"Wir agieren nicht politisch, das ist nicht unsere Aufgabe, sondern wir versuchen zu verstehen und dialogisch zu vermitteln. Wir beschäftigen uns ganz intensiv mit Deutschland, dann wissen wir auch ganz genau, mit welchen Problemen Sie zu tun haben."
Prof. Krzysztof Ruchniewicz, Historiker und Geschichts-Blogger, geboren 1967 in Breslau. Ruchniewicz leitet das Willy-Brandt-Zentrum für deutsche und europäische Studien an der Universität Breslau.
"Gleichzeitig versuchen wir, polnische Vorstellungen von Deutschland in Deutschland zu vermitteln. Und umgekehrt in Polen dafür zu sorgen, dass auch ein differenziertes Deutschlandbild in Polen vermittelt wird."
Prof. Krzysztof Ruchniewicz, Historiker und Geschichts-Blogger, geboren 1967 in Breslau. Ruchniewicz leitet das Willy-Brandt-Zentrum für deutsche und europäische Studien an der Universität Breslau.
"Gleichzeitig versuchen wir, polnische Vorstellungen von Deutschland in Deutschland zu vermitteln. Und umgekehrt in Polen dafür zu sorgen, dass auch ein differenziertes Deutschlandbild in Polen vermittelt wird."
Vor 15 Jahren wurde das Willy-Brandt-Zentrum mit Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdiensts in Breslau gegründet. Es betreibt Forschungen zur deutschen Literatur, Geschichte, Politik, Religion und zu Fragen des Rechts. Der Historiker Dr. Dariusz Wojtaszyn hat sich mit Arbeiten zur Geschichte des Fußballs in der DDR einen Namen gemacht, die er zum Teil im Auftrag des DFB durchführt. An der DDR interessieren ihn auch die Strukturen der kirchlichen Opposition und nicht zuletzt ostdeutsche Stereotypen über Polen:
"Das beliebteste antipolnische Stereotyp ist ja das von der polnischen Wirtschaft."
Offiziell ist es in Ostdeutschland 1945 verschwunden, dennoch tauchte es dort auch wieder auf, wenn man in der DDR über die Zustände in den neuen polnischen Westgebieten, also den früheren deutschen Ostgebieten sprach. Privat, in der Familie, erzählte man sich, wie schlimm es heute aussehe und wie schön es früher war. Doch im öffentlichen Diskurs gab es dieses Stereotyp von der polnischen Wirtschaft nicht - bis 1980. Da brachten es die DDR-Medien auf einmal in Umlauf, um die antikommunistische Solidarność-Bewegung in Polen in ein schlechtes Licht zu rücken.
Das Stereotyp von der polnischen Wirtschaft
Heute hat dieses Stereotyp von der polnischen Wirtschaft seine Wirkungskraft eingebüßt.
"Wenn ausländische, auch deutsche Studierende im Rahmen des ERASMUS-Austauschprogramms zu uns kommen, frage ich sie, was ihnen das Stereotyp von der polnischen Wirtschaft sagt. Immer weniger kennen es. Der jüngste Jahrgang hatte davon gar keine Ahnung."
Wojtaszyn hat sich auch mit Stereotypen beschäftigt, die von den DDR-Machthabern lanciert, aber von der Gesellschaft nicht aufgegriffen wurden – zum Beispiel mit der Rede von einem "Warschauer Tempo" kurz nach dem Zweiten Weltkrieg:
"Dieses Stereotyp sollte zeigen, was für ein fantastisches Arbeitstempo die Arbeiter in Polen beim Wiederaufbau der zerstörten Hauptstadt vorlegen. Man findet es in den vierziger Jahren in der Presse. Ich habe nie gehört, dass irgendjemand diese Redewendung benutzt hat."
"Wenn ausländische, auch deutsche Studierende im Rahmen des ERASMUS-Austauschprogramms zu uns kommen, frage ich sie, was ihnen das Stereotyp von der polnischen Wirtschaft sagt. Immer weniger kennen es. Der jüngste Jahrgang hatte davon gar keine Ahnung."
Wojtaszyn hat sich auch mit Stereotypen beschäftigt, die von den DDR-Machthabern lanciert, aber von der Gesellschaft nicht aufgegriffen wurden – zum Beispiel mit der Rede von einem "Warschauer Tempo" kurz nach dem Zweiten Weltkrieg:
"Dieses Stereotyp sollte zeigen, was für ein fantastisches Arbeitstempo die Arbeiter in Polen beim Wiederaufbau der zerstörten Hauptstadt vorlegen. Man findet es in den vierziger Jahren in der Presse. Ich habe nie gehört, dass irgendjemand diese Redewendung benutzt hat."
Ein nicht nur historisches, sondern zugleich tagesaktuelles Thema auf dem diesjährigen Kongress der polnischen Deutschlandforscher am Breslauer Willy-Brandt-Zentrum waren die jüngsten Forderungen Polens an Deutschland. Die polnische Regierung, gestützt auf Rechtsexperten des Parlaments, spricht von einer unbeglichenen Schuld in Höhe von einer Billion Dollar für den Zweiten Weltkrieg, die Deutschland noch zu leisten habe. Zwar hat Polen 1953 auf Reparationen verzichtet, doch die Regierung und ihre Experten halten diesen Verzicht für ungültig, da er damals auf Druck der Sowjetunion erfolgte. Daher bestünde der Anspruch weiter.
Anspruch auf Reparationen?
