"End to End" lautet das Motto der diesjährigen Transmediale. Festivalchef Kristoffer Gansing will an einen Gedanken aus der Zeit erinnern, als das Internet noch jung war. Damals ging es nicht um zentralisierte Strukturen, sondern um ein Netz mit vielen Knoten und gleichberechtigten Nutzern.
Kristoffer Gansing: "Für mich, der aufgewachsen ist im Zeitalter des frühen Internet und von Netzkunst und sogenannten kritischen Internetkulturen, das ist ein bisschen verloren gegangen…"
Das Internet wird heute von riesigen Konzernen dominiert, die die Nutzer überwachen und mit den dabei gewonnenen Daten Geld verdienen. Bei der Transmediale soll über Alternativen nachgedacht werden.
Kristoffer Gansing: "Wie könnte man einen eigenen Webserver zum Beispiel aufbauen? Wie kann man Service anders hosten als nur bei den kommerziellen Anbietern? Wie könnte man eine progressivere Datenpolitik gestalten?"
Fediverse - die Welte der unabhängigen Netzwerke
Kristoffer Gansing hat Wissenschaftler, Künstler und Netzaktivisten eingeladen, bei einer zweitägigen Konferenz darüber zu diskutieren. Ein großes Thema wird das sogenannte Fediverse sein – die Welt der unabhängigen Netzwerke.
Kristoffer Gansing: "Die User müssen die Rechenkapazität teilen und dann gibt es Open Source Plattformen, wie Diaspora, eine Alternative zu Facebook oder Mastodon, so eine Art mikroblogging, Twitter-Alternative, die gibt es schon seit ungefähr fünf Jahren. Und es gibt eine Philosophie über das Fediverse."
Der Begriff leitet sich von den englischen Worten "Universe" und "Federated Networks" ab. Es geht als um ein Universum der verbündeten Netzwerke. Ein zweiter Themenschwerpunkt ist "Künstliche Intelligenz". Um sie geht es vor allem im Film- und Videoprogramm der Transmediale.
Halb Mensch, halb Roboter, halb Meerestier
Am Samstag wird der Film "Aidol" des chinesischen Multimediakünstlers Lawrence Lek seine Deutschlandpremiere erleben, eine Science-Fiction-Geschichte in der Ästhetik eines Computerspiels. Der Held fliegt durch fantastische 3-D-Welten und trifft auf Geo, eine künstliche Intelligenz, die permanent ihr Erscheinungsbild ändert. Was natürlich ist und was künstlich, kann man kaum noch unterscheiden.
Auch in der Videoinstallation "Molecular Sex" der Österreicherin Johanna Bruckner geht es um das Verschmelzen von Mensch und Maschine. Die Künstlerin überlagert Bilder eines Sexroboters mit denen eines tanzenden Paares und eines Meerestieres.
Johanna Bruckner: "Das Brittlestar ist ein Meerestier, von dem Wissenschaftlerinnen behaupten, dass es die Grenzen zwischen Wesen und Maschine auflöst, denn es hat kein Gehirn. Die ganze Information dieses Tiers wird dadurch, dass der Körper mit der Welt verbunden ist, verarbeitet."
Die Tänzer im Video hingegen, sind mit Apparaturen verbunden, die sexuelle Gefühle auslösen. Steuert der Mensch die Maschine oder die Maschine den Menschen? Kristoffer Gansing findet die Arbeit so spannend, dass er sie im Rahmen der Transmediale-Ausstellung präsentiert.
Kristoffer Gansing: "Ich finde interessant den Kontrast zu den früheren Ideen von Cyberspace. Da war der Traum: "Leaving the body behind". Aber hier ist das völlig "embodied". Das Netzwerk ist sozusagen schon Teil von uns."
Ein Computer optimiert die Klima-Politik
Die Transmediale-Ausstellung ist wesentlich länger zu sehen, als das eigentliche Festival. Besonders groß ist sie in diesem Jahr nicht, aber sie präsentiert technisch aufwändige Arbeiten. Tega Brain, Julian Oliver und Bengt Sjölén haben einen Supercomputer gebaut, der mit Hilfe historischer Satellitenbilder und Klimadaten Vorhersagen für das Klima der Zukunft machen kann. Und nicht nur das. Der Computer schlägt vor, die Umwelt nach ökologischen Kriterien zu optimieren.
Er schlägt zum Beispiel vor, eine Lithiummine von Südamerika ins Silicon Valley einfach umzuziehen, um die Ressourcen zu sparen.
Die reale Welt ist zu komplex für den Computer
Ein absurder Vorschlag. Zwar könnte durch den kürzeren Transportweg Energie gespart werden, aber die Lithiumvorkommen in Kalifornien sind viel schwerer zu erschließen, als die in Chile. Computermodelle arbeiten immer nur mit einer begrenzten Menge an Daten. Darauf weisen die Künstler hin…
Tega Brain: "Wenn man über existenzielle Probleme, wie den Klimawandel spricht, kommt man immer wieder an den Punkt, wo technische Lösungen vorgeschlagen werden. Die aktuellen Klimamodelle gehen davon aus, dass es möglich ist, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Doch diese Modelle basieren auf der Annahme, dass es gelingt, die Kohlendioxidemissionen massiv zu begrenzen. Die notwendigen Technologien sind momentan noch gar nicht vorhanden, doch man geht davon aus, sie rechtzeitig entwickeln zu können. Und dieses Denken treiben wir ins Extrem."
Tega Brain, hat den Supercomputer mitentwickelt – ein technisches Meisterwerk, das zugleich die Grenzen der Technik zeigt. Die reale Welt ist für den Computer zu komplex. Auch mit großer Rechenleistung lassen sich nicht alle Probleme lösen.