Die Energiewende bis zum Jahr 2045 werde scheitern, wenn man sie als rein technologische Transformation angehe, mahnt die Arbeitsgruppe der Wissenschaftsakademien in ihrer Stellungnahme. Deutschland könne nur dann so schnell klimaneutral werden, wenn die Nachfrage nach Energie sinke – wenn Wirtschaft, Haushalte und Verkehr also ihren Verbrauch zurückschrauben. Ein hoher CO2-Preis genüge nicht, um die klimaschädlichen fossilen Energieträger schnell genug zu verdrängen, heißt es in dem Papier.
Einer der Ko-Autoren ist Hans-Martin Henning, Chef des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg: „Also, eine der Kernbotschaften ist: Die Klimaziele sind ohne Nachfrageänderungen kaum erreichbar. Wenn wir uns die Entwicklung in der Vergangenheit anschauen, dann war sie eigentlich in allen Sektoren von Wachstum geprägt: mehr an Pro-Kopf-Wohnfläche, mehr an Fahrzeugen, die zugleich schwerer und stärker motorisiert wurden. Und diese Liste lässt sich lange fortsetzen.“
Nötig ist eine Suffizienzpolitik
Das alles stehe nicht im Einklang mit dem Klimaziel. Nötig sei stattdessen eine sogenannte Suffizienzpolitik, also ein Staat, der den Rückgang von Energie- und Ressourcenverbrauch gezielt fördere. Ganz nach dem Motto: Weniger ist mehr! Weniger große Wohneinheiten; weniger Autoverkehr, dafür eine stärkere Nutzung von Bahnen, Bussen und Fahrrädern - aber auch weniger Konsum!
Das gehöre mit dazu, so Anke Weidlich, Professorin für Energietechnologien an der Universität Freiburg: „Handlungsfelder, die die man sich dabei anschauen kann, sind beispielsweise Strategien, die uns ermöglichen, Produkte länger zu nutzen, besser zu reparieren, somit die Wiedernutzung zu ermöglichen, geteilt zu nutzen - um dadurch die Nachfrage nach Produkten insgesamt zu senken.“
Emissionen vermeiden - nicht vermeidbare abscheiden
Auch die Industrie müsse sich rascher und stärker in Richtung Kreislaufwirtschaft bewegen und zusehen, mehr Rohstoffe wiederzuverwerten, um weniger Material und Energie zu verbrauchen. Allerdings werden sich gewisse klimaschädliche Emissionen auch in Zukunft nicht ausschließen lassen, wie die Arbeitsgruppe der Akademien festhält:
"Wir haben natürlich auch die Sektoren Landwirtschaft, Abfallwirtschaft. Dort fallen Emissionen an, die sich gar nicht vermeiden lassen. Bei der Zementproduktion gibt’s die. Und deswegen gehen wir davon aus, dass man da eigentlich nur die Möglichkeit hat, die Menge insgesamt zu reduzieren und dann auszugleichen.“
Soll heißen: Man wird die verbleibenden Treibhausgase aus dem Abgas abscheiden müssen, sofern das technisch geht. Oder man fischt sie wieder aus der Atmosphäre. Doch dann muss man nachher auch irgendwo hin damit.
"Wir haben natürlich auch die Sektoren Landwirtschaft, Abfallwirtschaft. Dort fallen Emissionen an, die sich gar nicht vermeiden lassen. Bei der Zementproduktion gibt’s die. Und deswegen gehen wir davon aus, dass man da eigentlich nur die Möglichkeit hat, die Menge insgesamt zu reduzieren und dann auszugleichen.“
Soll heißen: Man wird die verbleibenden Treibhausgase aus dem Abgas abscheiden müssen, sofern das technisch geht. Oder man fischt sie wieder aus der Atmosphäre. Doch dann muss man nachher auch irgendwo hin damit.
Deswegen wünschen sich die Akademie-Expertinnen und -Experten eine neue gesellschaftliche Debatte über ein Thema, das in Deutschland eigentlich schon tot war: die geologische Speicherung von CO2 im Untergrund, sei es an Land oder auf See.
Anke Wiedlich spricht vom notwendigen „Kohlenstoff-Management“: „Ganz wichtig ist dabei, dass es nicht darum gehen soll, weiter fossile Energienutzung zu ermöglichen und diese dann durch Abscheidung klimaneutral zu stellen. Das war ja so die Diskussion. Sondern es geht explizit darum, dass das eine Möglichkeit ist, die verbleibenden Emissionen, die sich also nicht oder sehr schwer vermeiden lassen, dann auszugleichen.“
In den nächsten 22 Jahren klimaneutral zu werden, sei ein äußerst ambitioniertes Ziel. Nach der Analyse der Wissenschaftsakademien ist das nur zu schaffen in einem, so wörtlich, „gesamtgesellschaftlichen Prozess“.
In den nächsten 22 Jahren klimaneutral zu werden, sei ein äußerst ambitioniertes Ziel. Nach der Analyse der Wissenschaftsakademien ist das nur zu schaffen in einem, so wörtlich, „gesamtgesellschaftlichen Prozess“.