"Die Macher bei uns im Turnen sind die Frauen", das Umfeld von Turn-Bundestrainerin Ulla Koch - offenbar eine Seltenheit im deutschen Spitzensport. Ein Beispiel: Im aktuellen deutschen Olympiateam für die Winterspiele Pyeongchang waren unter 80 Trainern nur zwei Frauen gemeldet: Im Eiskunstlauf Romy Oesterreich und im Skeleton Kathy Wichterle. Trainerin als Beruf - für viele Frauen nicht die erste Wahl.
"Also, ich glaube schon, dass es für Frauen schwer ist, sich durchzubeißen", so Koch, "das habe ich die ganzen Jahre gesehen, dass der Sport eine Männerdomäne ist. Zum Beispiel habe ich im Ehrenamt viel von starken Männern gelernt, die über mir standen, wie die sich verhalten haben - und ich glaube, dass viele Frauen sich nicht darauf einlassen wollen, wenn sie nicht von Anfang an in diesem Konkurrenzkampf waren."
Auch an der Trainerakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes ist die Dominanz der Männer sichtbar: Vergangenen Herbst schlossen nur vier Frauen den renommierten Diplomtrainer-Studiengang ab. Vier Frauen, 23 Männer. Die Zahlen stagnieren seit Jahren: Im Schnitt ein Frauenanteil von zehn Prozent. Das liege nicht etwa an einem eingeschränkten Zugang zum Studium, meint der Direktor der Akademie. Lutz Nordmann glaubt, um etwas zu ändern, müssten sich die Bedingungen für Frauen im Spitzensport ändern: "Wir haben, wenn wir es in den dreijährigen Diplomstudiengängen thematisiert haben, auch unsere Trainerinnen zusammengeholt und gefragt: Was müsste denn passieren? Der Einsatz im Leistungssport ist ja oft so, dass man über ne lange Zeit getrennt ist von der Familie. Da sind viele Trainerinnen, die sagen: Nö, das will ich nicht."
Mehr Geld, mehr Anerkennung, bessere Verträge
Trainingslager, internationale Wettkämpfe, Training oft in den Abendstunden - Konditionen, die vielen Frauen nicht in ihr Lebenskonzept passen. Hinzu komme in Deutschland - anders als international - fehlende Anerkennung, glaubt Ulla Koch: "Ich war bei einem Osteopathen, dann hat der gefragt, was ich beruflich mache, dann habe ich gesagt: Ich bin Bundestrainerin. 'Ist das eine volle Stelle? Arbeitet man da den ganzen Tag? Was macht man da?' Sag ich: Ja, ja, das ist schon ne ganze Stelle, manchmal hat man auch ne 60-70-Stunden-Woche.' Das ist noch dieses Bild: Trainerberuf für Frauen - das kann ja gar keine volle Stelle oder kann ja gar nichts Richtiges sein."
Die Chefin des Berufsverbands der Trainerinnen, Dafni Bouzikou, führt noch einen anderen möglichen Grund an: Die ungleiche Bezahlung. Sie beruft sich auf eine Studie zum Berufsfeld Trainer aus dem Jahr 2008: "Die ist zwar jetzt ein bisschen länger her, aber ich weiß es von internem 'Geschmunzel': Es ist so, dass die Bundestrainerinnen im Durchschnitt 1000€ weniger verdienen. Ja, das muss auf jeden Fall direkt geändert werden, weil so verlieren wir die wenigen Frauen, die wir im Sportsystem haben. Wenn die irgendwann mitkriegen, dass ihre männlichen Kollegen 1000€ mehr verdienen, dann sind die ganz schnell weg - zu Recht."
Mehr Geld, mehr Anerkennung, bessere Verträge. Das wäre ein Schlüssel, um mehr Frauen in diesen Job zu bekommen, meint Dafni Bouzikou. Immerhin: Beim Deutschen Olympischen Sportbund gibt es seit einigen Jahren ein Mentoring-Programm, das auch junge Trainerinnen unterstützt. Solche Hilfe von den Verbänden müsse ausgebaut werden, fordert Bouzikou, ehemalige Trainerin im Männer-Profi-Basketball. Sonst, fürchtet sie, gäbe es weiterhin zu viele rein männliche Betreuerteams: "Ich glaube, da reproduziert man eigentlich immer wieder das Gleiche, nämlich: Die Kultur, Männerwitze über Frauen zu machen oder sexualisierte Gewalt. Ich glaube, das würde wegfallen, wenn mehr Frauen im System wären."
Frauen, die die Kultur in der Trainingshalle mitprägen
Auch wenn das Klischee von der einfühlsamen Trainerin und dem toughen Trainer pauschal sicher zu kurz greift: Es geht oftmals schlicht um Frauen als Ansprechpartnerinnen und Frauen, die in Führungspositionen die Kultur in der Trainingshalle mitprägen. Wie sich das konkret auswirkt, das haben Dafni Bouzikou und Turn-Bundestrainerin Ulla Koch immer wieder erlebt:
"Ich glaube erst einmal, dass die Sprache anders ist, wenn Frauen zu Frauen sprechen", sagt Koch. "Die Sprache unseres Männerteams, wenn die so mit unseren Mädels sprechen würden, gäbe es echte Probleme oder die Mädels würden, ich nenne das jetzt mal: verrohen. Weil unsere Frauensprache anders ist als die Männersprache."
"Also, ich war ja selber Trainerin in einer Männerdomäne", erinnert sich Bouzikou, und der damalige Nationalspieler Kai Nürnberger hat zu mir gesagt: Seitdem es dich gibt, sind wir nicht mehr so rau und wir haben einen viel besseren Umgang miteinander, weil wir Respekt vor dir haben."
Der Spitzensport, der gerne mit Vielfalt und Chancengleichheit wirbt: fraglich, dass es in naher Zukunft hier verstärkten Einfluss durch Trainerinnen geben wird. Noch scheint es nicht ausreichend Lösungsansätze zu geben, wie man mehr Frauen für das Trainerinnenamt gewinnen kann.