"Du schönes Schiff. Ich taufe Dich auf den Namen AIDAPrima. Ich wünsche Dir und Deinen Gästen und Deiner Crew allzeit gute Fahrt und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel."
Der Kreuzfahrtbranche geht es prächtig; sie kennt nur eine Richtung: bergauf. Die Werften können gar nicht so schnell neue Schiffe bauen, wie die Reedereien sie gern zur See lassen würden. Der Trend geht dabei zu immer größeren Schiffen: 5.000 Passagiere auf einem einzigen Schiff, das ist heute ebenso normal wie Rumpflängen von 300 Metern und stählerne Bettenburgen mit 20 Geschossen. Helge Grammerstorf ist der deutsche Sprecher des Kreuzfahrtweltverbandes "Cruise Lines International Association". Die Bezeichnung Cheflobbyist hört er nicht gern.
"Also, ich bin eigentlich weder Chef noch Lobbyist. Wir vertreten hier die Interessen der Industrie, sind aber gleichzeitig auch Ansprechpartner für Dritte, wenn es um Fragen der Kreuzfahrtindustrie geht. Die Zielgruppe an sich für Kreuzfahrt mittlerweile ist eigentlich nicht nur der traditionelle Kreuzfahrer, sondern auch der normale Pauschaltourist. Und dieser Pauschaltourist macht Reisen über die ganze Welt und Kreuzfahrt hat eben den großen Vorteil, dass die Hotels sich bewegen können. Jeden Tag woanders sind, aber von Zeit zu Zeit auch die Zielgebiete wechseln können."
Glamour des maritimen Seetörns ist baden gegangen
Mit den weißen Schiffen der AIDA oder der TUI-Flotte auf Kreuzfahrt zu gehen, ist für Durchschnittsverdiener erschwinglich geworden. Die Fahrt kostet kaum mehr als ein Cluburlaub auf Mallorca oder ein Badeurlaub an der mecklenburgischen Ostseeküste. Smoking und Abendkleid als unverzichtbare Abendgarderobe haben an Bord längst ausgedient. Man speist in Selbstbedienungsrestaurants, die eher einer Werkskantine ähneln. Bier hat den Champagner verdrängt. Der einstige Glamour des maritimen Seetörns ist baden gegangen. Aber es gibt auch noch das luxuriöse Preissegment, etwa auf Hapag Lloyds "MS Europa" oder der "Queen Mary 2", an deren Decks überwiegend silberhaarige Gäste vor allem Ruhe, geistvolle Unterhaltung und ein frühes und opulentes Abendessen suchen.
"Schönen guten Abend, meine Damen und Herren, ich begrüße Sie recht herzlich zu Amuse Gueule: gelierter, geschmorter Ochsenschwanz, dann rheinischer Osseta-Kaviar serviert im Silberpokal, dazu Kartoffelpufferblinis und Melba-Toast. Wie immer der Kaviar oben am Buffet angerichtet in der Silverbowl auf Crushed Ice - eisgekühlt. Die zweite Vorspeise Türmchen von Hirschrücken und Stopfleber mit einer Weintrauben-Kürbisglasur."
Fast zwei Millionen Deutsche waren 2015 Gast auf einem Kreuzfahrtschiff; in den kommenden Jahren wird sich die Zahl noch erhöhen. Kreuzfahrten haben sich von einer elitären Reiseform zu einem Massengeschäft entwickelt. Noch nie hat es in der Geschichte des Tourismus eine vergleichbar dynamische Entwicklung wie die der Kreuzfahrtindustrie gegeben. Für jede Erwartungshaltung soll sich ein geeignetes Schiff finden. Entertainment ist neben Erholung, Schlemmen und Trinken eine entscheidende Säule des erfolgreichen Bordlebens. 600 Künstler stehen im Dauereinsatz auf den unterschiedlichen Bordbühnen, Bars und Arenen der AIDA Flotte.
"Ich bin der Chef", sagt Boris Brandt, der die Kulturangebote an Bord sämtlicher AIDA-Schiffe verantwortet.
"Im Bereich Gesang, im Bereich Tanz, im Bereich Akrobatik und all dem was so in between ist: Schauspielerei, Comedy, alles was dazu gehört. Wir haben in der Woche zurzeit etwas über 200 Shows live laufen. Es gibt nur wenige Unternehmen in der Welt, die das auch haben. Und diese Stücke sind alle einzeln, individuell auf das Ensemble und auf das Schiff und auf das Format einstudiert."
