Die Einschätzung des Toxikologen und Chemiewaffen-Experten Ralf Trapp hier im Deutschlandfunk.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ralf Trapp: Zunächst mal muss man sagen, das geht natürlich nur auf der Grundlage einer Resolution des Sicherheitsrates, einer bindenden Resolution des Sicherheitsrates, und dafür braucht man zunächst die Unterstützung der Amerikaner, der Europäer, der Russen, der Chinesen und aller anderen Mitglieder im Rat. Nehmen wir mal an, dass das auch erreicht wird. Dann ist ein erster Schritt, dass Syrien seine Chemiewaffen-Vorräte melden muss. Man braucht eine vollständige und komplette Erklärung der Syrer darüber, welche Waffen sie haben, wo die sind, welche Typen, welche Mengen, und das muss dann verifiziert werden. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie das gemacht werden kann: Entweder über eine Sonderkommission des Sicherheitsrates, oder aber man kann die OPCW damit beauftragen, in Den Haag das zu tun. Die hat dann natürlich technische Erfahrungen, wie so was gemacht wird. Und man kann in dem Kontext natürlich auch die Bemerkung der Syrer aufgreifen, dass sie bereit sind, dem C-Waffen-Abkommen beizutreten, und das kann man durchaus als eine Rechtsgrundlage verwenden, um die OPCW direkt zu beauftragen.
Barenberg: Und dann würden Experten vor Ort reisen, um sich all diese Orte anzugucken und zunächst einmal in Augenschein zu nehmen?
Trapp: Genau. Nehmen wir mal an, dass dann die Rahmenbedingungen geschaffen werden können im Sinne von Sicherheit. Man braucht eine Waffenruhe, um so was durchführen zu können, in dem Bürgerkrieg in Syrien. Ansonsten würden dann Inspektoren vor Ort ziehen, würden eine komplette Inventur der gemeldeten Lager vornehmen, würden entsprechend die Waffen zählen, Fässer würden gewogen werden, sie bereiten ein komplettes Inventar vor, einige der Munitionen und der Fässer werden entsprechend gekennzeichnet, damit man über das Lager hinterher noch Kontrolle hat. Und dann müssten die Dinger abtransportiert werden: entweder an einen sicheren Standort irgendwo in Syrien, der dann auch gesichert werden kann gegen Zugriff oder gegen Angriffe, oder aber aus dem Lande zu einer Stelle, wo sie eventuell vernichtet werden können. Man kann sich auch eine Kombination aus beiden Verfahren vorstellen.
Barenberg: Das klingt - und das ist ja auch allgemein bekannt - alles kompliziert, das klingt gefährlich, das klingt teuer, das klingt aber auch, als wäre dafür viel Zeit nötig, mal von dem Waffenstillstand ganz zu schweigen.
Trapp: Ja, es ist kompliziert. Dem stimme ich schon zu. Aber es ist halt nicht unmöglich. Es ist eine Option, die man durchdenken sollte und wo ich glaube, hier haben wir eine Chance, dieses Problem zu bereinigen. Wenn es die entsprechende politische Unterstützung im Sicherheitsrat dafür gibt, dann halte ich es für realistisch, das in der Praxis tatsächlich durchzuführen. Zeit wird es schon brauchen, wobei die Vernichtung selber natürlich sowieso etwas länger brauchen wird, und deshalb ist es schon wichtig, dass man die Lager aus der Kampfzone entfernt und in irgendeiner Weise sichern kann. Die Vernichtung selber wird entweder dann, wenn sie in Syrien durchgeführt wird, die Errichtung einer Vernichtungsanlage erfordern, oder, wenn man die Waffen nach außerhalb von Syrien verschiffen kann, dann gibt es im Grunde genommen nur noch Russland, wo sie vernichtet werden können, denn in Amerika, das zweite Land, das noch eine entsprechende Kapazität zur Vernichtung von chemischen Waffen im Augenblick hat, gibt es eine Reihe von rechtlichen Problemen, die es wahrscheinlich sehr schwer machen würden, ausländische chemische Waffen ins Land zur Vernichtung zu transportieren.