Prof. Artur Kozłowski, Experte für internationales Recht an der Universität Breslau, sieht das anders:
"Wir haben keine Chance mehr, diesen Anspruch einzulösen, selbst dann, wenn wir den Reparationsverzicht Polens von 1953 für nicht rechtens halten. Sogar wenn wir die Bestätigung dieses Verzichts im deutsch-polnischen Vertrag von 1970 oder im deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991 in Frage stellen, dann haben wir immer noch das Jahr 2004, wo noch einmal die Frage aufkam, ob Polen Anspruch auf Kriegsreparationen von Deutschland hat oder nicht. Damals kam es zu einer völlig eindeutigen Erklärung der polnischen Regierung, man habe sie nicht. Selbst wenn der Verzicht von 1953 ungültig sein sollte, die weiteren Beschlüsse verschiedener Regierungen zeigen seine Gültigkeit. Es ist eine Grundregel des internationalen Rechts, dass der Staat in Gestalt seiner Organe handelt. Wenn also die Regierung als Staatsorgan auf einen Anspruch verzichtet, verfällt dieser Anspruch."
Man sollte lieber, so die Quintessenz der Breslauer Debatte, im Einvernehmen mit Deutschland individuelle Entschädigungsleistungen an Polen für die Opfer des Zweiten Weltkriegs aushandeln. Diese seien moralisch absolut gerechtfertigt. Reparationsforderungen von Staat zu Staat seien allerdings aussichtslos, wenn der Adressat die Forderungen ablehne, was Deutschland tut. Doch nicht nur das. Reparationsforderungen, würden sie tatsächlich mithilfe internationaler Gerichte durchgesetzt werden, könnten die Nachkriegsordnung sprengen, wie sie auf der Potsdamer Konferenz 1945 festgelegt worden war, erklärt der Deutschland-Historiker Prof. Włodzimierz Borodziej.
"Aus meiner Sicht eines Historikers ist die Sache ebenso eindeutig wie aus der der Rechtswissenschaft. Das heißt, wenn man das Potsdamer Abkommen in Frage stellt, dann stellt man natürlich auch die bestehenden Grenzen in Frage, unsere Westgrenze und unser polnisches Breslau. Sollte es dazu kommen, dann hätten wir natürlich auch das Recht, unsere Grenzen zur Ukraine, Weißrussland und Litauen in Frage zu stellen. Denn wenn wir den Grundpfeiler des Potsdamer Abkommens in Frage stellen, also die Oder-Neiße-Grenze, dann wird auch alles andere zusammenbrechen."
Daher sollte die polnische Regierung im Interesse des eigenen Landes von ihren Reparationsforderungen Abstand nehmen, argumentieren die Deutschland-Experten am Willy-Brandt-Institut. Ob die Politiker auf die Experten hören wollen, steht auf einem anderen Blatt.
"Wir haben keine Chance mehr, diesen Anspruch einzulösen, selbst dann, wenn wir den Reparationsverzicht Polens von 1953 für nicht rechtens halten. Sogar wenn wir die Bestätigung dieses Verzichts im deutsch-polnischen Vertrag von 1970 oder im deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991 in Frage stellen, dann haben wir immer noch das Jahr 2004, wo noch einmal die Frage aufkam, ob Polen Anspruch auf Kriegsreparationen von Deutschland hat oder nicht. Damals kam es zu einer völlig eindeutigen Erklärung der polnischen Regierung, man habe sie nicht. Selbst wenn der Verzicht von 1953 ungültig sein sollte, die weiteren Beschlüsse verschiedener Regierungen zeigen seine Gültigkeit. Es ist eine Grundregel des internationalen Rechts, dass der Staat in Gestalt seiner Organe handelt. Wenn also die Regierung als Staatsorgan auf einen Anspruch verzichtet, verfällt dieser Anspruch."
Man sollte lieber, so die Quintessenz der Breslauer Debatte, im Einvernehmen mit Deutschland individuelle Entschädigungsleistungen an Polen für die Opfer des Zweiten Weltkriegs aushandeln. Diese seien moralisch absolut gerechtfertigt. Reparationsforderungen von Staat zu Staat seien allerdings aussichtslos, wenn der Adressat die Forderungen ablehne, was Deutschland tut. Doch nicht nur das. Reparationsforderungen, würden sie tatsächlich mithilfe internationaler Gerichte durchgesetzt werden, könnten die Nachkriegsordnung sprengen, wie sie auf der Potsdamer Konferenz 1945 festgelegt worden war, erklärt der Deutschland-Historiker Prof. Włodzimierz Borodziej.
"Aus meiner Sicht eines Historikers ist die Sache ebenso eindeutig wie aus der der Rechtswissenschaft. Das heißt, wenn man das Potsdamer Abkommen in Frage stellt, dann stellt man natürlich auch die bestehenden Grenzen in Frage, unsere Westgrenze und unser polnisches Breslau. Sollte es dazu kommen, dann hätten wir natürlich auch das Recht, unsere Grenzen zur Ukraine, Weißrussland und Litauen in Frage zu stellen. Denn wenn wir den Grundpfeiler des Potsdamer Abkommens in Frage stellen, also die Oder-Neiße-Grenze, dann wird auch alles andere zusammenbrechen."
Daher sollte die polnische Regierung im Interesse des eigenen Landes von ihren Reparationsforderungen Abstand nehmen, argumentieren die Deutschland-Experten am Willy-Brandt-Institut. Ob die Politiker auf die Experten hören wollen, steht auf einem anderen Blatt.