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"Transparenz kann nur für alle gelten"

Heute tagt die Rechtsstellungskommission des Ältestenrats des Bundestages zum Thema Transparenz bei Nebeneinkünften von Abgeordneten. Seine Partei wolle, dass künftig nicht nur die Honorare - sondern auch "Arbeitgeber und Auftraggeber und Vertragspartner" offengelegt werden, sagt Christian Lange.

Das Gespräch führte Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Die Kritik an den Nebeneinkünften von Peer Steinbrück setzte ein, unmittelbar, nachdem er als Kanzlerkandidat der SPD nominiert war, und sie wurde heftig. Der Generalsekretär der CSU, Alexander Dobrindt, sagte, Steinbrück stehe im Verdacht, ein Produkt der Finanzindustrie zu sein. Es könne der Eindruck entstehen, der SPD-Politiker sei ein Liebling der Spekulanten, denn unter seinen Engagements waren zahlreiche Vorträge vor Banken und Versicherungen. Nach Tagen des Zauderns drehte Steinbrück den Spieß kurzerhand um und kündigte an, seine Honorare offenzulegen, und er forderte im gleichen Atemzug eine Verschärfung der Veröffentlichungspflichten. Heute tagt dazu die sogenannte Rechtsstellungskommission des Ältestenrates des Deutschen Bundestages. In diesem Gremium vertreten für die SPD ist Christian Lange, er ist Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen, Herr Lange.

    Christian Lange: Ja guten Morgen!

    Heckmann: Die SPD, Herr Lange, fordert ja Transparenz auf Heller und Pfennig. Die Union sagt, das sind populistische Vorschläge, um die verkorkste Präsentation von Peer Steinbrück zu überdecken. Hat die SPD ihre Vorschläge also nur deshalb unterbreitet, weil sie genau wusste, dass Union und FDP damit nicht einverstanden sein würden?

    Lange: Nun, die SPD kämpft schon immer für mehr Transparenz im Deutschen Bundestag. Ich will erinnern, dass die derzeitige Regelung, die von den Koalitionsfraktionen erbittert bekämpft wird, im Jahr 2005 von Rot-Grün gegen den Willen von CDU/CSU und FDP durchgesetzt wurde. Und auch in den vergangenen zwei, drei Jahren, als wir in der Rechtsstellungskommission für mehr Transparenz gekämpft haben, waren es just diese, die alles abgelehnt haben. Und deshalb, ich will Ihnen ganz offen sagen: Eine solch scheinheilige Diskussion, wie ich sie jetzt erlebt habe, habe ich schon lange nicht mehr erlebt, und all jene, die den Mund gespitzt haben, die Backen aufgeblasen haben, die müssen heute Morgen auch pfeifen und deshalb beantragen wir, dass die Entgelte in Euro und Cent nachgewiesen werden.

    Heckmann: Die Union spricht von einer "Lex-Steinbrück", denn die meisten Abgeordneten erzielen gar keine Nebeneinkünfte.

    Lange: Transparenz kann nur für alle gelten. Das ist ganz eindeutig. Und wir wollen ja nicht nur, dass das Entgelt nachgewiesen wird, sondern dass insbesondere auch Arbeitgeber, Auftraggeber und Vertragspartner - das ist ja das, was deutlich macht, wie unabhängig oder wie abhängig ein Abgeordneter ist – publiziert wird. Und ich will schon sagen, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung gegen unsere derzeit geltende und von Herrn Merz, dem damaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU angestrengte Klage entschieden hat, dass der Wähler wissen muss, wen er wählt, und deshalb die derzeitigen und auch erweiterten Möglichkeiten der Transparenz ausdrücklich gebilligt und für verfassungskonform erklärt hat.

    Heckmann: Aber die Koalitionsfraktion sagt, es solle keinen gläsernen Abgeordneten geben, und auch Peer Steinbrück hat ja gesagt, Transparenz gebe es nur in Diktaturen. Hat er da irgendwas falsch verstanden?

    Lange: Ich glaube, er hat damit deutlich machen wollen – und dazu lädt er ja jetzt auch CDU/CSU und FDP ein -, dass sie endlich ihren Worten auch Taten folgen lassen sollen, denn die Rechtslage, die wir in Deutschland haben, ist eindeutig und ich will das einfach noch mal zitieren aus unserem Bundesverfassungsgerichtsentscheid, denn das hat gesagt, dass das Interesse des Abgeordneten, Informationen aus seiner wirtschaftlichen Sphäre vertraulich behandelt zu wissen, sei gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erkennbarkeit möglicher Interessenverknüpfung grundsätzlich nachrangig. Das heißt, wir haben den ganz klaren Auftrag zu Transparenz und mehr Publikation.

    Heckmann: Aber Peer Steinbrück hat angekündigt, seine Honorare sozusagen nur als Durchschnittswerte zu veröffentlichen. Thomas Oppermann, Ihr SPD-Kollege, hat gestern gesagt, er sei zuversichtlich, dass er seine Nebeneinkünfte nach den Regeln offenlegen wird, die die SPD jetzt vorgeschlagen hat. Erwarten Sie das auch?

    Lange: Das erwarte ich in der Tat auch.

    Heckmann: Und das wird auch so kommen?

    Lange: Davon gehe ich aus!

