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Gefährdet die Föderalismusdebatte die deutschen Hochschulen?

Der Erhalt der deutschen Hochschulen sei im Zusammenhang mit der aktuellen Föderalismusdebatte gefährdet. Das erklärt der Generalsekretär des Wissenschaftsrats, Wedig von Heyden. Nach Plänen der Bundesregierung soll die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau aufgegeben werden. Damit würde die 50-prozentige Beteilung des Bundes wegfallen. Das wäre vor allem für die ärmeren Länder im Osten und Norden nicht aus eigenen Mitteln ausgleichbar. Jährlich investieren Bund und Länder bislang zwei Milliarden Euro gemeinsam in den Hochschulbau.

    Patrick Honecker: Die Bundesregierung plant eine grundlegende Reform des föderalistischen Systems. Justizministerin Zypries hat in der FAZ bestätigt, betroffen ist davon natürlich auch die Hochschule, zum Beispiel der Hochschulbau. Den will der Bund gerne an die Länder delegieren, selber dafür die Finanzierung der Spitzenforscher übernehmen, heißt deutsche Forschungsgemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft und so weiter. Im Studio Wedig von Heyden, Generalsekretär des Wissenschaftsrates, des höchsten wissenschaftlichen Beratergremiums von Bund und Läden. Herr von Heyden, raus aus der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau, was heißt das?

    Von Heyden: Der Hochschulbau ist 1970 ins Grundgesetz gekommen. Damals hat man ihn mit Bedacht deshalb ins Grundgesetz genommen, als sogenannte Gemeinschaftsfinanzierung von Bund und Ländern, weil man die Verhältnisse abschaffen wollte, die damals herrschten, dass nämlich ein relativ willkürliches chaotisches Durcheinander herrschte und die Tröger-Kommission, die das damals vorgeschlagen hatte, wollte das bereinigen und zu klaren Verhältnissen kommen. Auf der anderen Seite besteht kein Zweifel, dass einiges, was an Hochschulbau zur Zeit passiert, dringend reformbedürftig ist. Da ist auch völliger Konsens zwischen Bund und Ländern und wenn Frau Zypries gesagt hat, der Hochschulbau sollte abgeschafft werden, so kommt damit zumindest eine Sache zum Ausdruck: es besteht dringender Reformbedarf in diesem Bereich.

    Honecker: Sie haben auch einige Punkte erwähnt, die reformbedürftig sind. Welche Punkte sind das?

    Von Heyden: Erstens zitiere ich Frau Bulmahn, die sagt 'was interessiert mich die Dachsanierung in Greifswald?' oder einen bayerischen hohen Beamten, der sagte 'was interessiert den Bund, ob der Nagel links oben oder rechts unten eingeschlagen wird?'. Will sagen: dort wird sehr viel Kleinteiliges beredet, bewegt, auch vom Wissenschaftsrat begutachtet und niemand weiß so recht, wozu es dazu der Bundesmitwirkung bedarf. Was relevant ist und von Bedeutung ist im Hochschulbau ist, dass es über die Ländergrenzen hinweg eine gewisse Sicht gibt und dass das auch beibehalten werden soll. Aber was viel relevanter ist, ist die fünfzigprozentige Mitfinanzierung, die in der Verfassung festgeschrieben ist und wenn das jetzt ersatzlos abgeschafft würde, mache ich mir einfach Sorgen um die armen Länder im Norden und im Osten, wo die Wissenschaft nicht so beliebt ist, nicht so befeuert finanziert werden kann, wie das in den süddeutschen Ländern viel häufiger der Fall ist und das in einer Situation, in der wir alle sagen, wir brauchen an sich mehr Hochschulabsolventen. Die Bundesregierung will den Altersjahrgang von derzeit 37,5 auf 40 Prozent erhöhen, das geht natürlich nicht mit weniger Hochschulen sondern zumindest mit dem Erhalt und der intensiveren Nutzung der vorhandenen Hochschulen. Wenn aber die Landesminister in ihren Kabinetten sich mit dem Straßenbau- oder Schulminister oder wem auch immer streiten müssen und sagen: ich brauche das für die Hochschule und der andere sagt: ich brauche das für die Schule, so kann er heute sagen: ich kriege 50 Prozent vom Bund dazu. Das wird er in Zukunft nicht sagen können. Zumindest ist damit potentiell der Erhalt der Hochschulen, wie bisher gefährdet.