Angeheuert werden ausschließlich professionelle Künstler; häufig aus der Ukraine und anderen osteuropäischen Staaten. Sie erhalten ihren letzten Schliff auf reedereieigenen Bühnen im so genannten AIDA Entertainmenthaus in Hamburg.
"Das Spannende ist eigentlich, dass das Leben bei uns an Bord für den Künstler sehr attraktiv ist, weil er tatsächlich durchgehend beschäftigt wird. Also alle unsere Künstler wissen, was sie im nächsten Jahr wann, wie, wo arbeiten und so. Und das hat man als Künstler auf dem freien Markt nicht. Und dann ist unser Angebot sicher attraktiver, wobei es so ist bei den Musicals, bei landgestützten Musicals, ist es schon so, dass die pro Tag, in der Zeit, wo sie arbeiten, dann tatsächlich auch mehr verdienen. Dass ist der Deal, den man selber macht: Sicherheit gegen etwas geringeres Tageshonorar. Im Jahresschnitt verdienen die Kollegen bei uns mehr.
Beengte Zweibettkabinen ohne Bullaugen und Tageslicht
Wie viel die Bordkünstler allerdings verdienen, bleibt unausgesprochen.
Untergebracht sind die einfachen Darsteller unter Deck, in recht beengten Zweibettkabinen ohne Bullaugen und Tageslicht. Wer es zur Solistin oder zum Dance Captain bringt, kann sich Hoffnung auf eine Kabine auf dem Oberdeck machen.
Wolfgang Gregor ist gelernter Kapitän. Er besitzt das Patent für die "Große Fahrt". Nach seiner Seefahrtzeit war er im Management eines M-DAX Konzerns tätig. Mit Kreuzfahrten verband ihn nichts.
"Also, ich war eigentlich immer ein Individualtourist und hab mich eigentlich immer von Menschenmassen ferngehalten. Meine Frau war aber neugierig und hatte mich darauf angesprochen. Und so war denn meine erste Kreuzfahrt ein Geburtstagsgeschenk an sie. Und die war richtig gut, da stimmte alles. Das Schiff war relativ überschaubar, die Karibik war leer, das Wetter war gut, der Service gut, und das gab dann auch den Ausschlag für die zweite und dritte und für viele weitere Kreuzfahrten. Und irgendwann merken Sie natürlich schon, dass das ganze System nicht stimmt. Ich war damals in dem Konzern, in dem ich gearbeitet habe auch für Nachhaltigkeit zuständig. Und das Wort Nachhaltigkeit basiert ja auf den drei Säulen: people, planet, profit; das muss also eine soziale Komponente, eine menschliche, eine Umwelt- und eine wirtschaftliche sein. Und da merken Sie genau bei der Kreuzfahrt, dass diese drei Säulen nicht existieren."
Leiharbeiter mit Zeitverträgen
Der Wettbewerb um Passagiere wird über den Preis entschieden. Deshalb ist der Druck auf die Löhne und die Arbeitsbedingungen an Bord enorm, denn die Personalausgaben sind auf den Schiffen mit manchmal über tausend oder auch zweitausend Mann Besatzung ein großer Kostenpunkt.
"Die überwiegende Zahl, das sind Leiharbeiter und die arbeiten ausschließlich auf der Basis von Zeitverträgen. Keiner dieser Arbeiter ist bei einer Reederei selber angestellt, es geht alles über Agenturen. Und die sind zwischen neun und zehn Monate an Bord, wohingegen die Topmanager an Bord zwischen zwei und vier Monaten an Bord sind. Die werden auch sehr gut bezahlt. Wohingegen die Mitarbeiter in den unteren Decks extrem schlecht bezahlt werden.
"Das wäre nach deutschem Arbeitsrecht undenkbar. Und jeder Arzt wird Ihnen sagen, dass das nicht gesund ist. Warum arbeiten Kellner, warum arbeiten Zimmermädchen zehn Monate am Stück? Ich halte das nicht für sauber. Und in jedem Rechtsstaat wären solche Arbeitszeitmodelle nach geltendem Arbeitsrecht – glaube ich – strikt verboten.
Das Sparen haben fast alle Reedereien perfektioniert, indem sie zum Mittel des Ausflaggens griffen. Die AIDA Flotte läuft heute unter der Flagge Italiens, Hapag Lloyd ist auf Malta und den Bahamas untergekommen und TUI hisst ebenfalls die Flagge Maltas.
Das Ausflaggen wäre ein gängiger, nicht zu beanstandender Vorgang, findet Cruise Association - Sprecher Helge Grammerstorf.
