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Transnistrien
Zwischen den Fronten

Transnistrien an der Grenze zur Ukraine hat sich vor mehr als 20 Jahren nach blutigen Kämpfen zum unabhängigen Ministaat erklärt. Ohne internationale Anerkennung hofft das Land bis heute auf einen Beitritt in die russische Föderation. Doch der Kreml schweigt. Seit Ausbruch des Ukraine-Konflikts ist die Situation für die rund 500.000 Einwohner noch schwieriger geworden.

Von Karla Engelhard |
    Kinder spielen auf einem Spielplatz in einer Plattenbausiedlung in Ribniza, Transnistrien.
    Kinder spielen auf einem Spielplatz in einer Plattenbausiedlung in Ribniza, Transnistrien. (dpa / Robert B. Fishman)
    Andrej Smolensky besingt seine Heimatstadt Tiraspol, Hauptstadt von Transnistrien. Ein Land, das es offiziell gar nicht gibt, obwohl es fast alles hat: eine Hymne, eine eigene Währung, einen eigenen Geheimdienst, eine eigene Regierung, aber keine internationale Anerkennung. Der schmale Landstreifen links des Flusses Dnestr, an der Grenze zur Ukraine, hat sich vor mehr als 20 Jahren und nach blutigen Kämpfen selbst zum unabhängigen Ministaat erklärt, zu Pridnestrowje, etwas bekannter unter Transnistrien, rein völkerrechtlich ein Teil der Republik Moldau. Die Mehrheit der nur 500.000 Einwohner spricht Russisch, jeder zweite ist Russe, wie Andrej. Doch der spricht auch Deutsch und ist der einzige, anerkannte Fremdenführer seines Landes. Die Unruhen im Nachbarland Ukraine bleiben auch für ihn nicht folgenlos:
    "Mich verstimmt die Tatsache, dass sich schon seit einer Woche keine Anfrage von meinen Touristen oder von den Menschen die sich für Transnistrien interessieren würden bekomme."
    Normalerweise tourt er mit zwei bis drei Individualtouristen pro Monat durch sein kleines Land – das kleiner als Kosovo ist. Das Zentrum der Region, Tiraspol, liegt knapp zwei Autostunden von Chischinau, der Hauptstadt der Republik Moldau, entfernt.
    Ein sowjetischer Panzer steht in Tiraspol (Moldawien), der Hauptstadt der Region Transnistrien.
    Ein sowjetischer Panzer in Tiraspol (AP)
    Doch diese zwei Stunden werden zur Zeitreise. Auf einen Hammer-und-Sichel-Empfang am Stadteingang folgen: Statt großflächiger Werbung für Westprodukte – bescheidene Werbung für Ostprodukte vorzugsweise für Dessous, Schuhe, Traktoren und Türen aus Weißrussland, statt McDonald's – Andy's Pizza mit Blini im Angebot und statt Rush Hour, ein Überangebot an Parkplätzen. Vor allem am Paradeplatz. Dort steht in Sichtweite eines riesigen Lenindenkmals, ein Panzer aus dem 2. Weltkrieg: Ein T 34 auf einem Sockel, auf dem Panzer steht "Sa Rodinu – für die Heimat" – das Panzerrohr ist noch immer nach Westen gerichtet.

    Die Frauen auf dem Markt sind sich einig, dass das, was die neue Regierung im Nachbarland Ukraine will und tut, Faschismus ist, echter Faschismus. In einem Referendum vor acht Jahren hat sich die die Mehrheit der Transnistrier für Russland entschieden. 97 Prozent stimmten für einen Beitritt in die russische Föderation, ein Antrag liegt in Moskau vor. Doch der Kreml schweigt, nur Präsident Putin sprach jüngst von einer Blockade der Ukraine und Moldau gegen Transnistrien.
    Der Taxifahrer am Grenzübergang Pervomajskoje langweilt sich. Normalerweise fährt er Kunden von der ukrainischen Grenze nach Chishinau:
    "Die ukrainische Seite verbreitet Lügen. Die Leute haben Angst überhaupt über die Grenze zu kommen. Viele sind jetzt ohne Arbeit, vor allem die auf der ukrainische Seite gearbeitet haben. Wir sind ein kleines Land und von unseren Nachbarn abhängig, egal, ob von der Ukraine oder von Moldau – sie bestimmen unser Leben, aber jetzt muss ich arbeiten, das kommen Kundinnen."

    Die vier Mädchen ziehen mit ihren Rollkoffern jedoch an ihm vorbei, hin zum billigeren Minibus. Fremdenführer Andrej Smolensky bleibt Optimist:

    "Natürlich gibt es viele Stereotypen und Klischees in Europa über Transnistrien und das ist genau meine Aufgabe, diese Klischees und oft die Angst nach Transnistrien zu kommen, den Europäern und auch anderen Menschen auf der ganzen Welt, diese Angst zu nehmen, diese Angst zu vernichten."
    Dafür greift er auch schon mal zu seinem Knopfakkordeon und spielt russische Weisen.