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Tragbare Elektronik
Die Selfie-Drohne

Eine Drohne am Handgelenk, die eigenständig Bilder von ihrem Träger machen soll - diese Erfindung brachte einem deutschen Forscherteam den Sieg in einem Wettbewerb um tragbare Technologien. Eines Tages - so hoffen die Forscher - soll "Nixie" mehr als ein reines Spaßobjekt sein.

Von Frank Grotelüschen |
    Eine kleine Drohne an einem Handgelenk faltet ihre vier "Flügel" aus.
    So sieht die Drohne aus, wenn sie sich am Handgelenk entfaltet. (Fly Nixie)
    "Es ist ein bisschen abgehoben, möchte ich fast sagen."
    Hauptberuflich arbeitet Floris Ernst an der Universität zu Lübeck und entwickelt Algorithmen für die robotergestützte Chirurgie. Das Projekt aber, dem er sich nebenbei widmet, ist in der Tat ziemlich abgehoben.
    "Wir möchten den vollautomatischen Fotografen entwickeln. Jemand, den Sie immer dabei haben, am Handgelenk idealerweise. Der losfliegen kann, wenn Sie ein Foto haben möchten, von sich und von anderen. Das ist die Vision."
    Drohen soll autonom fliegen
    Eine Drohne, die wie eine Uhr am Handgelenk zu tragen ist, sich auf Wunsch auffaltet und ein paar Meter wegfliegt, um ein Foto von seinem Träger zu knipsen - eine Art Selfie für Fortgeschrittene. Auf diese Idee kam der Physiker Christoph Kohstall, ein junger Deutscher, der an der kalifornischen Stanford-Universität arbeitet. Um die Vision umzusetzen, scharte er ein Team um sich, darunter sein alter Schulfreund Floris Ernst aus Lübeck, ein Spezialist für Computeralgorithmen. Nixie, so heißt die fliegende Kamera, basiert auf einem Quadrocopter, einer Art Mini-Hubschrauber mit vier Rotoren. Nur: Um ihn wie eine Uhr tragen zu können, muss man ihn falten können. Die Idee:
    "Wenn Sie an den Quadrocopter denken, haben Sie vier Arme, und an jedem Arm hängt ein Rotor. Dieses Armband, das wir entwickeln wollen, da ist der zentrale Teil des Quadrocopters das, was Sie als Uhrkörper haben würden. Und die Arme, wo die Rotoren dran sind, sollen sich um das Handgelenk herumfalten und auf der Rückseite durch einen speziellen Verschlussmechanismus verriegeln lassen."
    Nach ihrem Start vom Handgelenk soll die Drohne autonom fliegen, also ganz von selbst. Spezielle Lagesensoren sollen dafür sorgen, dass Nixie immer weiß, wo sie sich befindet, was sie fotografieren soll und wohin sie zurückkehren muss.
    "Die Entfernung steuern wir durch die Art der Geste: Je nachdem, wie stark Sie Ihr Handgelenk bewegen, desto weiter fliegt das System weg, sucht Sie in dem Bild, macht das Foto von Ihnen und kommt dann wieder zu Ihnen zurückgeflogen."
    Demo-Video von Nixie:
    Außerdem soll Nixie mit dem Smartphone ihres Besitzers kommunizieren können. Denn damit könnte sie nicht nur Standbilder schießen, sondern ihrem Besitzer stets auf den Fersen bleiben - etwa einem Kletterer in der Steilwand oder einem Mountainbiker bei einer rasanten Abfahrt. Noch aber ist das alles Zukunftsmusik. Zwar haben Ernst und seine Leute schon einen ersten Prototypen gebaut. Der passt zwar um ein Handgelenk, kann sich aber nur bedingt auffalten. Nun wollen es die Tüftler mit einem sogenannten bistabilen Kunststoff versuchen - einem Material, das wahlweise biegsam und steif sein kann. Doch das ist nicht die einzige Herausforderung.
    "Die Miniaturisierung ist eine. Die Algorithmik, um die Position dieser Drohne wiederzufinden und die Navigation zu machen, ist eine andere."
    Im Extremfall Hilfe organisieren
    Die 500.000 Dollar, die das Nixie-Team nun als Gewinner des "Make-it-Wearable"-Wettbewerbs einstreichen darf, sollen helfen, der Technik den entscheidenden Kick zu geben. Und so hofft Floris Ernst, nächstes Jahr einen neuen Prototypen präsentieren zu können, der der Vision der Selfie-Drohne schon deutlich näherkommt. Und auf lange Sicht könnte Nixie sogar zu mehr gut sein als zu einem reinen Spaßobjekt.
    "Man könnte es auch verwenden für Notfall-Situationen. Wenn jemand in einem abgelegenen Gebiet unterwegs ist und einen Unfall hat. Jemand stürzt, bleibt liegen, steht nicht wieder auf - dann könnte die Drohne abheben und automatisch signalisieren, dass hier jemand in Schwierigkeiten steckt. Im Extremfall sogar versuchen, irgendwo hinzufliegen und Hilfe zu organisieren."
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