"Das Schiff unterliegt sozusagen der Fiktion des Flaggenstaates, d.h. letztendlich gilt zunächst einmal das Recht des Flaggenstaates auf dem Schiff. Darüber hinaus aber gibt es eine ganze Reihe von internationalen Bestimmungen hinsichtlich Sicherheit, hinsichtlich Arbeitsgesetzgebung, hinsichtlich sozialer Gesetzgebung, die für alle Schiffe gleichermaßen gilt. Und auch da haben wir insgesamt als Branche ein großes Interesse daran, dass wir international gleiche Bestimmungen haben, weil wir auf dem Schiff letztendlich auch eine ganze Crew haben, die zusammenarbeiten muss. Es wäre fatal, wenn überall unterschiedliche Bedingungen herrschen würden."
Auf Malta oder in Italien ist der deutsche Mindestlohn unbekannt und das deutsche Arbeitsrecht nicht anwendbar. Da die einfachen Mannschaften häufig aus Schwellenländern wie den Philippinen kommen, entsteht eine juristische Grauzone, sagt der Hamburger Jurist Rolf Geffken, ein anerkannter Experte für internationales Seerecht.
"Abhängig ist es zunächst einmal - wie alles in der Seeschifffahrt - von der Flagge, denn die Flagge regelt die Staatszugehörigkeit eines Schiffes. Wenn es jetzt diese internationale maltäsische Flagge wäre, dann wäre es so vermutlich, dass wenn da ein Philippino tätig ist, sich dann sein Heuerverhältnis nach philippinischem Recht richtet, einfach, weil auf diese Weise noch mehr als bei der bloßen ausländischen Flagge die Gewährleistung besteht, dass die Rechte möglichst nicht wahrgenommen werden."
Mannschaften aus Schwellenländern
Die eher kleine Gruppe im Maschinenraum verdient schlecht, dort werden gerne Mitarbeiter von den Philippinen eingesetzt. Die weitaus größte Gruppe auf Kreuzfahrtschiffen arbeitet an Deck als Leiharbeiter im Hotelbereich – ganze Hundertschaften von Köchen, Kellnern und Putzkräften. Ex-Kapitän Wolfgang Gregor hat detailliert ausgerechnet, was ein Kabinensteward verdient. Es sind 611 Dollar Monatsgehalt bei einer sieben Tage Woche mit 341 Arbeitsstunden im Monat. Das entspricht einem Stundenlohn von 1,23 Dollar. Eine Barhelferin bringt es auf 1,07 Dollar Stundenlohn. Doch es geht noch billiger. Wolfgang Gregor, der frühere Kapitän:
"Ich finde es auch schäbig, arme Menschen durch immer ärmere zu ersetzen. Also MSC, ein ganz großer Mitspieler, geht jetzt nach Madagaskar und hat auf einigen Schiffen schon bis zu 25 Prozent Mitarbeiter aus Madagaskar, die also noch weniger verdienen. Und das alles nur, damit sie eine siebentägige Kreuzfahrt für 299 Euro im Discounter verramschen können. Und die Gewinne der Gesellschaften, die sprudeln nur so."
Immerhin ist seit 2013 die sogenannte "Maritime Labour Convention" in Kraft, die weltweit auch für alle Kreuzfahrtschiffe bindend ist. Sie definiert Mindeststandards für die Schifffahrt weltweit und beschränkt beispielsweise die tägliche Arbeitszeit auf 14 und die Wochenarbeitszeit auf 72 Stunden. Jurist Rolf Geffken:
"Es gibt einige Mindeststandards in diesem UN Seerechtsübereinkommen. Nur wenn man sich das anschaut, da steht sehr viel drin. Aber was zum Beispiel nicht drinsteht ist, was ist denn eigentlich die Mindestheuer? Da taucht der Begriff der Mindestheuer auf, und der ist nicht genannt. Und wenn dann von Reedereiseite immer gesagt wird; ja, es gibt da internationale Standards, an denen können wir gar nicht mehr vorbei, die müssen wir jetzt genauso einhalten wie wenn wir sozusagen eine klassische Flagge hätten. Das ist teilweise richtig. Aber es bleibt nach wie vor eben auch richtig, dass es keine internationale Mindestheuer gibt."
Beschäftigte, die mit Kreuzfahrtpassagieren in direkten Kontakt kommen, hoffen angesichts der niedrigen Löhne auf üppige Trinkgelder. Sonst würde sich ihr Job nicht rechnen. Ein ganz normaler Vorgang, findet Helge Grammerstorf.
