Eine Sondersendung jagt die nächste, die Nachrichten kennen nur noch ein Thema, aus Sportredakteuren werden Polizeireporter. Kein Wunder. Im belgischen Fußball ist, wie es ein TV-Moderator sagt, eine Bombe explodiert. Es geht um die Topadressen des Landes. RSC Anderlecht. Club Brügge. Standard Lüttich. Und viele andere mehr. Bei einer Großrazzia haben Polizei und Staatsanwaltschaft die Geschäftsräume von neun der 16 Erstligavereine durchsucht. Auch im Ausland waren die Fahnder aktiv. In Frankreich und Luxemburg, in Zypern, Serbien, Mazedonien und Montenegro. Gleich kistenweise wurden Dokumente beschlagnahmt: Rechnungen, Bankunterlagen, Spielerverträge.
Bekannteste Persönlichkeiten sind unter den Verdächtigen
Die Vorwürfe wiegen schwer. Laut Staatsanwaltschaft geht es um Geldwäsche, Korruption und organisierte Kriminalität. Außerdem sollen Spiele verschoben worden sein. Die Untersuchungen dazu konzentrieren sich auf die Saison 2017/2018. Im Visier sind Spieler, Trainer, Vereinsmanager und Schiedsrichter. Einige gehören zu den bekanntesten Persönlichkeiten im belgischen Sport. Zum Beispiel Mogi Bayat. Der aus dem Iran stammende frühere Profi arbeitet heute als Spielervermittler und gilt als einflussreicher Strippenzieher. Er soll an fast allen großen Transfergeschäften der belgischen Liga beteiligt gewesen sein und damit zweistellige Millionenbeträge verdient haben. In einem Fernsehinterview vor einiger Zeit sagte er: Ich bin der Fußballer, der in Belgien am besten bezahlt wird.
Ebenfalls im Visier der Fahnder: Dejan Velikovic, auch er ein Spielerberater. Anders als Bayat hält sich der Serbe lieber im Hintergrund, er war an Transfers von Profis aus Balkanstaaten und aus Afrika in die belgische Liga beteiligt. Vorläufig festgenommen wurden außerdem zwei prominente Fifa-Schiedsrichter, der frühere Coach von Rekordmeister Anderlecht, Hermann van Holsbeeck, und Ivan Leko, der aktuelle Trainer des amtierenden belgischen Meisters FC Brügge.
Vereinsanwalt lenkt Verdacht auf Spielervermittler
"Ich glaube", sagt Brügges Vereinsanwalt Walter van Steenbrugge, "dass sich die Untersuchung hauptsächlich auf die beiden Spielervermittler konzentriert und dass man jetzt bei den Clubs nachfragt, welche Absprachen zwischen Spielern und Vereinen es da gegeben hat."
Belgiens Fußballverband hält sich unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen mit einer Bewertung der Affäre zurück. Man habe die Polizeiaktion zur Kenntnis genommen, heißt es in einer Erklärung. Und: Das alles treffe den Fußball in unterschiedlichen Bereichen. Man werde die Behörden bei ihrer Arbeit natürlich unterstützen.
Brügge spielt in der Champions League gegen Borussia Dortmund
Das haben inzwischen auch die großen Vereine angekündigt. Ivan de Witte, der Vorsitzende des Erstligisten aus Gent sagte dem belgischen Fernsehen: "Ich bin davon überzeugt, dass wir eine gute Organisation haben und dass bei uns alles sauber ist."
Der Präsident des amtierenden belgischen Meisters Club Brügge, Bart Verhaeghe, sagt ebenfalls: "Bei uns gibt es nichts zu verbergen, in Brügge läuft alles korrekt." Auch seinen Trainer Ivan Leko nimmt Verhaeghe ausdrücklich in Schutz. Brügge ist Gegner von Borussia Dortmund in der Champions League. Erik Libois, der Chef der belgischen Fußballschiedsrichter, zeigte sich überrascht und traurig – schließlich gehe es um zwei der besten Schiedsrichter des Landes.