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Tracy Marrow alias Ice-T
"Obama war für mich der erste Hip-Hop-Präsident"

Er schreibt bis heute die provokativen Texte der Band Body Count: Gangsta-Rapper Ice-T. Meist wirkte er einschüchternd - wie auch viele andere MCs seiner Genration. Dennoch hätten sie das Image des schwarzen Amerikaners positiv verändert, erklärte Tracy Marrow alias Ice-T im Dlf.

Tracy Marrow alias Ice-T im Corsogespräch mit Juliane Reil |
    Juliane Reil: War der Punkrock notwendig, um eine bestimmte Wut auszudrücken?
    Ice-T: Das Einzige hip-hop-mäßige an Body Count ist, dass der Leadsänger ein Rapper ist. Aber ursprünglich ist Body Count aus Spaß heraus entstanden, nur, damit mein Gitarrist Earnie C mitspielen konnte. Ich war als Ice-T öfter in Europa und merkte, dass die Kids hier zu Rap gern moshen. Und ich dachte: "Wow, vielleicht kann ich ihnen noch etwas Besseres dafür liefern?"
    "Wir machen den Mann auf der Straße zum Teufel"
    Als ich nach L.A. zurückgekommen bin, sagte ich: "Lasst uns eine Rockband gründen. Wir verschmelzen Black Sabbath mit Slayer und Suicidal Tendecies, so dass niemand uns auf einen einzigen Sound reduzieren kann!" Und dann habe ich einfach Texte geschrieben, aber über Sachen, die wir kannten. Wir singen nicht über den Teufel, wie die anderen Bands. Wir machen den Mann auf der Straße zum Teufel - den Typen, der dich wirklich umbringen kann.
    Reil: Sie sagten, es ginge um Spaß. Aber gleichzeitig haben Sie das Leben auf der Straße, das Leben der Gangster und soziale Probleme reflektiert.
    Ice-T: Der Schlüssel ist, dass du unterhalten willst. Wenn du Leute zum Nachdenken bringen willst, darfst du sie nicht mit bestimmten Dingen erschlagen. Sonst schalten sie ab. Die Leute mögen es nicht, wenn man sie belehren will. Du musst gewieft sein und wissen, wie du es verpackst. Mir ist es egal, wenn ich Leute erschrecke - aber sie sollten immer noch Spaß dabei haben. Es darf nicht so ernst sein, dass sie es nicht noch ein zweites Mal hören wollen. Wenn du zum Beispiel eine politische Gruppe wie Public Enemy nimmst: Sie haben Flavor Flav als das komische Element, der für einen Moment Entspannung bringt, so dass du es in einer kleinen Dosis erträgst.
    Zum Nachhören im englischen Originalton - das Corsogespräch mit Ice-T
    Reil: Als sie Ihr Debütalbum veröffentlicht haben, wurde es allerdings ernst. Das war 1992, als vier weiße Polizisten in L.A. den Schwarzen Rodney King fast zu Tode prügelten.
    Ice-T: Aber wissen Sie was? Unsere Platte wurde ein Jahr vor dem Fall Rodney King fertiggestellt. Das haben wir den Leuten gesagt. In unserer Gegend hatte man die Nase voll von der Brutalität der Polizisten. Ich erfand einen Charakter, der sich die Cops schnappte und zurückschlug. Der Song "Cop Killer" ist eine Fantasie. Wenn jemand glaubt, ich sei ein Cop Killer, dann glaubt er auch, dass David Bowie ein Astronaut ist. Aber das nächste, was passierte, waren die Unruhen in L. A. Ich hatte meinen Finger sozusagen "am Puls der Straße", wo man mir Aufmerksamkeit schenkte. Auf einmal waren sie hinter uns her und versuchten uns zum Problem zu machen – als ob wir die Unruhen gestartet hätten. Sie haben vollkommen überzogen auf den Song "Cop Killer" reagiert.
