Das abgekühlte Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei soll wieder besser werden. Dazu hat Bundesaußenminister Sigmar Gabriel den türkischen Außenminister Cavusoglu an einen historischen Ort ein geladen, in die Aula Regis in der Kaiserpfalz in Gabriels Heimatstadt Goslar:
"Als Goslar so im Hochmittelalter eine wichtige Stadt war, begann die Entwicklung des Osmanischen Reiches. Es verbindet uns ein Stück tausendjähriger Geschichte, so wie in dieser Stadt die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt nicht möglich gewesen wäre ohne die vielen Menschen aus der Türkei, die zu uns gekommen sind."
Das Gemeinsame, das Verbindende - das soll die Basis sein, auf der Sigmar Gabriel dem deutsch-türkische Verhältnis wieder neuen Schwung verleihen will. Die Kontinuitäten derart herauszustellen, ist Gabriel wichtig, weil …
"… wir natürlich in den letzten Monaten Auseinandersetzungen hatten zwischen der türkischen und der deutschen Politik und wir sind auch sicherlich nicht in allen Fragen einer Meinung."
Vor allem die Frage der in der Türkei inhaftierten Deutschen - sieben sind noch wegen politischen Vorwürfe in Haft - hat die Beziehungen belastet. Fast schon ein Jahr sitzt der Journalist Deniz Yücel in Untersuchungshaft - ohne eine Anklageschrift.
Viele Konfliktpunkte zwischen beiden Ländern
Aber nicht nur das hat für schlechte Stimmung zwischen den Ländern gesorgt, daneben noch unter vielen anderen Dingen: Die Armenresolution des Bundestags, die Böhmermann-Affäre, die schwierige innenpolitische Lage in der Türkei; der Umgang mit Journalisten, Staatsanwälten und Wissenschaftlern nach dem gescheiterten Putsch 2016, die Konfrontation mit der Kurden - und auch der Streit um Besuchsrechte von Bundestagsabgeordneten bei der Bundeswehr, der schließlich zum Abzug der Bundeswehr vom Standort Incirlik führte.
Deswegen soll ein Neustart her, den wünscht sich der türkische Außenminister Cavusoglu und wirbt für leisere, diplomatischere Töne, ein Ende der "Megafon-Diplomatie".
Beide wollen es sich zur Aufgabe machen, wieder mehr Gemeinsamkeiten und Dialog herzustellen. Und so unterstreichen Gabriel und Cavusoglu den gemeinsamen Einsatz gegen den IS, die Partnerschaft als Nato-Mitglieder. Beide Seiten zeigen sich außerdem besorgt über den blutigen Konflikt im Jemen.
Als Zeichen der Annäherung soll die deutsch-türkische Wirtschaftskommission wieder reaktiviert werden. Ein Schritt, vor dem die stellvertretende Linksfraktions-Vorsitzende, Sevim Dagdelen, gegenüber dem Hauptstadtstudio warnt:
"Wenn jetzt so getan wird, als wenn die deutschen Geiseln dort freigelassen werden, alles wieder in Butter ist und ein strategischer Dialog, der wahrscheinlich eine strategische Partnerschaft mit Erdogan sein soll und auch die Wirtschaftskommission wieder eingeläutet werden sollen und die deutschen Beziehungen wieder normalisiert werden sollen, ich finde, da fühlen sich die Demokraten in der Türkei natürlich verraten und geopfert für profane Interessen und strategische Interessen. "
Bewegung im Fall Yücel?
Unklar ist, ob dieses Treffen auch Bewegung in den Fall Yücel bringen wird. Sigmar Gabriel dementierte jedenfalls auf Nachfrage, dass er die Freigabe von Rüstungsexporten an dessen Freilassung geknüpft habe:
"Früher gab es eine ganz normale Rüstungskooperation. Wir haben das dann wegen der Schwierigkeiten zwischen unseren Ländern gestoppt und ich habe dann gesagt, dass wieder zur alten Form, wie wir sie in der Vergangenheit hatte, wieder zurückzukehren, sind übrigens ganz erhebliche Lieferungen in den letzten Jahrzehnten gewesen. Das hängt natürlich davon ab, dass wir unsere Probleme wieder lösen, aber ich habe keineswegs beide Dinge verbunden."
Am Rande des Besuchs in Goslar versammelte sich etwa ein Dutzend Demonstranten, die friedlich gegen politische Gefangene der Türkei protestierten. Deutlich mehr Leute jubelten Cavusoglu zu und schwenkten dabei türkische Fahnen.