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Transitzonen
"Das können nur riesige Lager sein"

Die Union fordert vehement Transitzonen für Flüchtlinge an der Grenze zu Österreich, die SPD lehnt diese als "Haftanstalten" und "Internierungslager" ab und will Einreisezentren schaffen. Die Koalitionspartner greifen sich gegenseitig immer deutlicher an - auch die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD).

    Flüchtlinge warten am 2. November 2015 in Passau (Bayern) am Bahnhof in einem Versorgungszelt auf ihre Registrierung.
    Flüchtlinge warten am 2. November 2015 in Passau (Bayern) am Bahnhof in einem Versorgungszelt auf ihre Registrierung. (dpa / picture-alliance / Angelika Warmuth)
    Die Union legt sich in ihrem am Sonntagabend veröffentlichten Positionspapier auf Transitzonen fest. "In diesen Transitzonen wird für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern mit Wiedereinreisesperre, mit Folgeanträgen und ohne Mitwirkungsbereitschaft ein beschleunigtes Asylverfahren einschließlich Rechtsmittelverfahren und Rückführung durchgeführt", heißt es darin. Theo Geers aus dem Hauptstadtstudio des Deutschlandfunks wertete das Papier als Akt der Ruhigstellung von CSU-Chef Horst Seehofer durch die CDU. Der sagte am Montag auch, dass er "erstmal zufrieden" sei.
    Auf diese Weise soll die Ablehnung von Personen ohne Bleiberecht beschleunigt werden, und der Zustrom der Flüchtlinge begrenzt werden, sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt im Deutschlandfunk. Über offenbar aussichtslose Anträge könne in den Transitzonen entschieden und die Menschen bei einer Ablehnung direkt in die Heimat zurückgeschickt werden. Das gilt unter den Tausenden Flüchtlingen, die täglich die Grenze zu Deutschland passieren, vor allem für Menschen aus dem Westbalkan, deren Heimatländer in Deutschland als sogenannte sichere Herkunftsländer gelten.
    Einreisezentrum oder Transitzone - "Wo ist der Unterschied?"
    Und genau da setzt die Kritik der SPD an. Aus den Balkanländern seien zuletzt kaum noch Flüchtlinge gekommen, sagte SPD-Vize Ralf Stegner im Deutschlandfunk. Das erhöht den Anteil der Bleibeberechtigten unter den Flüchtlingen - warum dann also Transitzonen? Stegner nannte den Vorschlag "nicht praktikabel, nicht verfassungskonform und nicht human - er taugt also nicht." Jedem sei klar, dass das Verfahren der Transitzonen bei Hunderten von Kilometern grüner Grenze nicht funktionieren könne. Zudem hält es die SPD für fraglich, wie diese Transitzonen denn in ihrer Größe aussehen sollen. SPD-Chef Sigmar Gabriel fragte etwa: "Welches Fußballstadion sollen wir dafür umbauen?"
    Die Sozialdemokraten hatten ihrerseits die Einrichtung von Einreisezentren in jedem Bundesland vorgeschlagen. Die Registrierung von Asylsuchenden solle künftig ausschließlich dort erfolgen. Anschließend müssten die Flüchtlinge in den Zentren auf ihre Weiterverteilung warten. Über offenbar aussichtslose Anträge könne direkt in den Einreisezentren entschieden werden. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund appellierte an die Koalitionspartner, sich schnell zu einigen. Ob sich die Regierung am Ende auf Transitzonen oder auf Einreisezentren verständigt, sei unwichtig, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg am Montag dem Radiosender SWR info: "Ich sehe da ehrlich gesagt gar nicht so einen Riesenunterschied."
    Pro Asyl: Erschreckende Konsequenzen durch Transitzonen
    Die SPD hält aber an ihrem Vorwurf fest, dass Transitzonen an der Grenze Haftanstalten seien. "Transitzonen wie sie im Papier der Unionsparteien vorgeschlagen werden, können nur funktionieren, wenn man Tausende Menschen dort festhält, also inhaftiert", sagte die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD). Praktisch sei das gar nicht anders denkbar als "riesige Lager, in denen ganze Familien, Männer, Frauen und Kinder eingesperrt werden." Das sieht die CSU erwartungsgemäß anders: Wenn die SPD von Haftanstalten spreche, habe sie das Konzept nicht verstanden, sagte der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer und präsentierte noch eine andere Idee der CSU für Flüchtlinge: "Die Tür nach hinten ist immer offen."
    Doch auch die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hatte sich gegen Transitzonen ausgesprochen, ähnliche Modelle in anderen Ländern wie Ungarn hätten "erschreckende Konsequenzen" gehabt, menschenunwürdige Zustände seien die Folge gewesen. Rechtsstaatliche Asylverfahren seien nicht mehr möglich gewesen.
    Sprachwissenschaftler: "Beide Begriffe sind verharmlosend"
    Transitzone oder Einreisezentrum - beide Begriffe bewertete der Mannheimer Sprachwissenschaftlers Ludwig Eichinger übrigens als "verharmlosend". Das Wort Transitzone lasse die Menschen an einen Flughafen denken, doch hier werde etwas harmloser dargestellt, als es ist, sagte der Direktor des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Politiker machten sich mit solchen Worten unglaubwürdig. "Weil wir das durchschauen, funktioniert es so einfach nicht."
    (nch/dk)