    Mehr weiße als schwarze Kids erreicht
    Sehen Sie, wenn schwarze Kids Probleme haben, ist das allen egal. Aber wenn ich meine Wut für weiße Kids übersetze (und auf sie übertrage), dann wird das ein Problem. Wenn ich "Cop Killer" singe und Weiße in Deutschland oder sonstwo ihre Faust recken, dann ist das ein Problem. Man versucht uns zu trennen und auseinander zu halten: Das Problem eines schwarzen Mannes sei etwas anderes als das einer Frau oder eines jungen Heranwachsenden. Aber Unrecht bleibt Unrecht. Und wenn wir merken, dass wir alle auf derselben Seite sind, werden wir mächtig. Wir überwinden unsere kleinen Unterschiede und merken, dass es etwas Größeres gibt, das versucht, uns alle zu manipulieren. Und das hat Leuten am Anfang bei Body Count Angst gemacht.
    Als ich in die Rock-Arena getreten bin, habe ich mehr weiße als schwarze Kids damit erreicht. Das war eine Bedrohung. Auch heute noch - 25 Jahre später - haben wir dieselben Probleme in den USA. Leute werden umgebracht. Es ist skandalös. Traurig, dass der Song nach 25 Jahren immer noch aktuell ist.
    Reil: Kendrick hat kürzlich den Pulitzer Preis gewonnen. Er bezieht sich auf die erste Generation von Gangsta Rappern wie NWA (Niggaz Wit Attitudes) und Sie. Macht Sie das irgendwo stolz?
    Ice-T: Ich bin absolut stolz auf Kendrick Lamar. Ich denke, der Grund dafür, dass er den Preis gewinnen konnte, ist, dass die Entscheidungsträger heute jünger sind und mehr zuhören. Als NWA dabei waren aufzusteigen, hätten sie keine Chance gehabt, den Preis zu gewinnen - ganz einfach, weil die Leute, die damals entschieden, dafür keine Ohren hatten.
    "Im Prinzip war ich mein ganzes Leben allein"
    Ich bezeichne Obama immer als den ersten Hip-Hop-Präsidenten. Leute wie Public Enemy, ich selbst, NWA und Ice Cube haben Leuten zunächst Angst gemacht, aber es dann geschafft zu zeigen, dass wir keine Feinde sind. Die weiße Elterngeneration wählte Obama, weil wir sie zu dem Punkt gebracht haben zu sagen: "Wir haben keine Angst vor einem Schwarzen, wir wählen ihn." Diese Leute haben heute auch die Macht zu sagen: "Wir geben einem Schwarzen den Pulitzer Preis." Kendrick Lamar verdient es. Er ist unglaublich, einer der Besten. Aber wir alle werden von etwas inspiriert. Er weiß, dass wir für die Position gekämpft haben, der er seine Position heute verdankt. Deshalb hat er meinen Respekt.
    Reil: Sie sprachen von Inspiration. Was hat sie als junger Mensch inspiriert?
    Ice-T: Mich inspirieren viele Dinge. Eine Sache ist das Überleben. Ich musste überleben, denn ich bin eine Waise. Ich habe keine Mutter, keinen Vater, keine Brüder oder Schwestern. Mit 15 verließ ich das Haus meiner Tante. Im Prinzip war ich mein ganzes Leben allein. Also musste ich irgendwie zurechtkommen. Ich habe das Gesetz gebrochen, aber als die Musik in mein Leben kam, merkte ich, dass ich etwas zu erzählen hatte. Ich habe mich dann ganz und gar da reinbegeben, weil ich nicht ins Gefängnis wollte. Dann habe ich gemerkt, dass das, was ich sage, ein Echo findet. Ich bin glücklich, dass Leute meine Ansichten teilen. Sie machen dieses Interview ... Viele Leute meinen, dass ich Unsinn rede. Andere sagen: "Wow, ich mag, was er sagt. Er kennt mich." Das ist die beste Musik. Leute, müssen sich mit ihr identifizieren können.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Tourtermine im deutschsprachigen Raum:
    09.06.18 Luxemburg
    14.06.18 Gräfenhainichen
    21.06.18 Zürich