Horst Seehofer macht sich nichts vor. Die Lösung seines drängendsten Problems bekommt er nicht auf dem Silbertablett serviert, wenn er sich mit seinen Amtskollegen aus Österreich und Italien trifft:
"Es werden schwierige Gespräche, aber sie können gelingen. Es werden sehr schwierige Gespräche, aber sie können gelingen."
Flüchtlinge, die schon in einem anderen EU-Land registriert worden sind, sollen künftig an der deutsch-österreichischen Grenze in sogenannten Transferzentren untergebracht werden. Um von dort aus zurückgeschickt zu werden. So sieht es der Berliner Asylkompromiss vor. Der könnte sich allerdings als Rechnung erweisen, die ohne den Wirt gemacht worden ist. Denn abgewiesene Flüchtlinge müssen ja auch von irgendwem aufgenommen werden.
Bilaterale Abkommen unter Zeitdruck
Griechenland und Spanien signalisieren, dazu bereit zu sein. Aber Österreich und Italien bislang nicht. Und mit deren beiden Innenministern, Herbert Kickl und Matteo Salvini, will sich Seehofer schon vor Beginn des eigentlichen Treffens der EU-Innenminister beraten. Die Gespräche über bilaterale Abkommen stehen dabei unter Zeitdruck, weil Seehofer versprochen hat, bei der Umsetzung seiner sogenannten Asylwende aufs Tempo zu drücken.
"Wir streben an, dass wir im Laufe des Monats Juli so viel Klarheit bekommen, um beurteilen zu können: Es wird Abkommen geben oder nicht."
Falls ja, dann könnte das asylpolitische Chaos der vergangenen Wochen tatsächlich in geordnete Verfahren, die den Dublin-Regeln folgen, umgemünzt werden. Falls aber nicht, dann droht neuer Streit. Diesmal dann auf europäischer Ebene. Österreich ist bislang nur bereit, von Deutschland abgewiesene Flüchtlinge aufzunehmen, die in Österreich bereits Asyl beantragt haben. Italien hingegen mauert.
Innenminister Salvini hat erst gestern noch einmal in einem Interview untermauert, dass Italien Flüchtlinge, die das Land einmal verlassen haben, nicht erneut aufnehmen werde. Klingt nicht so, als könnte Horst Seehofer in zu einem bilateralen Abkommen überreden. Sollte der Versuch scheitern, könnte es wieder eine Debatte darüber geben, ob Deutschland ohne internationale Absprachen Flüchtlinge an seinen Grenzen abweisen sollte.
"Je weniger Europa leisten kann, desto mehr gewinnen nationale Maßnahmen an Bedeutung."
Und dann, so fürchten Experten, könnte ein Domino-Effekt einsetzen, den Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bei seinem Besuch im Europaparlament in der letzten Woche gewissermaßen schon angekündigt hat.
Der Vorschlag von Herbert Kickl
"Wenn Deutschland nationale Maßnahmen setzt, dann führt das dazu, dass wir in Österreich, aber auch andere, darauf reagieren müssen."
Im Klartext: Schließt Seehofer die deutsch-österreichische Grenze, dann schließt Kurz die österreichisch-italienische Grenze. Und die Errungenschaft des Schengen-Raums wäre möglicherweise ein Fall für die Geschichtsbücher.
Übermorgen dann, wenn sich alle EU-Innenminister treffen, geht es nicht mehr nur um die eng fokussierte Debatte über die deutsch-österreichische Grenze, die Horst Seehofer den 27 Partnerländern diktiert hat. Dann steht das Konzept im Mittelpunkt, dessen Eckpunkte der EU-Gipfel Ende Juni skizziert hat.
Auffanglager im Norden Afrikas, wo aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Eine massive Aufstockung der Grenzschutztruppe Frontex. Und Flüchtlingslager innerhalb der EU, aus denen - auf freiwilliger Basis - Asylbewerber auf die Mitgliedstaaten verteilt werden sollen. Mittlerweile hat der österreichische Innenminister eine weitere Idee auf die Agenda gesetzt. Herbert Kickl schlägt vor, "dass Asylanträge nur noch von außerhalb der Europäischen Union gestellt werden. Ich halte das für einen vernünftigen Ansatz, den wir weiter verfolgen werden."
Ein Ansatz, der dazu führen würde, dass sich Flucht und Asyl ausschlössen. Wer nach Europa käme, hätte dann keinen Anspruch mehr auf Schutz. Ganz egal, wovor er geflüchtet ist.