Wie groß die Dichte an Wissenschaftseinrichtungen im Raum Boston ist, merkt man als Besucher schnell. Mit der U-Bahn sind es nur ein paar Stationen von der Innenstadt bis nach Cambridge zum MIT. Ein paar Haltestellen weiter und man steht auf dem Campus der Harvard-Universität. Noch etwas weiter nördlich: die Tufts University. Im Umkreis von 15 Kilometern gibt es rund 60 Colleges und Universitäten. Deshalb ist Boston ein Anziehungspunkt für Wissenschaftler aus der ganzen Welt - auch Deutsche trifft man hier viele - vom Doktoranden bis zu Professor. Das wiederum ist der Grund, weshalb auch deutsche Diplomaten in der Stadt sind. Die Bundesrepublik unterhält hier ein Generalkonsulat. Eine wichtige Aufgabe von Konsul Rolf Schütte: Kontakt zu den Wissenschaftlern in Boston halten und ihnen eine Rückkehr in die Heimat schmackhaft machen.
"Natürlich sind hier die wissenschaftlichen Forschungsbedingungen für viele sehr gut, aber die Lebensbedingungen sind auch sehr teuer. Da hat Deutschland glaube ich Standortfaktoren, die sehr, sehr positiv sind, weil wir eben anders als hier doch noch bezahlbaren Wohnraum haben und weil wir auch bezahlbare Kultur haben, weil Bildung in Deutschland im Wesentlichen nichts kostet und weil wir auch ein funktionierendes Gesundheitssystem haben, was auch bezahlbar ist mit den Beiträgen. Und das sind alles Faktoren, die hier in Amerika in dieser Form nicht gegeben sind."
Für drei von vier Wissenschaftlern sind persönliche oder familiäre Belange ein wichtiger Grund für eine Rückkehr nach Deutschland. Kein anderer Grund wurde bei einer Studie im Jahr 2011 so oft genannt. Wegen guter Forschungsförderung oder Karrieremöglichkeiten dagegen kommen viel weniger Forscher zurück. Für Rolf Schütte in erster Linie ein Wissensdefizit.
"Auch viele deutsche Wissenschaftler, jüngere aber auch etwas ältere, die ja in großer Zahl hier im Großraum Boston arbeiten, haben Deutschland zu einem Zeitpunkt verlassen, als sie vielleicht nicht so gute Berufschancen hatten, sowohl im Wissenschaftsbereich oder auch in der Industrie. Und da hat sich ja in den letzten Jahren in Deutschland sehr viel getan und sehr viel verändert, zum Besseren. Und das wissen die oft gar nicht."
Prominenz auf Abwerbetour
An diesem Wochenende bekommt Schütte deshalb hochkarätige Unterstützung: Hochschulrektoren und -präsidenten, Funktionäre von Forschungseinrichtungen, Industrievertreter, Bundestagsabgeordnete und Staatssekretäre sind nach Boston gereist, um für den Wissenschaftsstandort Deutschland zu werben. Sie treffen dort auf 400 deutsche Wissenschaftler, die aus ganz Nordamerika angereist sind. Ihnen soll die Tagung Karriereperspektiven in Deutschland aufzeigen. Organisator Gerrit Rößler:
"Werbung muss man nicht mehr unbedingt machen. Was man trotzdem machen muss, ist viel aufzuklären, die Unterschiede aufzuzeigen. Die Leute sind, wenn sie hier vom MIT kommen, oft sehr verwöhnt, was gerade Karriereförderung und Karriereberatung angeht, haben aber keine Ahnung, wie das außerhalb der USA aussieht. Und da kommen wir dann rein und können helfen, dass wir eben zeigen können: Wie funktioniert Forschungsförderung in Deutschland überhaupt?"
Rößler leitet die Initiative GAIN, die Abkürzung steht für German Academic International Network. GAIN wurde 2003 gegründet - allein zu dem Zweck, Kontakt zu deutschen Wissenschaftlern in Nordamerika zu halten und ihnen bei einer Rückkehr nach Deutschland zu helfen. Hinter GAIN stehen die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Deutsche Akademische Austauschdienst DAAD. Der Aufwand, den GAIN treibt, ist groß. Das Ergebnis: Von den Teilnehmern der jährlichen Konferenzen, wie sie jetzt in Boston stattfindet, kehren gut 60 Prozent einige Jahre später nach Deutschland zurück. Wie hoch diese Quote ohne die Tagung wäre, lässt sich nicht sagen. Sie dürfte ohnehin in den nächsten Jahren steigen, denn in den USA zu bleiben, wird für Wissenschaftler wegen Budgetkürzungen und großer Konkurrenz derzeit unattraktiver.