    Heckmann: Und davon haben Sie auch schon das entsprechende Signal von Peer Steinbrück? Haben Sie darüber gesprochen?

    Lange: Ich gehe davon aus.

    Heckmann: Sie gehen davon aus, aber Sie haben offenbar nicht mit ihm darüber gesprochen. Wir werden sehen, ob er zu diesem Schritt auch bereit ist. – Ein anderes Argument, das von der Koalition ins Feld geführt wird, ist, dass eine zu weitgehende Transparenz dazu führen könnte, dass Selbstständige, Handwerker und Anwälte davon Abstand nehmen könnten, sich in den Bundestag wählen zu lassen, oder sich erneut aufstellen zu lassen. Ist das ein Argument, das für Sie nicht zieht?

    Lange: Das ist ein altes Argument, das auch schon gegen die jetzige Regelung immer ins Feld geführt wurde.

    Heckmann: Aber vielleicht trifft es ja zu.

    Lange: Ja. Und deswegen habe ich gerade eben noch mal das Bundesverfassungsgericht dazu zitiert - das ganz klar sagt, das ist eben der Unterschied zwischen dem Selbstständigen, der nicht im Bundestag ist, und dem Selbstständigen, der im Bundestag ist oder dafür kandidiert -, dass er sich besonderen Interessen, öffentlichen Interessen beugen muss und dass sein Recht auf den ausgeübten Gewerbebetrieb, auf das Eigentum, nach Artikel 14 geschützt – ich sage noch mal ganz bewusst die Worte des Bundesverfassungsgerichts -, nachrangig ist vor den Interessen der Öffentlichkeit und dem Wähler, der wissen muss, wen er wählt und der die Interessenverknüpfung erkennen muss.

    Heckmann: Aber das könnte dazu führen, dass sich viele Selbstständige eben nicht mehr in den Bundestag hineinwählen lassen?

    Lange: Das glaube ich nicht, denn diese Situation ist bekannt und jeder Selbstständige weiß, worauf er sich einlässt, und kann entsprechend seinen Betrieb ordnen und kann dafür Sorge tragen, dass er vorbereitet ist, falls er in den Bundestag gewählt wird.

    Heckmann: Die SPD fordert ja eine Ausweisung der Nebeneinkünfte, wie Sie sagen, auf Heller und Pfennig und eben nicht mehr in diesen Stufen, die jetzt bisher geregelt sind und auch von der Koalitionsseite, die ja ausgebaut werden sollen. Allerdings hat die SPD auch angeboten, die sogenannte Bagatellgrenze auf 10.000 Euro im Jahr anzuheben. Könnte am Ende also weniger Transparenz stehen als vorher?

    Lange: Auf keinen Fall. Transparenzregeln dürfen nicht umgangen werden und es darf auf keinen Fall geschehen, dass durch die Untergrenze – ich möchte da nicht von Bagatellgrenze sprechen, denn immerhin: 5000 Euro ist viel Geld -, dass die Untergrenze nicht durch Stückelung von Beträgen aufgegeben wird.

    Heckmann: Das heißt aber, praktischerweise kann also eine Nebeneinkunft von 9999 Euro ohne Angabe erzielt werden?

    Lange: Genau das wollen wir nicht, und deshalb machen wir mal langsam. Wir beantragen heute, dass in Euro und Cent offengelegt wird. Wir beantragen zum zweiten, dass Arbeitgeber und Auftraggeber und Vertragspartner, was für die Frage der Unabhängigkeit von noch größerer Bedeutung ist, offengelegt werden müssen, und dazu müssen sich CDU/CSU und FDP erst einmal verhalten. Da wird Peer Steinbrück den Maßstab setzen. Und es kann nicht sein, dass Transparenz nur für einen gilt, sondern es muss für alle gelten.

    Heckmann: Aber Sie haben dieses Angebot doch gemacht, diese Bagatellgrenze anzuheben.

    Lange: Wir befinden uns in Verhandlungen und jetzt stimmen wir erst mal über einen Antrag ab und dann schauen wir, wie sich CDU/CSU dazu verhalten.

    Heckmann: Aber Sie wären grundsätzlich dazu bereit?

    Lange: Ich habe Ihnen gesagt, wir wollen, dass die Transparenzregeln nicht umgangen werden, und das bedeutet, Stückelungen dürfen auf keinen Fall möglich sein. Das ist unser Maßstab. Es kann nicht sein, oben mehr Transparenz und unten weniger. Das wird es mit der SPD nicht geben.

    Heckmann: Sie wollen vollständige Transparenz. Sie wissen aber auch, Union und FDP werden da in der Form nicht mitmachen. Die Linke hat jetzt angekündigt, dass ihre Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte komplett ins Netz stellen. Das können Sie jetzt auch machen!

    Lange: Ich mache das zum Beispiel auch, und viele Kolleginnen und Kollegen ebenfalls.

    Heckmann: Das könnte aber die gesamte Fraktion auch machen.

    Lange: Das kann sie auch machen. Das wird jedem einzelnen Abgeordneten überlassen und die Diskussion wird sicherlich einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass es noch mehr tun werden.

    Heckmann: Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Christian Lange, war das hier live im Deutschlandfunk. Herr Lange, danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

    Lange: Gerne!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.