Es sind gefragte Experten, die nicht nur viel Fachwissen, sondern auch die richtigen Kontakte mitbringen. Ehemalige Abgeordnete des EU-Parlaments, Kommissare oder Mitarbeiter der EU-Institutionen. Das hat auch Google erkannt: Über die Hälfte der EU-Lobbyisten des Konzerns haben dem Bericht von Transparency International zufolge zuvor für eine der EU-Institutionen gearbeitet.
Dreißig Prozent der untersuchten Abgeordneten würden nach ihrer Zeit als Abgeordnete für Lobbyorganisationen arbeiten. Und sogar über die Hälfte der ehemaligen EU-Kommissare seien später für Unternehmen aktiv, die im EU-Lobbyistenregister aufgeführt sind. Die meisten davon im Auftrag der Wirtschaft, deutlich weniger für NGOs, Universitäten oder Think Tanks. Das könne schnell zu Interessenkonflikten führen, kritisiert Daniel Freund von Transparency International.
Bestätigung vor einem Ethikkommittee bei Parlamentariern nicht nötig
"Also uns geht es nicht darum, dass man generell einen Wechsel unterbindet. Das kann natürlich nicht die Lösung sein. Sondern man muss wirklich gute Regeln finden, einmal, indem man eine Abkühlzeit hat. Eine Karenzzeit, in der man nicht ins Lobbying wechseln darf."
Solche Regeln gibt es auf EU-Ebene bereits. So müssen sich ehemalige EU-Kommissare in den ersten 18 Monaten eine neue Beschäftigung von einem Ethikkommittee der Kommission bestätigen lassen. Ähnliche Regeln gelten für EU-Beamte und Assistenten von EU-Abgeordneten. Anders sieht es bei den Parlamentariern selbst aus: Abgeordnete können nach ihrer Zeit im Parlament sofort in die freie Wirtschaft wechseln. Aus Sicht von Transparency sollten diese Regeln verschärft werden.
"Aber, und das ist fast noch wichtiger: Wir brauchen eine unabhängige Aufsichtsbehörde, die im Einzelfall entscheidet, ob eine neue Tätigkeit mit dem Verhaltenskodex oder mit den Ethikregeln im Einklang steht."
Strenge Regeln in Frankreich
Transparency International verweist dabei auf Frankreich, wo es ein solches zentrales Ethikkommittee bereits gibt. Seit 2014 arbeitet diese Behörde und hat in 23 Fällen die Ermittlungsbehörden einschalten müssen.
Nach der Haltung der EU-Kommission zu solch einer Institution gefragt, verwies Kommissionssprecher Margaritis Schinas auf die bestehenden Regeln:
"Natürlich müssen Personen, die Teil der Kommission werden – vor allem jüngere Kommissare, die danach noch eine professionelle Karriere vor sich haben – auch nach der Kommission ihren Lebensunterhalt verdienen können. Das passiert im Rahmen unserer Regeln. Und das sind die strengsten Ethikregeln unter allen internationalen Organisationen und Regierungen."
Offizielle Rüge für die ehemalige Digital-Kommissarin Neelie Kroes
Im November habe Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorgeschlagen, die Abkühlzeit für Kommissare auf zwei Jahre und für Kommissionspräsidenten auf drei Jahre zu erhöhen, so Schinas weiter. Dass sich Kommissare nicht immer an die Ethikregeln halten, hatte zuletzt die ehemalige Digital-Kommissarin Neelie Kroes gezeigt. Sie hatte gegenüber der Kommission verschwiegen, Direktorin einer Briefkastenfirma zu sein. Dafür wurde ihr im Dezember eine offizielle Rüge ausgesprochen.