Der Übungsraum mit großen Fenstern liegt im 5. Stock vom Braunschweiger "Haus der Wissenschaft". Drei Männer und drei Frauen haben hier oben sichtlich Spaß an den Übungen, die Schauspieler und Dozent Sven Hönig anleitet. Gerade laufen sie kreuz und quer und verändern auf sein Kommando Körperhaltung und Sprechweise.
"Was wäre, wenn diese Person maximal langsam wäre in ihren Bewegungen und auch in ihrem Denken?"
So wird es leicht, neue Perspektiven und Ideen zu entwickeln, um von ihrer Forschung zu erzählen. Michael Kloster zum Beispiel. Der Meeresforscher arbeitet am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, eigentlich über Wasser. Aber jetzt gerade hat er sich verwandelt.
"Hi, ich bin Mike, eine Mikrobe aus dem Ozean und ich hab eine ganz tolle Freundin, die weiß fast alles über mich, aber noch nicht alles."
Auf diese Weise wird Wissenschaft zur persönlichen Geschichte. Solche Rollenwechsel findet Mike - alias Michael - aber nicht nur für die Showbühne interessant, sondern auch für Hörsaal oder Tagung.
"Ein Science Slam ist ein wunderbares Format um seine eigentlichen Fachvorträge noch mal genau in Augenschein zu nehmen und mal so umzuarbeiten, dass sie eben auch für Nicht-Fachleute interessant sind. Und dabei lernt man eine ganze Menge über seine eigenen Vorträge, über sein eigenes Thema - an ein paar Stellen hat mir das die Augen geöffnet, dass ich es komplett anders erzählen musste. Und es ist ein wunderbares Training, wo es im Berufsleben sehr relevant wird."
Ein Slam soll nicht nur unterhaltsam sein
Mithilfe von Fragebögen haben die Teilnehmer reflektiert und ausgetauscht, was genau sie schon seit Jahren fasziniert. Und warum das eigene Thema auch andere interessieren könnte. Denn ein Slam soll nicht nur unterhaltsam sein.
"Wie krieg ich diese Balance, dieses Spiel zwischen Unterhaltung und Inhalt hin", meint Sven Hönig. Er hat schon viele solcher Trainings geleitet und ist immer wieder fasziniert, welche Verwandlungen in kurzer Zeit möglich sind. Sein Fokus: "Dass wir erforschen, aus wie viel unterschiedlichen Perspektiven man eigentlich die Geschichte aufarbeiten kann, die Geschichte erfinden kann – und dass alles, was dann kommt, an Präsenz, an Körpersprache, an Stimme, an Kontakt zum Publikum, an Humor – das baut alles darauf auf, was möchte ich eigentlich erzählen – und aus welcher Perspektive möchte ich das eigentlich erzählen."
Muss man schauspielerisch begabt sein, um ein guter Slammer zu werden? Er schüttelt den Kopf.
"Jeder kann das. Und die Grundvoraussetzung ist glaube ich da: Die Leute kommen freiwillig, niemand zwingt sie dazu, zu diesem Workshop – und das ist das, was wir brauchen, diese Freiwilligkeit. Der Rest kommt."
Die Gruppe ist bunt gemischt: Natur- und Geisteswissenschaftler, Männer und Frauen, Erfahrene und Unerfahrene – wie Miriam Sollich zum Beispiel. Die Meeresbiologin kämpft selbst beim Workshop mit lästigen Stress-Symptomen:
"Bei mir ist es immer so der Puls, der hochgeht, Schlaflosigkeit, bin auch ein bisschen flattrig auch, dieses Zittern in den Knien auch, kenn ich alles sehr, sehr gut, ja."
Sich selbst auch mal Fehler gestatten
Als Miriam davon berichtet, nicken auch andere Teilnehmer. Hönig empfiehlt, vor allem nicht perfekt sein zu wollen und sich Fehler zu gestatten. Ausgerechnet bei Miriam funktioniert dann prompt der Beamer nicht, was sie lockerer nehmen kann ... "Das funktioniert schon mal nicht ... sehr gut!"
Nicht nur von den Übungen oder dem Probe-Auftritt profitieren alle, sondern auch vom differenzierten, anschließenden Feedback. Was sie mitnehmen, fassen Jeremias Othman und Vanessa Krogmann so zusammen:
"Wenn ich mein Fach vermitteln kann, meine Begeisterung und den Enthusiasmus für die Mediävistik und das an sowohl fachfremdes als auch halbinformiertes Publikum, dann profitiere ich da auf beiden Seiten."
"Ich hab gelernt, dass man auch über seinen Schatten springen sollte, auch wenn Situationen Hürden darstellen. Dass das immer alles gar nicht so schlimm ist, wie man es denkt. Dass man zuviel drüber nachdenkt."