Halb zehn morgens im Stall der Landesreiterstaffel in Willich am Niederrhein. Nach und nach holen Polizisten ihre Pferde aus den Boxen. Die Tiere sind groß und muskulös, blicken sich neugierig um. Polizist André Tholen macht Wallach Duplo fertig für den heutigen Ausritt. Seit zwölf Jahren sind die beiden als Team gemeinsam im Einsatz:
"Das ging los mit Gorleben, drei Jahre hintereinander, das waren harte Einsätze für die Pferde, Galoppieren über Gleisanlagen… dann immer wieder Fußball… Demonstrationen, rechts und links, wo wir auch immer in erster Linie, in vorderster Front geritten sind, das war auch nicht immer einfach."
Extremsituationen für Reiter und Pferd. Um die Tiere auf den Einsatz vorzubereiten, werden sie speziell ausgebildet. In der Reithalle neben dem Stall läuft gerade ein solches Training.
Sechs Frauen reiten mit ihren Pferden verschiedene Formationen. Außerdem bringt die Leiterin der Reiterstaffel, Melanie Lipp, immer wieder neue Gegenstände in die Halle – etwa einen großen Kanister:
"Da sind Steine drin"
Pferde sind Fluchttiere
Neben Melanie Lipp hat eine Polizistin eine Kette Blechdosen in der Hand. Nun laufen die beiden Frauen nebeneinander auf die Pferde zu:
"So wird jetzt nachgespielt dass eine Menschenmenge, ne laute, auf die Pferde zu geht", sagt Melanie Lipp.
Zwei Pferde machen einen Satz zur Seite – sie sind jung und noch nicht so lange im Training. Pferde sind Fluchttiere, doch für den Einsatz bei der Polizei müssen sie lernen, solche Situationen auszuhalten.
"Auch wenn die Pferde jetzt mal zur Seite springen, die müssen jederzeit unter Kontrolle sein und wieder an ihren Platz zurückgehen. Und da die alten Pferde das Ganze hier halten, gehen die auch wieder zurück. Das machen wir jetzt gleich nochmal und dann sieht das Ganze schon anders aus, dann haben die sich schon dran gewöhnt", so Lipp.
Immer werden die Pferde auch im Freien trainiert. Zum Beispiel, wenn es um Pyrotechnik geht, der die Tiere bei Fußballspielen begegnen:
"Die Rauchtöpfe erzeugen unheimlich Qualm, da reiten wir mit den Pferden durch, damit die auch davor keine Angst haben. Die Bengalos geben so ein spritzendes, heißes Feuer ab. Und dann haben wir noch Pyrotechnik, die Knallgeräusche erzeugt, um die Pferde auch daran zu gewöhnen", so Melanie Lipp.
Pferde sind unheimlich leistungsfähig
Pferde lassen sich an vieles gewöhnen, sagt die Leiterin der Reiterstaffel. Sie hat auch die Diskussion um den Einsatz von Pferden im Karneval verfolgt. Konkret äußern möchte sich die Polizistin dazu nicht:
"Zum Thema Karneval kann ich nur sagen, im Allgemeinen, dass Pferde unheimlich leistungsfähig sind und denen mehr zuzumuten ist, als sich mancher vorstellt. Ich kann nur von uns ausgehen, sie haben ja gesehen, sie sind an fast alle Situationen, die es gibt, gewöhnt."
Für die Polizei hat der Einsatz von Pferden viele Vorteile, erklärt die Leiterin der Reiterstaffel, Melanie Lipp: Mit ihnen seien die Polizisten wendig und schnell unterwegs, hätten aufgrund der erhöhten Position einen guten Überblick über die Einsatzlage. Und: Pferde wirkten deeskalierend:
"Man muss wirklich noch sagen, dass bei Menschen der natürliche Respekt vor dem großen Tier Pferd besteht. Wir unterstützen ja die Kollegen der Einsatzhundertschaft, die zu Fuß sind, und wenn da so ein Pferd kommt, das noch größer und einfach mächtiger ist, hat das noch ne ganz andere Wirkung."
Neugierig, aber gelassen
Das ideale Polizeipferd ist neugierig, aber gelassen. 16 Tiere gehören derzeit zur Landesreiterstaffel in Willich, sie alle haben ihren Stammreiter. Auch für die Polizisten ist der Job anspruchsvoll. Oft sitzen sie viele Stunden auf dem Pferd, bekleidet mit einer 15 Kilo schweren Schutzausrüstung. Polizeioberkommissarin Gritt Heidmann:
"Es muss einem bewusst sein, dass wir wirklich bei jeder Temperatur, bei jeder Witterung auf dem Pferd sind, auch draußen. Das ist schon körperlich sehr anstrengend, aber man muss auch die ganze Zeit immer voll dabei sein. Ein Pferd ist immer noch ein Fluchttier, man muss immer bedenken, wie es in welcher Situation reagiert und da darf man eben nicht unachtsam sein."
Das tägliche Training soll Polizisten und Pferde bestmöglich vorbereiten. Das Wichtigste aber, meint Polizist und Reiter André Tholen, sind gegenseitiges Vertrauen und eine Verbindung zwischen Mensch und Tier:
"Es ist eine Erfahrungssache über viele Jahre mit Grundrichtlinien und viel Fingerspitzengefühl und viel ins Pferd reinhören. Und das verbindet auch, dann weiß ich auch, wie er im Einsatz ist."
Polizist André Tholen sagt, er könne sich im Einsatz auf sein Pferd Duplo verlassen – und er hoffe, dass das andersrum genauso gilt.