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Treffen des ZK in China
"Man möchte neue Regeln setzen"

Beim Treffen der Mitglieder des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei in Peking soll es vor allem darum gehen, die Korruption im Land zu bekämpfen. Das sei ein richtiger Ansatz, erklärte der Politikwissenschaftler Matthias Stepan im DLF. Spekulationen über eine mögliche dritte Amtszeit Xi Jinpings wies er zurück. Dafür gebe es keine Anzeichen.

Matthias Stepan im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Die chinesische Flagge
    Die chinesische Flagge (dpa / picture alliance / Revierfoto)
    Dirk-Oliver Heckmann: Seit gestern tagen sie hinter verschlossenen Türen in einem streng abgeriegelten Pekinger Hotel, die knapp 400 Mitglieder und Kandidaten des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas. Es ist ein wichtiges Treffen, denn es werden folgenreiche Entscheidungen erwartet für die Zukunft der Partei und damit für China insgesamt.
    Zugeschaltet aus Berlin ist Matthias Stepan. Er ist stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Politik, Gesellschaft und Medien des Mercator-Instituts für China-Studien. Guten Morgen nach Berlin.
    Matthias Stepan: Guten Morgen!
    Heckmann: Herr Stepan, offiziell geht es um eine Kampagne gegen Korruption und für mehr Parteidisziplin. Was genau ist darunter zu verstehen und wie groß ist überhaupt das Problem der Korruption in China heute?
    Stepan: Es war zum Antritt Xi Jinpings 2012/2013, dass er bereits gesagt hat, dass eine moderne, saubere, schlagkräftige Partei notwendig ist, um die Zukunft des Landes zu bestimmen. Deswegen hat er damals direkt eine groß angelegte Anti-Korruptions-Kampagne losgeschlagen, die mittlerweile mehr als tausend Leute untersucht hat, und im Kern geht es wie gesagt darum: Man möchte neue Regeln setzen, man möchte das Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen.
    Es gab durchaus sehr groteske Szenen ganz am Anfang. Sie haben nachgefragt, wie groß das Problem der Korruption ist, und hier gab es groteske Szenen, dass man ganze Keller ausgehoben hat, in denen korrupte Kader wirklich Geld und Goldbarren gestapelt hatten.
    Heckmann: Aber dass man gegen diese Korruption in China jetzt vorgeht, das ist schon ein richtiger Ansatz aus Ihrer Sicht, und das kommt bei der Bevölkerung auch gut an?
    Stepan: Es ist auf jeden Fall ein richtiger Ansatz. Was hier wirklich falsch gelegen war? 2012/2013 hat man wirklich absehen können, dass vieles nur noch funktioniert hat, indem man Ämter sich gekauft hat, wenn man in einem Kader war und aufsteigen wollte, oder auch, wenn man ein Geschäftsmann war, dass man dementsprechend Beamte bestochen hat, um Aufträge zu erhalten. Und hier diese Kampagne war in dem Maße dann auch berechtigt, dass man damit angefangen hat.
    Heckmann: Aber es ist ja so, dass dann zwei Dinge miteinander verbunden wurden, nämlich der Kampf gegen die Korruption und dann diese Initiative für mehr Parteidisziplin. Das kann ja alles Mögliche heißen. Unter anderem wurde ja verboten, überhaupt Kritik zu äußern an der Linie der Parteiführung. Was ist davon zu halten?
    Stepan: Ganz klar hat Xi Jinping diesen Ausgangspunkt der Korruption genommen, um seine eigene Position zu festigen und auch die parteiinterne Opposition zu schwächen. Sie haben es richtig angesprochen: Es ist keine Kritik mehr erlaubt. Wir sehen auch, dass Projekte von parteiinterner Demokratie, die unter seinen Vorgängern eingeführt worden sind, dass die auch zurückgefahren worden sind.
    "Derzeit steht es nicht im Raum, dass man parteiinterne Gegner ausschält"
    Heckmann: Es geht Xi darum, seine Position zu festigen, dem Staatspräsidenten und Generalsekretär der KP Chinas, und sich seiner Widersacher zu entledigen. Wen gibt es denn da? Gibt es da Personen, die ihm gefährlich werden könnten?
    Stepan: Ich würde jetzt nicht unbedingt sagen, dass es derzeit ganz klare Gegner von ihm gibt, die anstreben, ihn abzulösen.
    Was allerdings für ihn wichtig ist und auch das Kollektiv der Führung, ist jetzt nicht notwendigerweise auf der Zentralebene aufzuräumen, sondern dass man ganz klare Durchsetzungsfähigkeit auch erhält bis hinunter in Provinzen und Städte hinein, weil hier haben wir in der Vergangenheit gesehen, diese Korruption konnte so Ausmaße annehmen, da keine Rechenschaftspflicht im Raume stand. Und deswegen: Hier soll wirklich mehr Kontrolle von der Partei aufgebaut werden und derzeit steht nicht im Raum, dass man parteiinterne Gegner ausschält.
    "Wir sehen landesweitt Lähmungserscheinungen"
    Heckmann: Mehr Kontrolle soll gewährleistet werden. Ist das einfach ein gutes Zeichen, oder könnte das auch zur Lähmung der ganzen politischen Entwicklung führen?
    Stepan: Was Xi Jinping eingeführt hat ist wie gesagt diese starke Kontrolle von nachgeordneten Einheiten. Wir haben jetzt aber auch gesehen, dass es in der Tat große Lähmungserscheinungen hervorgerufen hat. Für quasi drei Jahrzehnte hatte man als Beamter sehr viel Freiraum, wie man schaltet und waltet, daher auch der Freiraum für Korruption, auf der anderen Seite aber auch ganz pragmatisch Probleme anzupacken. Aber diesen Freiraum gibt es jetzt nicht mehr und wir sehen überall landesweit Lähmungserscheinungen, dass sich niemand mehr traut, was umzusetzen, was nicht von oben abgesegnet worden ist.