"Also insofern wird es da auf dem Schiff nicht anders aussehen als in den österreichischen Bergen oder anderen Gegenden. Es ist nicht untypisch für die Gastronomie, dass besondere Leistungen auch besonders honoriert werden. Es gibt Schiffe, auf denen das Trinkgeldgeben erlaubt ist – trotzdem hat die Crew natürlich ein Grundgehalt, mit dem sie gut leben kann. Es gibt aber auch Schiffe, insbesondere die All inclusive Schiffe, bei denen beispielsweise das Zahlen von Trinkgeld mindestens unerwünscht ist, sodass also die Crew letztlich diesen Anteil auch dann von der Reederei bekommt."
Manche Reedereien erheben von ihren Passagieren als Alternative zum Trinkgeld eine nach Bordtagen gestaffelte Servicegebühr. Wolfgang Gregor bezweifelt, dass diese Gebühr die Lage der Beschäftigten verbessert.
"Erst mal möchte ich als Arbeiter oder Lohnempfänger nicht auf Trinkgeld angewiesen sein. Zweitens: die Trinkgelder, die zwangsweise erhoben werden, kommen nicht bei den Mitarbeitern an. Es kommen also nur die Trinkgelder an, die den Mitarbeitern quasi direkt zugesteckt werden. Und wenn Sie jetzt mal so Reedereien wie AIDA oder "Mein Schiff" nehmen, bei denen ja die Passagiere ja keinen direkten Bezug zu ihren Kellnern haben, weil sie ja in Buffetrestaurants oder dauernd in anderen Restaurants essen, da gibt es das Trinkgeld in der Form, wie es bei amerikanischen Gesellschaften gibt nicht, da haben sie also permanent den gleichen Tisch und permanent den gleichenKellner."
Gewaltige Emissionen der schwimmenden Hotelanlagen
In den Werbeprospekten der Kreuzfahrtreedereien sieht man schneeweiße Schiffe in tiefblauer See vor einem lichten Horizont. Der Schornstein ragt in den Himmel, eine Abgasfahne ist nie zu sehen. Eine ganze Armada von Grafikdesignern sorgt dafür, dass die gewaltigen Emissionen der schwimmenden Hotelanlagen wegretuschiert werden, sagt Malte Siegert, Sprecher des NABU, des Naturschutzbundes Deutschland.
"90 Prozent aller Unternehmen, die in Europa auf dem Markt unterwegs sind, machen gar nichts. Und zehn Prozent machen ein bisschen mehr, das ist zum Beispiel AIDA, die hier im Hamburger Hafen ihre Motoren ausstellen und während der Liegezeit dann sich extern mit Flüssiggas versorgen lassen. Und dann praktisch ihre Motoren mit Flüssiggas laufen lassen."
Aber das ist die absolute Ausnahme. Kreuzfahrtschiffe werden heute immer noch mit Schweröl betrieben, einem hochgiftigen, deshalb auch billigen Abfallprodukt aus Raffinerien. Es gibt in Deutschland einige Schutzzonen, wo das Verfeuern von Schweröl verboten ist, genauso wie auch in den Häfen. Aber auf offener See kommt Schweröl immer noch zum Einsatz. Malte Siegert vom Naturschutzbund:
"Wenn die Schiffe außerhalb dieser Kontrollgebiete fahren, die es eben halt hier in Europa nur in der Nord- und der Ostsee gibt, aber nicht im Mittelmeer, dann kann man vor allem im Mittelmeer sehen, wie stark die Einflüsse eben sind. Wenn Kreuzfahrtschiffe in Venedig oder Dubrovnic festmachen, dann kann man in den Häfen die unglaubliche Luftverschmutzung auch förmlich an den Schornsteinen sehen, denn oben kommt richtig schwarzer Qualm raus."
Technisch ausgereifte Alternativen stünden zur Verfügung: Es gibt Marinediesel, es gibt Flüssiggas und Filtertechniken. Doch durch die fehlenden gesetzlichen Vorschriften, gibt es keine Notwendigkeit diese einzusetzen, wie dies zum Beispiel im Straßenverkehr geschieht. Malte Siegert:
"Und wir können eben sagen, dass wir auf der Straße heute eine Regulierung haben, die einen Rußpartikelfilter umfasst, einen Stickoxyd-Katalysator und die mit sehr sauberem Sprit fährt. Und all das ist für die Kreuzschifffahrt überhaupt nicht vorgeschrieben. Und da machen wir uns natürlich dafür stark, dass das stärker reguliert wird. Weil, wenn man weiß, dass eben halt der Ruß so erheblich gesundheitsgefährdend ist, dann muss man natürlich logischerweise - wenn die Schiffe so dicht an Wohngebiete ranfahren – dafür sorgen, dass dieser Einfluss abgestellt wird."
