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Treibhausgas-Reduktion
"Ein verlässlich steigender CO2-Preis ist wichtig"

Mittels Verzicht könne es nicht gelingen, auf null Emissionen zu kommen, sagte der Klimaökonom Jan Minx im Dlf. Nur technologische Entwicklungen kurz vor der Marktreife könnten einen substanziellen Beitrag zur Treibhausgas-Neutralität des Industriesektors leisten. Steigende CO2-Preise sendeten wichtige Signale.

Jan Minx im Gespräch mit Christiane Knoll |
Ein Radfahrer zeichnet sich vor dem Braunkohlekraftwerk Boxberg ab, aufgenommen in Altliebel am 11.03.2019
"Alle globalen 1,5-Grad-Szenarien erreichen CO2-Neutralität schon 2050. Dann sind wir auf Netto Null", sagte Klimaökonom Jan Minx im Dlf. (imago / photothek / Florian Gaertner)
Christiane Knoll: Weniger als 30 US-Dollar kostet in der EU ein CO2-Zertifikat heute, aber: Der Preis wird steigen für die bequeme Entsorgung von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Das Treibhausgas aus den Schornsteinen abzufangen und unter dem Meeresboden zu verklappen, könnte bald für 40 Dollar pro Tonne zu haben sein. Das ist deutlich teurer, aber der Preis dürfte weiter fallen. CCS heißt das Verfahren, und es ist nicht die einzige Technologie, die existiert, in die bislang aber kaum investiert wird.
In den Schubladen liegen die Pläne, und die Frage ist: Was davon können wir brauchen und wie mächtig sind sie im Kampf gegen den Klimawandel? Heute Morgen habe ich mit dem Klimaökonomen Jan Christoph Minx vom Berliner Mercator-Institut darüber gesprochen. Meine erste Frage: Wieviel bislang ungenutzte Innovation werden wir bald sehen?
Jan Christoph Minx: Zunächst muss gesagt werden, dass ein verlässlich steigender CO2-Preis wichtig ist. Es ist wichtig für die Glaubwürdigkeit von Klimapolitik. Langfristig wollen wir zu Treibhausgas-Neutralität hin und das bedeutet, wir stehen vor einer umfassenden Transformation und dafür braucht es Innovationen und Investitionen. Die Technologien, die jetzt durch einen steigenden Preis kommen, sind erst einmal die Technologien, die schon im Markt sind. Wir werden mehr Erneuerbare sehen, die Fossile aus dem System drängen. Wir werden mehr Wärmedämmung beim Gebäudebestand machen, wir werden mehr Energieeffizienz sehen, das ist die erste Gruppe. Es gibt eine zweite Gruppe von Technologien, das sind neue Technologien, die schon Marktreife haben und nun nur noch ausgeleert werden müssen. Die sind schon da. Die werden auch schon produziert, aber sie sind noch nicht umfassend in den Märkten. Das ist beispielsweise die Elektromobilität. Das ist die Elektrifizierung von Haushalten von Wärmepumpen. Das sind alles Sachen, die sind bekannt.
Jetzt gibt es eine dritte Gruppe von Technologien. Das sind Technologien, die wir entwickelt haben, aber noch zur Marktreife gebracht werden müssen, und auch für die sendet ein steigender CO2-Preis ein wichtiges Signal, dass sie jetzt zukünftig auch gebraucht werden. Da könnte man zum Beispiel synthetische Kraftstoffe nennen, die CO2-neutral sind, und dann beispielsweise den Flugverkehr oder den Fernverkehr auf der Straße.
"Wasserstoff auch CO2-neutral produzieren"
Knoll: Ein Schlagwort aus dieser Gruppe und die ist ja jetzt besonders interessant ist der grüne Wasserstoff. Industrie Prozesse sind ja relativ schwer zu dekarbonisien. Was wäre da zu gewinnen?
Minx: Beim Grünen Wasserstoff geht es also darum, dass Wasserstoff auch CO2-neutral produziert wird durch Elektrolyse-Verfahren. Da gibt es viele Prozesse in der Industrie, die so dekarbonisiert werden können wie zum Beispiel die Stahlproduktion, wo der grüne Wasserstoff dann zum Einsatz kommen könnte.
Knoll: Was muss passieren damit er zum Einsatz kommt und wie wäre der Effekt?
Minx: Bei diesen Technologien geht es jetzt darum, dass die jetzt in ihren Innovationsprozessen soweit voranschreiten, dass sie aus dem Labor gehen. Dass es da Demonstrationsprojekte gibt, die dann in einem nächsten Schritt die Markteinführung erlauben.
Knoll: Welchen Effekt könnte man damit erzielen, wie viel CO2 ließe sich so einsparen?
Minx: Einen genauen Anteil kann man noch nicht nennen, aber der Beitrag wird substanziell sein hin auf dem Weg zur Treibhausgas-Neutralität des Industriesektors.
"Starken Blick auf die Energieeffizienz haben"
Knoll: Wir sind ja als Industriegesellschaft gewöhnt, Probleme eher technologisch zu lösen, durch neue Technik, nicht so gerne durch Verzicht. Welchen Teil des Klimaproblems werden wir bis Mitte des Jahrhunderts technologisch lösen – und welchen nicht?
Minx: Wenn man über Treibhausgas-Neutralität nachdenkt, dann ist ja erst mal klar, dass per se die Lösung erst einmal technologisch ist, weil über Verzicht werden wir nicht auf null Emissionen runterkommen. Gleichzeitig glaube ich persönlich, dass es sehr stark darum geht, immer einen Blick darauf zu haben, dass das Gesamtsystem nicht zu groß wird. Ich glaube, da müssen wir vor allem darauf achten, dass der Energieverbrauch nicht zu stark steigt beziehungsweise sogar sinkt.
Das heißt, man muss auch einen sehr starken Blick auf die Energieeffizienz haben - und da gibt es riesige Potenziale und auch die müssen gehoben werden. Manchmal hat man ja als Industrieland einen sehr starken Blick auf die Angebotsseite und wir dürfen einfach nur die Energienachfrage-Seite nicht vergessen und da sicherstellen, dass die Potenziale gehoben werden. Also alle globalen 1,5 Grad Szenarien erreichen CO2-Neutralität schon 2050. Dann sind wir auf Netto Null. Und das kann nur technologisch passieren. Deswegen ist es erstmal ein technologisches Problem. Aber dann sind auf der Nachfrageseite ganz ganz wichtige Potenziale, die wir nicht aus dem Blick verlieren sollten.