    Honecker: Es sind ja keine Peanuts, über die hier gesprochen werden, es sind Milliardenbeträge, die investiert werden. Auch Labore, man weiß, was so eine Einrichtung kostet. Was befürchten Sie, wird da teilweise nicht mehr gebaut oder instandgesetzt werden, wo es eigentlich hätte werden müssen?

    Von Heyden: Es ist ja schon jetzt so, dass durch die bekannte Unterfinanzierung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau mit Milliardendefiziten viele Hochschulen sich weder haben richtig erhalten können, also rieselnder Beton oder veraltete Labore oder ähnliches, noch schwieriger sich im erforderlichen Umfang haben modernisieren können. Das kostete furchtbar viel Geld, das ist gar keine Frage. Insgesamt sind glaube ich 52 Milliarden Euro bisher in der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau ausgegeben worden, pro Jahr sind es gut zwei Milliarden Euro. Und wenn diese Summe, die jetzt schon nicht mehr reicht, es potentiell - ich bin sehr vorsichtig, es kann auch alles anders kommen, aber die Sorge ist ja berechtigt - weniger wird, dann werden sich die Hochschulen noch weniger, zumindest in der armen Ländern, erhalten können und es wird dann eben dazu führen, dass es ein noch stärkeres Gefälle gibt. Das kann man wollen. Aber was man nicht wollen kann ist, dass die Basis für die Wissenschaft, das sagte ich eben schon mal, und die Basis für eine vernünftige Ausbildung, ein vernünftiges Studium möglichst vieler junger Menschen an unseren Hochschulen zumindest erschwert wird.

    Honecker: Welche Länder wären besonders betroffen?

    Von Heyden: Es ist natürlich immer sehr schlecht, einzelne Länder zu nennen, weil die sich an den Pranger gestellt fühlen. Aber ich sage mal allgemein ist es der Norden und der Osten.

    Honecker: Was empfiehlt der Wissenschaftsrat?

    Von Heyden: Er hat sich dazu noch gar nicht geäußert und ich kann nicht ohne meine Wissenschaftler und ohne Bund und Länder gefragt zu haben dazu äußern. Wir werden uns eins, das steht fest, in unsere Frühjahrssitzung im Mai mit den Wissenschaftlern, mit Bund und Ländern über die Zukunft der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau, worüber wir eingangs sprachen, austauschen. Wir werden mit Sicherheit angesichts dieser Verhandlungskonstellation zwischen Bund und Ländern zu keinerlei abschließenden Empfehlungen oder ähnlichem kommen; aber schon ein Gedankenaustausch führt manchmal zu Informationsgewinnen, die nicht überall vorhanden sein müssen.

    Honecker: Noch ein Nachsatz: Grundsätzlich ist die Rahmengesetzgebung des Bundes auf dem Prüfstand. Was heißt Das im Bezug auf das Hochschulrahmengesetz, darin ist ja zum Beispiel das Verbot der Erststudiengebühren fixiert?

    Von Heyden: Wenn die Rahmengesetzgebungskompetenz entfiele, dann stünde es jedem einzelnen Land frei - und die Alternative wäre, dass die Länder ganz eigene Hochschulgesetze machen - zu entscheiden, ob es Studiengebühren will. Das wäre eine Konsequenz. Das mag ja auch sein, dass man sich über Finanzierung und größere Autonomie der Hochschulen landesweit Konkurrenz macht. Aber der Punkt ist: man muss bedenken, ob es nicht Sinn macht, auch für die Absolventen und Professoren, dass man sich auf gewisse einheitliche generelle Grundsätze verständigt. Und ob das andere Instrumentarium, das wir hätten, wenn eine Rahmengesetzgebungskompetenz entfiele, eine Vereinbarung nur zwischen den Ländern, das bringen kann, schwerfälliger Mechanismus, 16 Länder müssten sich verständigen, auch da sind gelinde gesagt Zweifel angebracht.

    Honecker: Wedig von Heyden, Generalsekretär des Wissenschaftsrat zu den Plänen der Bundesregierung in der Hochschul- und Forschungsentwicklung.