Hamburg ist heute neben Rostock einer der Hotspots des Kreuzfahrttourismus. Die Schadstoffmessungen im Hamburger Hafen ergeben bei allen Parametern wie Schwefel, Ruß und Feinstaub ständige Alarmmeldungen. Mit großem finanziellem Aufwand haben Hamburger Hafenbehörden eine Landstromversorgung installiert. Und auch eine Betankungsmöglichkeit mit Flüssiggas, sogenanntem LNG, wurde aus Steuermitteln errichtet. Die meisten Kreuzfahrtlinien ignorieren diese Angebote. Sie wissen, dass sie maßgeblich zum touristischen Mehrwert der Hansestadt beitragen und fühlen sich deshalb in einer starken Position und sagen: Landstrom Nein Danke!
"Warum wollen sie das nicht? Weil der Ölpreis momentan so günstig ist, dass sie an Bord diesen Strom deutlich günstiger selber produzieren können; die machen das so für 5, 6, 7 Cent an Bord selber; müssten aber natürlich teuren Ökostrom aus der Dose nehmen für 20, 25 Cent. Darauf haben sie natürlich keine Lust."
Kein Kreuzfahrtschiff ist aus Umweltsicht empfehlenswert
Der Naturschutzbund misst regelmäßig die Abgasfahnen der Kreuzfahrtschiffe, die Hamburg anlaufen, befragt die Reedereien und macht daraus Jahr für Jahr eine Rankingliste. Auf keinem der europäischen Kreuzfahrtschiffe ist eine Reise aus Umwelt- und Gesundheitssicht derzeit uneingeschränkt empfehlenswert, lautet das 2016er Fazit der Umweltschützer. Sämtliche Schiffe verfeuerten weiterhin Schweröl. 80 Prozent der in Europa fahrenden Schiffe verfügten über gar keine Abgasreinigung oder kämen allenfalls den gesetzlichen Mindeststandards nach. Zur Minderung stark gesundheitsgefährdender Luftschadstoffe wie Ruß, ultrafeinen Partikeln oder Stickoxiden würden an Bord dieser Schiffe nach wie vor keine effektiven Maßnahmen ergriffen. Ein Befund, der bei der Cruise Lines Association nicht auf Begeisterung stößt. Helge Grammerstorf, der deutsche Sprecher des Kreuzfahrtweltverbandes "Cruise Lines International Association" hält das Naturschutzbund-Ranking für geschäftsschädigend.
"Wir sind mit dem Ranking insoweit nicht einverstanden, als dass es nicht wirklich wissenschaftlichen Standards unterliegt. Wir sind auch nicht wirklich interessiert, die Schiffe in Gut und Böse einzuteilen. Sondern viel wichtiger finden wir, dass die Branche darstellt, was sie tut, und welche Anstrengungen sie unternimmt. Dabei kommt es nicht so sehr auf das einzelne Schiff an, sondern mehr auf die Gesamtheit der Schiffe."
Am besten im Naturschutzbund-Ranking schnitt – wenn auch mit deutlichen Abstrichen – die AIDAPrima ab, gefolgt von Hapag-Lloyds "Europa 2" und den neusten Schiffen von TUI Cruises "Mein Schiff" 3, 4 und 5.
Ende Oktober 2016, tagte die Internationale Schifffahrtorganisation IMO in London. Diese Unterorganisation der Vereinten Nationen fasste überraschend einen Beschluss, den Umweltschützer seit Jahren fordern, etliche Staaten aber immer wieder zu verhindern wussten: Eine verbindliche Entgiftung von Schiffsabgasen ab dem Jahr 2020.
Malte Siegert vom Naturschutzbund:
"Jetzt hat man sich endlich in einem ganz langen Prozess dazu entschieden weltweit die Obergrenze für den Schwefelanteil auf 0,5 Prozent abzusenken, von heute 3,5 Prozent in internationalen Gewässern. Das ist wirklich ein Meilenstein, weil es eben bedeutet, dass wir langsam ein Ende des Schwerölverbrennens auf hoher See bekommen. Und das ist wirklich ein Meilenstein, dass wir ab 2020 dann neue Verhältnisse haben werden."
"Übrigens im Einverständnis und mit Unterstützung der Reedereien und der Verbände."