Allein in der vergangenen Saison waren es 27 Spieler, die der FC Chelsea zu anderen Vereinen verliehen hat. Ein kompletter Kader aus aufstrebenden Talenten, die irgendwann einmal die erste Mannschaft der Londoner verstärken sollen. Gelungen ist das beispielsweise Andreas Christensen. Nach einer Leihe in Mönchengladbach gehört er mittlerweile zum Chelsea-Stammpersonal. Noch prominenter: Kevin de Bruyne. Erst nach Bremen verliehen, dann für 22 Millionen an Wolfsburg verkauft und inzwischen international bekannt, wenn auch bei Liga-Konkurrent Manchester City.
Das Leihgeschäft ist inzwischen schon zu einem kommerziellen zweiten Transfermarkt geworden, meint Jonas Baer-Hoffmann, Generaldirektor der Spielergewerkschaft FIFPro: "Wenn man sich da mittlerweile die Summen anschaut, die da investiert werden, zum Beispiel 2017 wurden mehr als 500 Millionen US-Dollar in Leihgeschäften umgesetzt."
Ein Spieler verlieh der FC Chelsea an sieben Vereine
Dass es aber manchmal auch anders laufen kann, erlebt auch mancher der verliehenen jungen Kicker des FC Chelsea. 2010 verpflichteten die "Blues" den damals 17 Jahre alten Matej Delac. Der kroatische Torhüter hat nie für Chelsea gespielt, wechselte stattdessen Jahr für Jahr leihweise zu einem anderen Club: Vitesse Arnheim, Dynamo Budweis, Vitoria Guimaraes, Inter Zagreb, FK Novi Sad, FK Sarajewo und Royal Mouscron. Inzwischen ist er ablösefrei ins dänische Horsens gewechselt.
"Das sollte man sicherlich begrenzen. Wie man mit den jungen Spielern umgeht, ob man da ein wenig flexibler ist", meint Gewerkschafter Baer-Hoffmann, der auch in einer Arbeitsgruppe der FIFA an strengeren Leih-Regeln arbeitet. Bei Spielern unter 21 gehe es doch vor allem um Weiterentwicklung und Spielpraxis.
Bundesligist Werder Bremen setzt deshalb auf den ehemaligen Profi Clemens Fritz. Er soll die Entwicklung der Leihspieler verfolgen, Einsatzzeiten überwachen und als Kontaktperson zwischen alter und neuer Heimat wirken. Denn es gilt abzuklären, ob sich da einer weit abseits der Weser möglicherweise zu einem kommenden Star der Bundesliga entwickeln könnte. Einer seiner Schützlinge ist Niklas Schmidt. Nach einer Leihe nach Wehen Wiesbaden wurde er diesen Sommer für zwei Jahre an Zweitliga-Aufsteiger VfL Osnabrück verliehen. Er sagt: "Ich bin noch nicht so weit für die Bundesliga. Deswegen tut mir die 2. Liga gut. Ob es ein oder zwei Jahre sind, müssen wir sehen. Aber für den nächsten Schritt und persönlich auch, ist es schon der richtige Schritt."
Erfolgsgeschichte für das Leihkonzept
Spielpraxis wollte vor zehn Jahren bereits auch der spätere Nationalspieler Stefan Reinartz sammeln. Mit 19 Jahren wurde er von Leverkusen an den 1. FC Nürnberg ausgeliehen. Reinartz sagt heute: "In der Phase, es war eine frühe Generation von Leihspielern, wo das immer mehr ausprobiert und getestet wurde. Zusammen mit Marcel Risse und Dennis Diekmeier wurde ein Dreierpack ausgeliehen nach Nürnberg. Als wir später aufgestiegen sind, war das eine Erfolgsgeschichte, nicht nur für uns, auch für das ganze Leihkonzept."
Der Leihvertrag von Reinartz war auf eineinhalb Jahre ausgelegt. Nach dem Aufstieg der Nürnberger in die Bundesliga wollte Bayer ihn schon nach fünf Monaten zurück. Reinartz: "Es war ein Passus im Vertrag, das Bayer Leverkusen mich auch vorzeitig zurückholen konnte gegen eine kleine Ausgleichszahlung. Und das sie das gezogen haben vor Ende der Ausleihzeit war meine Erwartung, dass ch auf den Platz wollte und sollte. Sonst hätte ich ja noch ein Jahr erste Liga in Nürnberg spielen können."
Bei Reinartz ist die Karriereplanung aufgegangen. In diesem Jahr stellte Bayer Leverkusen für die Betreuung der Leihspieler Falko Götz ein. Sportdirektor Simon Rolfes betont, dass für den Verein die Entwicklung der jungen Spieler im Mittelpunkt stehe: "Der entscheidende Punkt für die Weiterentwicklung findet natürlich in der täglichen Trainingsarbeit statt, in die wir nicht involviert sind. Deswegen ist es wichtig, bei der Vereinswahl mit dabei zu sein und auch die Vereine zu kennen, da haben wir sehr genau ein Auge drauf."
Bayer Leverkusen hat seine U23 abgeschafft
Auch deshalb, weil man in Leverkusen die U23-Mannschaft abgeschafft hat. Früher war diese zweite Mannschaft das Auffangbecken für die Talente. Jetzt gehen die Leverkusener mit Sportdirektor Rolfes den Weg übers Leihen: "Erst einmal hängt es davon ab, wie ist der Status Quo des Spielers. Um dann zu gucken, auf welchem Niveau ist der Spieler, wo kann man ihn einsortieren, wie ist die Spielweise, passt sie zum Spieler, kann er sich da weiterentwickeln, welche fußballerischen Weiterentwicklungsmöglichkeiten hat er auch von der Persönlichkeit her, in welche Konstellation kommt er bei dem Verein? Also es sind ganz unterschiedliche Aspekte, die bei jedem Spieler auch eine andere Gewichtung haben."
Dazu kommen aber auch Aspekte wie Spielsystem und Niveau der Liga. Profitieren können am Ende aber auch die ausleihenden Klubs. Fortuna Düsseldorf hat mit aktuell sieben die meisten Leihspieler der Bundesligisten im Kader und damit in den letzten Jahren Erfolg gehabt. Aufstieg und Klassenerhalt hing auch stark mit den Leistungen von Leihspielern wie Florian Neuhaus und Dodi Lukebakio zusammen. Aber die können nach ihrer positiven Entwicklung meist nicht verpflichtet werden. Und so muss jedes Jahr eine neue Mannschaft aufgebaut werden.