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Training im Affencamp

Zoologie. - Im Wald von Bukit Tigapuluh auf Sumatra trainiert ein deutscher Wissenschaftler Orang-Utans für die Wildnis. Die Tiere lebten zuvor illegal in Gefangenschaft, als Haustiere oder in Vergnügungsparks. Doch der Lebensraum der ausgewilderten Orang-Utans ist in Gefahr: Die Papierindustrie will den Wald fällen.

Von Jenny von Sperber |
    Der Biologe der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt bringt ihnen bei, was ihnen ihre Mütter nie zeigen konnten: welche Früchte des Waldes essbar sind oder dass dünne Äste nicht zum Hangeln, wohl aber zum Nestbau geeignet sind.

    Mitten im Dschungel: Auf der Orang-Utan Station von Peter Pratje sind vor ein paar Tagen fünf neue Tiere angekommen. Noch sitzen oder hängen sie in dem hohen Käfig auf der Station und schauen uns interessiert an. Heute bringt Peter Pratje ihnen bei, Termitennester auszusaugen. Das ist wichtig, um im Wald zu überleben, denn Termiten gibt es das ganze Jahr über:

    "Die beste Technik ist es, erst mal aufzubrechen - das müssen sie jetzt nicht, weil wir es aufgeschlagen haben - und dann die Termiten oder Eier rauszuzuzeln, also lutschen. Da braucht man Erfahrung, einige essen das ganze Nest auf und haben einen Haufen Krümel im Mund. Vormachen, um ein bisschen Begeisterung auszulösen. Abgeguckt ist es viel besser. Ah, er schmatzt auch schon."

    Peter Pratje sitzt vor den Gitterstäben und zuzelt seinen fünf neuen Schützlingen was vor. Die schauen ihm erst gebannt zu und machen es dann nach. Vor acht Jahren hat der Biologe hier in Bukit Tigapuluh seine Station aufgebaut, denn dieser Wald bietet alles, was Orang-Utans brauchen:

    "Das Gebiet, in dem Orang-Utans überleben können, ist 50.000 Hektar groß, in dem eine Population aufgebaut werden kann. Und das muss ein Wald sein mit einem geschlossenen Kronendach, sodass sie sich in den Bäumen fortbewegen können, nicht auf den Boden müssen. Es muss ein hoher Anteil Fruchtbäume da sein, weil Früchte hier auf Sumatra bis zu 70 Prozent der Orang-Utan Nahrung ausmachen. Und es muss natürlich ein ungestörter Wald sein. Das heißt, es darf kein Jagdgrund da sein, es dürfen keine Krankheiten da sein, die die Population bedrohen könnten, insbesondere Krankheiten, die vom Menschen übertragen werden, für die Orang-Utans keine Resistenzen besitzen."

    Bisher haben es 103 Affen zurück in die Freiheit von Bukit Tigapuluh geschafft. Eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass es insgesamt noch gerade mal 6500 Sumatra Orang-Utans in freier Wildbahn gibt. Der hiesige Wald war bisher ein behütetes Paradies für die mühsam wieder ausgewilderten Affen.

    Doch jetzt ist auch dieser Wald in Gefahr: Einer der weltweit größten Papierkonzerne Asia Pulp and Paper (APP) hat gemeinsam mit der Firma Sinar Mas die Lizenz bekommen, hier im großen Stil abzuholzen. Fitrian Ardiansyah vom WWF Indonesien über die jüngste Entwicklung:

    "Die treibende Kraft hinter dem Abholzen sind ja große Unternehmen. Einheimische, aber auch Investoren aus Europa, USA, Japan, China und anderen Ländern. Dadurch entstehen Opportunitätskosten. Wenn wir also den Wald retten wollen, dann will der indonesische Staat wissen, was Indonesien davon für Vorteile hat: wie viel Geld sie kriegen können, wenn sie den Wald schützen, im Vergleich mit all dem Geld, das sie bekämen, wenn sie den Wald in Palmöl- oder Papierplantagen umwandeln. Das macht die Lage sehr schwierig."

    Dass Unternehmen an gewinnbringenden Plantagen interessiert sind, ist klar. Auch die Provinzgouverneure, die sich ihre Wahlkämpfe häufig auch von eben solchen Konzernen sponsern lassen, werden sich kaum gegen die Papierkonzerne auflehnen. Was aber sagt der Umweltminister zur Zerstörung der letzten intakten Regenwälder?

    "Der Umweltminister in Indonesien leitet kein eigenes Ministerium. Er ist ein Staatsminister. Im Gegensatz dazu hat der Forstminister sein Forstministerium und der Minister für Bergbau und Ressourcen leitet ebenfalls ein großes Ministerium. Der einzige Einfluss, den der Umweltminister hat, sind Empfehlungen zur Nachhaltigkeit. Was Verbote und Richtlinien betrifft, hat er nicht viel zu sagen."

    Umweltschützer, Forscher und ein Teil der Bevölkerung wollen jedoch den Wald als Schutzgebiet für die Orang-Utans erhalten. Peter Pratje argumentiert:

    "Mit Sicherheit wird es außerhalb von Schutzgebieten keine Orang-Utans geben, in ganz naher Zukunft. Weil: Es gibt keine ungenutzten Flächen mehr auf Borneo oder Sumatra. Es ist entweder Schutzgebiet in irgendeiner Form oder es ist Nutzfläche. Und alle Nutzflächen werden jetzt von Forstkonzessionen in Forstplantagen umgewandelt. Oder Ölpalmen! Das heißt Ölpalmen oder Akazienplantagen, die beide keine Biodiversität aufweisen und als Lebensraum für die Tiere, die normalerweise im Regenwald leben, völlig ungeeignet sind."

    Möglichst viel der Waldfläche von Bukit Tigapuluh müsste zum Schutzgebiet erklärt werden, bevor auch dieser Wald hier zur Plantage wird. Dann könnten Peter Pratjes Schützlinge in ihrem Wald überleben. Auf der Station ist dem geduldigen Affentrainer mittlerweile aufgefallen, dass sich einer der fünf neuen Affen anders verhält als die anderen.

    "Also während sich die anderen vier miteinander beschäftigen und sich mit den Termiten beschäftigen, hängt sie hier vor uns, genau, guckt das Mikrofon an und alles andere ist viel interessanter als das, was sie lernen soll. Das mit dem Rauszuzeln hat sie auch noch nicht ganz raus. Nee, sie kaut lieber das ganze Nest durch, hat nicht wirklich verstanden, was der Sinn der Übung ist."

    Dem Affenmädchen wird er jetzt ein Intensivtraining geben müssen.