    "Anti-Korruptions-Kampagne soll in geregelte Bahnen gebracht werden"
    Heckmann: Weil er hinterher zur Verantwortung gezogen werden könnte unter der Überschrift "Korruptionsbekämpfung" beispielsweise?
    Stepan: Genau das ist das Problem. Aber wir sehen jetzt auch schon Zeichen, dass die zentrale Führung das erkannt hat, dass es eigentlich ein Problem ist, dass sie sich selber lähmen mit der Offensive, und deswegen hat man jetzt auch im Vorlauf von diesem Treffen gehört, dass quasi die Anti-Korruptions-Kampagne in geregelte Bahnen gebracht werden soll, dass keine Willkür mehr im Raum steht, sondern dass es ganz klare Kriterien gibt, was Korruption ist und was nicht Korruption ist.
    Heckmann: Herr Stepan, wie hat sich denn China überhaupt entwickelt unter Xi? Gibt es da irgendein Zeichen, auch ein noch so kleines Zeichen für eine politische Liberalisierung, oder geht alles in die andere Richtung, Richtung Kontrolle, sagten Sie gerade, Unfreiheit, Abschottung?
    Stepan: Als Xi Jinping antrat, hatten wir erst sehr große Hoffnungen, dass sich das Land weiter liberalisieren wird, dass man den Trend von seinen Vorgängern fortgesetzt sehen wird. Allerdings sind diese großen Erwartungen enttäuscht worden. Wir sehen wirklich eine selektive Schließung des Landes. Wir sehen, dass China sich selber als großen Machtfaktor auch auf internationaler Ebene etablieren möchte und auch gar nicht mehr so gewillt ist wie in der Vergangenheit, auf internationale oder auf europäische Partner zu hören und in den Dialog zu treten.
    "Langfristig wird es Folgen haben"
    Heckmann: Welche Folgen hat das, dass man sich so abschottet?
    Stepan: Langfristig wird es Folgen haben nicht nur für China selbst, sondern auch für Europa, denn wir sind natürlich eng wirtschaftlich verbunden, aber auch politisch kommt es darauf an, dass China als konstruktiver Partner eingebunden ist, um derzeit internationale Probleme gemeinsam anzugehen.
    Heckmann: Und die NGOs, die Nichtregierungsorganisationen, die in China tätig sind, wie jetzt Greenpeace beispielsweise, Amnesty International, die müssen sich darauf einstellen, dass ihre Arbeit in China noch schwieriger wird?
    Stepan: Wir werden ab dem 1. Januar mehr wissen, wie deutlich diese Einschränkung ihrer Arbeitsmöglichkeiten sein wird in China. Zum 1. Januar 2017 wird ein neues Gesetz in Kraft treten, das genau regelt, wie Nichtregierungsorganisationen aus dem Ausland in China arbeiten dürfen. Hier sehen wir schon ganz klar, dass zukünftig beispielsweise das Sicherheitsministerium, das Polizeiministerium für die Aufsicht von diesen Organisationen zuständig sein wird und nicht mehr eine zivile Organisation.
    Heckmann: Und das dürfte dann ähnliche Folgen haben wie in Russland, wo NGOs, ausländische NGOs als fremde Agenten registriert werden müssen und auch so behandelt werden.
    Stepan: Nicht als fremde Agenten. Soweit würde ich jetzt nicht gehen. Es gibt bereits manche Vorbehalte gegen einzelne NGOs und ich denke, dass auch nicht alle NGOs weiter operieren werden können, insbesondere wenn sie eine gewisse Agenda international verfolgen wie beispielsweise Menschenrechtsdialoge oder Ähnliches. Das wird in Zukunft viel, viel schwieriger werden.
    "In China liebt man die Planbarkeit, auch was die persönliche Karriere anbetrifft"
    Heckmann: Das ist keine gute Nachricht. Letzte Frage, Herr Stepan. Es gibt ja die Regel, dass nach zwei Amtszeiten Schluss ist. Ist denn eigentlich ausgemacht aus Ihrer Sicht, dass Xi dann ausscheidet nach diesen zwei Amtszeiten?
    Stepan: Es gibt jetzt immer mehr Stimmen von Experten, die aussprechen, dass Xi Jinping länger machen würde. Ich persönlich sehe derzeit noch keine Anzeichen dafür. Wir müssen darüber im Klaren sein, dass diese Regel eigentlich eingeführt worden ist, um einen friedlichen Übergang zu gewährleisten. Nachrückende Kandidaten können sich sicher sein, nicht nur bei den höchsten Positionen, sondern auch weiter unten in der Hierarchie, dass man innerhalb von einem Fünf-Jahres-Zeitraum immer aufsteigen kann. Sprich wenn Xi Jinping diese Regel brechen würde, dann würde es innerhalb der Partei große Konflikte geben, weil man einfach nicht mehr sicher sein kann, wie sieht jetzt meine politische Zukunft in fünf, in zehn Jahren aus.
    In China liebt man die Planbarkeit, auch was die persönliche Karriere anbetrifft, und sollte er sich von dieser Regel verabschieden, würde das auch Schockwellen durch die ganze Partei jagen.
    Heckmann: Und damit steht China möglicherweise nicht alleine. - Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas stellt derzeit die Weichen für die Zukunft. Wir haben gesprochen mit Matthias Stepan vom Mercator-Institut für China-Studien in Berlin. Herr Stepan, danke Ihnen herzlich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Lesen Sie hier in Kürze das gesamte Interview.