
Was eine gemeinsame EU-Verteidigung angeht, so hatte es allein in den letzten Monaten Fortschritte gegeben, für die man zuvor Jahre oder gar Jahrzehnte gebraucht hatte: Verantwortlich dafür waren das Brexit-Referendum der Briten und die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Für Vertreter einer EU-Verteidigungsunion der Beweis dafür, dass Kontinental-Europa militärisch selbstständiger werden muss.
Doch derzeit knirscht es mal wieder gewaltig: Noch immer wartet das bereits Anfang März beschlossene gemeinsame Militär-Hauptquartier für Auslandsmissionen darauf, endlich für zunächst drei EU-Einsätze das Kommando zu übernehmen. Und zwar, weil die Briten blockieren. Wie aus Diplomaten-Kreisen verlautet, konnten Vertreter der Einzelstaaten auch bei ihrer entscheidenden Sitzung am Freitag darüber keine Einigung erzielen, sodass sich nun die Minister persönlich heute damit befassen müssen.
Der Streit dreht sich um den Namen der Führungszelle: Die Briten wehren sich gegen die geplante Bezeichnung "operatives Hauptquartier". Auf keinen Fall darf aus Londons Sicht der Verdacht aufkommen, man wolle die NATO kopieren. Andere EU-Staaten hingegen wollen den bisherigen, aber sehr sperrigen Begriff "Militärische Planungs- und Führungsfähigkeit" für die Brüsseler Kommando-Zentrale loswerden. Noch ist nicht klar, ob London lediglich im Wahlkampf den Eindruck vermeiden will, der EU zu viele Zugeständnisse zu machen oder ob es sich bereits um Verhandlungstaktik für die im Juni beginnenden Brexit-Ausstiegsgespräche handelt.
Mehr Überzeugungsarbeit bei den Franzosen leisten
Aber auch mit Frankreich läuft gerade für die Bundesregierung nicht alles wie geschmiert: Im Prinzip wollen Berlin und Paris gemeinsam die Pläne für eine EU-Verteidigungsunion vorantreiben. Doch noch, gibt ein EU-Diplomat zu, müsse man bei den Franzosen mehr Überzeugungsarbeit leisten. Dabei geht es um den Plan, dass möglichst viele willige EU-Staaten bei der Verteidigungs-Zusammenarbeit schneller voranschreiten als andere – zum Beispiel beim Aufbau eines medizinischen Hauptquartiers. "Pesco" lautet der Fachbegriff für diese "strukturierte Zusammenarbeit" einiger Einzelstaaten.
Doch offenbar unterscheiden sich die deutschen und die französischen Vorstellungen derzeit noch stärker als geplant. Zudem ist noch nicht endgültig klar, was genau der gerade erst frisch vereidigte Präsident Macron mit der EU-Verteidigung vorhat. Eigentlich wollten die Minister sich heute vor allem mit den Beziehungen zu Afrika befassen. Doch es sieht so aus, als müsste sich die Union parallel dazu wieder einmal sehr mit sich selbst beschäftigen.