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Treffen mit Kim
Trumps Abkehr vom "maximalen Druck"

Von der "Politik des maximalen Drucks", von der US-Präsident Donald Trump einst im Umgang mit Nordkorea sprach, kann keine Rede mehr sein. Vor dem Treffen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-Un am Dienstag schraubte Trump seine Forderungen herunter. Kritiker befürchten, es gehe nun nur noch um schöne Bilder aus Singapur.

Von Martin Ganslmeier | 11.06.2018
    Donald Trump und Kim Jong Un auf Fernsehbildschirmen
    Donald Trump und Kim Jong Un (AP)
    Monatelang war es die Trump-Doktrin im Umgang mit Nordkorea: die "Politik des maximalen Drucks". Trumps Drohungen mit "Feuer und Zorn", dazu immer härtere Sanktionen, an denen sich erstmals auch China ernsthaft beteiligte. Es sei dieser "maximale Druck" gewesen, so Trump, der Kim Jong-Un gezwungen habe, seine Atom- und Raketentests einzustellen. Umso erstaunter waren viele in den USA, als Trump Anfang Juni nach seinem Treffen mit Nordkoreas Ex-Geheimdienstchef erklärte: "Ich will den Begriff 'maximaler Druck' nicht mehr gebrauchen. Wie Sie sehen, verstehen wir uns jetzt gut."
    Auch am wichtigsten Ziel eines Gipfeltreffens in Singapur machte Trump deutliche Abstriche. Bisher hatten der US-Präsident und Vertreter seiner Regierung stets gefordert, Nordkorea müsse einer "kompletten, überprüfbaren und unumkehrbaren Denuklearisierung" zustimmen. Auf die Frage, ob Nordkorea seine Atomraketen sofort aufgeben müsse, antwortete Trump noch vor wenigen Wochen: "Alle auf einmal wäre sicher besser. Oder zumindest innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne."
    "Wir können schnell, aber auch langsam vorgehen"
    Davon ist jetzt keine Rede mehr. Nachdem Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton durch seine Maximalforderungen und den Vergleich mit Libyen Nordkorea verärgert hatte, machte der US-Präsident auch hier eine Kehrtwende: "Wir beginnen in Singapur einen Prozess", betonte Trump zuletzt: "Ich habe Nordkorea signalisiert: Lasst Euch Zeit! Wir können schnell, aber auch langsam vorgehen."
    In den USA überwog zunächst die Erleichterung, dass sich Trump von allzu übersteigerten Gipfel-Erwartungen verabschiedet hat und nicht mehr mit "Feuer und Zorn" droht. Eher müsse man nun das Gegenteil befürchten, warnten Politiker und Experten in Washington. Trump wolle unbedingt schöne Bilder aus Singapur. Der Vorschlag einiger Republikaner, ihn für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen, gefalle Trump so sehr, dass er sich zu entgegenkommend verhalte.
    Trumps Ankündigung, in Singapur einen Friedensvertrag mit Kim zu unterzeichnen, hat langjährige Nordkorea-Kenner in den USA wie Jung Pak von der Denkfabrik Brookings alarmiert: "Wir können auf der koreanischen Halbinsel keinen Frieden haben ohne Denuklearisierung Nordkoreas. Ein Frieden ohne Denuklearisierung wäre ein Fake-Frieden!"
    Best-Case-Szenario für Kim Jong-Un
    Für Nordkoreas Machthaber ist allein das Treffen auf Augenhöhe mit dem US-Präsidenten bereits ein enormer Erfolg. Kämen noch ein Friedensvertrag und die Aussicht auf Sanktionserleichterungen hinzu, wäre dies das Best-Case-Szenario für Kim Jong-Un. Trump hat vor seinem Abflug aus Washington keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich nicht intensiv vorbereitet, sein intuitives Verhandlungsgeschick sei wichtiger. US-Experten warnen deshalb, der US-Präsident dürfe sich von Kim nicht über den Tisch ziehen lassen. Trump müsse auf einem Ende aller Atom- und Raketentests bestehen, Zugang zu Nordkoreas Atomanlagen durch internationale Inspekteure und einem klaren Stufenplan zur Denuklearisierung Nordkoreas.
    Mit einer anderen Entscheidung hat sich Trump selbst unter Erfolgsdruck gesetzt: der Deal, den er mit Nordkorea schließen will, muss deutlich besser ausfallen als das von ihm gekündigte Iran-Atomabkommen. Denn das hatte er stets als "schlechtesten Deal aller Zeiten" verurteilt.