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Traditionsfreundliches Design
Wenn Mode keinen Schaden anrichtet

Nachhaltiges Design liegt im Trend - auch an Mode-Hochschulen. Der Designer Thomas Kilian Bruderer macht sich das zunutze und verbindet in seinen Produkten natürliche Rohstoffe mit Kulturtechniken der Maya. Damit will er auch das regionale Textilhandwerk wiederbeleben.

Von Gesine Kühne |
    Der Rucksack von Thomas Kilian Bruderer - das Netz aus Sisal wurde nach Techniken der Maya hergestellt
    Thomas Kilian Bruderer vereint mit seinem Rucksack regionales Handwerk und Textilverarbeitungstechniken der Maya (Deutschlandradio / Gesine Kühne)
    "Fühlt sich fast an wie Sisal." / "Es ist tatsächlich Sisal!"
    Thomas Kilian Bruderer steht vor einer Auswahl von Taschen, die er designt hat. Zum einen ein einfaches Einkaufsnetz mit Ledergriffen, das aussieht wie eine hochwertige Version der Einkaufsnetze aus der DDR. Die sind bei modischen Menschen derzeit wieder ganz aktuell. Zum anderen gibt es einen Rucksack: Riemen aus Leder, die Innentasche aus Leinen und das Netz außen eben aus Sisal, der Faser, die aus der Agave gewonnen wird. Thomas Kilian Bruderer sagt:
    "Erst wird das Blatt abgemacht, dann mit der Machete werden die Fasern freigelegt, das Fruchtfleisch weggemacht, es wird gewaschen und dann in der Sonne getrocknet. Dann kriegt man so weiß-gelbliche Faserbündel und die werden dann auf dem Knie von Hand zu einem Zwirn verdreht. Und dann wird angefangen, das Netz aufzubauen."
    "Wir versuchen, das Handwerk wiederzubeleben"
    Diese Technik hat sich Bruderer nicht selbst ausgedacht - es ist eine jahrtausendealte Tradition der Tzotzil-Mayas aus dem mexikanischen Bundesstaat Chiapas. Das indigene Volk stellt in wochenlanger Handarbeit aus diesem robusten Zwirn Netze her, die sie zum Transport von Holz oder Maiskolben nutzen. Cho'jac heißen diese Netze. Und Thomas Kilian Bruderer hat sein Label nach ihnen benannt. Vor acht Jahren ist Bruderer auf das alte Handwerk der Tzotzil-Mayas aufmerksam geworden. Er entdeckte es in einer Ausstellung im ethnologischen Museum in Zürich.
    "Ich war sofort fasziniert vom Faserbild, vom Textilbild dieser Taschen. Ich habe mich dann schlau gemacht, habe die Ethnologin herausgefunden und mich mit ihr in Kontakt gesetzt. So hat die ganze Story eigentlich begonnen."
    Der Designer erfährt, woher die Netze stammen und dass die alte Tradition gerade ausstirbt. Er fährt selbst nach Mexiko, um diese eine Großfamilie, die die Netze noch flechten kann, ausfindig zu machen und von ihnen das Handwerk zu lernen. Während seines Textildesign-Studiums an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin entwickelt er ein komplettes Ökonetz als Masterarbeit.
    "Wir versuchen, das Handwerk wiederzubeleben und dann zusätzlich hier regionale - im Umfeld von Berlin - kleine Handwerksstätten mit einzubeziehen. Für die Rucksäcke verwenden wir europäisches Leinen, was in einer deutschen Leinenweberei gewebt wird und in einer Behindertenwerkstätte in Berlin Weißensee umgesetzt wird oder vernäht. Das Leder kommt aus Süddeutschland, von deutschen Rindern, und wird vegetabil gegerbt."
    "Gutes Design muss heute nachhaltig sein"
    Eine so umfangreiche Masterarbeit, die Thomas Kilian Bruderer abliefert, sorgt natürlich für Aufsehen, weil sie mehr als nur eine Designidee beschreibt. Die Arbeit wird von der Kunsthochschule in Weißensee in besonderer Weise unterstützt. Denn die Uni bietet seit acht Jahren das "GreenLab" an, ein Labor für nachhaltige Designstrategien, das hilft, Projekte auch in die Praxis umzusetzen.
    Nachhaltigkeit ist tatsächlich bei Modestudiengängen ein Thema geworden. Die inzwischen geschlossene - doch früher renommierte - private Modeschule ESMOD in Berlin bot ab 2011 den Masterstudiengang "Sustainability in Fashion", also "Nachhaltigkeit in der Mode" an und war damit die erste Uni in Deutschland. Heute kann man diesen Master an der Privatschule "AMD" noch machen. Für Thomas Kilian Bruderer persönlich der einzige Weg, heute noch ins Design einzusteigen.
    "Ich finde, gutes Design muss heute nachhaltig sein. Design, was nur hübsch und schön ist, können ganz viele. Aber die Sache dann abzurunden und in sich zu einem Kreis zu kriegen, das ist die spannende Aufgabe und auch die schwierige Aufgabe."
    Und das macht Bruderer, indem er mit Hilfe von NGOs in Mexiko Workshops anbietet, in denen die alte Netzflechttradition weitergegeben wird. Für den Konsumenten ist die traditions- und umweltschützende Tasche wirklich nicht billig, das einfache Netz kostet 219 Euro, aber der Designer macht sich deshalb keine Sorgen:
    "Es gibt eine immer größer werdende Szene, die lieber mehr Geld ausgibt für nachhaltige, fein produzierte Artikel, als billig einzukaufen."
    Am Freitag den 13. April 2018 findet an der Kunsthochschule Weißensee ein "GreenLab"-Symposium statt. Von 10:00 – 18:00 Uhr gibt es dort Vorträge und Materialien zum Thema Green Design. Der Eintritt ist frei, um Anmeldung wird gebeten.