Barenberg: Das Arsenal, von dem wir reden, soll ja massiv sein, soll sehr umfangreich sein. Es heißt, dass Syrien über etwa 1000 Tonnen an chemischen Kampfstoffen verfügt, verstreut über verschiedene Orte des ganzen Landes. Was würden Sie denn schätzen, wenn wir mal voraussetzen, alle Bedingungen sind erfüllt, es gibt einen Plan, es gibt eine Übereinkunft, was würden Sie schätzen, wie viel Personal und wie viel Zeit sind nötig, um einen wesentlichen Schritt weiterzukommen?
Trapp: Das Personal, das hängt dann zunächst mal davon ab, wie viele Lager es wirklich sind, und da habe ich unterschiedliche Zahlen gelesen. Das weiß ich selber im Augenblick hundertprozentig nicht. Die Menge, das ist etwas, was man zumindest von der Verifikationsseite her mit einer entsprechend großen Inspektionsgruppe sequenziell abarbeiten kann, also 15, 16 Leute im Inspektorat und dazu natürlich noch die entsprechende Infrastruktur einer Organisation, die das alles unterstützt. Das kann die OPCW mit dem Personal, das sie hat, sicher machen. Die Sicherung der Waffen über längere Zeiträume, da kann ich mich nicht dazu äußern. Dafür wird man mit Sicherheit Personal brauchen. Und die Vernichtung selbst: Zeit ist hier der entscheidende Faktor. Wie gesagt, eine solche Anlage aufzubauen, dauert etliche Jahre, und die Waffen in eine existierende Anlage zu verschiffen, braucht auch etwas Zeit und dann natürlich noch mal Zeit zur Vernichtung selbst.
Barenberg: Sie haben ja selber Jahre für die Organisation für das Verbot chemischer Waffen in Den Haag gearbeitet. Können Sie sich überhaupt vorstellen, dass man ein solches Mandat in einem Land wie Syrien mitten im Bürgerkrieg umsetzen kann, dass man ein solches Mandat in die Wirklichkeit überführen kann?
Trapp: Noch einmal: Technisch gibt es da eigentlich keine Gründe dagegen. Das, was man braucht, ist massive politische Unterstützung seitens des Sicherheitsrates und ein Sondermandat des Sicherheitsrates, das das alles zunächst mal rechtlich absichert und für die Bedingungen sorgt, unter denen das gemacht werden kann. Man braucht natürlich dann die Kooperation aller Bürgerkriegsparteien in Syrien, ansonsten kann man das sowieso nicht machen. Aber das sind Dinge, die im Grunde geregelt werden können. Man sollte auch darüber nachdenken, dass andere Staaten in der Region da mithelfen können, inklusive der Iraner zum Beispiel, die in der OPCW über Jahre hin eine aktive Rolle gespielt haben und durchaus in dieser Frage kooperativ sein könnten.
Barenberg: Gibt es Dinge, die Europa, die die Europäische Union anbieten kann, um diesen Prozess zu unterstützen?
Trapp: Sie kann zunächst mal politische Unterstützung anbieten. Es ist ganz wichtig, dass Staaten wie Frankreich, Großbritannien, Deutschland diese Initiative aufnehmen und versuchen, darauf zu drängen, dass sie wirklich in der Praxis angewendet wird und nicht einfach nur auf dem Papier steht und dann wieder verschwindet, und dann fängt das Schießen wieder an. Im Übrigen gibt es natürlich auch in Europa Erfahrungen in technischer Hinsicht mit der Beseitigung von chemischen Waffen.
Barenberg: Die Einschätzung des Toxikologen und Chemiewaffen-Experten Ralf Trapp hier im Deutschlandfunk.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.