Archiv

Treibhausgase
"Die Wende ist nicht gelungen"

Die Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre war laut UNO noch nie so hoch. Für den Klimaforscher Wolfgang Lucht steht fest: Die Wende zum Klimaschutz ist nicht gelungen. Und, sagte er im DLF; Das Zeitfenster, um die Erwärmung der Atmosphäre noch auf zwei Grad zu begrenzen, wird kleiner.

    Warnschild für CO2-Alarm im Kaliwerk Werra am Standort Hera bei Philippsthal (Hessen)
    Noch nie lag die CO2-Konzentration so hoch - derzeit bei 42 Prozent über der vorindustriellen Zeit (picture-alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    Wolfgang Lucht arbeitet am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er sagte im Deutschlandfunk in der Sendung "Umwelt und Verbraucher", es gebe einen doppelten Rekord: so sei zum einen der höchste CO2-Wert gemessen worden, der jemals erreicht worden sei. Zum anderen aber sei auch der Anstieg dieses Wertes der größte seit drei Jahrzehnten gewesen.
    Das bedeute, so Lucht, dass die Erwärmung der Atmosphäre eher auf vier bis fünf Grad zusteuere. Noch sei das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, aber dafür dürfe man nicht abwarten. Es sei eine umgehende und effektive Klimaschutzpolitik nötig.
    Die Erde hilft beim CO2-Abbau
    Interessant sind auch einige Details des Klimaforschers: Die Erde etwa hilft dabei, das CO2 abzubauen. Die Biosphäre nimmt ein Viertel davon auf, der Ozean ein weiteres Viertel. Die andere Hälfte aber gelangt in die Atmosphäre. Dort führt der Anstieg der Temperaturen zum Beispiel dazu, dass sich Luftströmungen und Niederschlagsgebiete verändern. Hinzu kommt die Versauerung der Ozeane - sie entsteht dadurch, dass mehr CO2 im Wasser gelöst wird.
    Lucht machte deutlich, dass sich das versauernde Wasser etwa negativ auf die Bildung von Kalkschalen auswirkt, etwa bei Mikro-Organismen. Zwar sei das Ökosystem sehr komplex, aber Auswirkungen auf die Nahrungsketten in den Ozeanen seien trotzdem abzusehen.
    Zuvor hatte die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) die neuen Zahlen in ihrem Jahresbericht bekanntgegeben. Demnach beträgt die CO2-Konzentration inzwischen 142 Prozent der vorindustriellen Epoche. Bei Methan sind es 253 und bei Lachgas 121 Prozent. WMO-Generalsekretär Jarraud sagte, man wisse mit Gewissheit, dass sich das Klima wandele und dass die meteorologischen Bedingungen wegen des menschlichen Verhaltens immer extremer würden. Die Zeit zum Gegensteuern laufe davon, betonte er.

    Georg Ehring: Kohlendioxid, Methan und Stickoxide, diese drei chemischen Stoffe nehmen zwar nach wie vor einen geringen Anteil an der Erdatmosphäre ein, doch der ist größer als je zuvor seit Beginn der Messungen. Die Ursache: Der Mensch verbrennt Kohle, Öl und Gas und betreibt Landwirtschaft auf oft nicht nachhaltige Weise. Die Meteorologische Weltorganisation WMO hat heute die neuesten Daten dazu bekannt gegeben. Danach ist der CO2-Gehalt der Atmosphäre seit Beginn der Industrialisierung um 42 Prozent gestiegen, und der Anstieg beschleunigt sich aller Klimapolitik zum Trotz. – Telefonisch verbunden bin ich mit Professor Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Herr Lucht, was heißt das denn für unser Klima?
    Wolfgang Lucht: Ja, das heißt, dass die Wende zum Klimaschutz, die wir uns ja alle vorgenommen haben, bisher noch nicht gelungen ist, und dass die Zahlen, die uns Besorgnis bereiten, weiter ansteigen. Denn in diesen Zahlen, die jetzt heute veröffentlicht wurden für das Jahr 2000, ist sogar ein doppelter Rekord vorhanden. Zum ersten ist es die höchste Konzentration an CO2, die wir seit der vorindustriellen Zeit je erreicht haben, aber das war auch schon in früheren Jahren so, weil der CO2-Gehalt der Atmosphäre jedes Jahr weiter ansteigt. Aber vor allem ist da noch ein zweiter Rekord erreicht worden. Der Anstieg, der 2013 geschehen ist gegenüber 2012, ist nämlich der höchste Anstieg, der in den letzten 30 Jahren verzeichnet wurde. Das heißt, die Tendenzen zeigen alle nach oben statt nach unten, wie wir das gerne hätten.
    "Effektive Umsetzung von Klimaschutzpolitik ist nach wie vor möglich"
    Ehring: Die Weltgemeinschaft hat sich ja vorgenommen, höchstens zwei Grad in diesem Jahrhundert soll es wärmer werden. Worauf läuft es denn jetzt hinaus, wenn es so weitergeht?
    Lucht: Das läuft, wenn es so weitergeht, darauf hinaus, dass das nicht erreicht werden wird, und auch nicht zweieinhalb Grat, sondern wir sind auf einem Kurs, der zu einer Erwärmung von vier Grad, im schlimmsten Falle sogar fünf Grad bis Ende des Jahrhunderts, also innerhalb einer Lebenszeit führen würde. Das Erreichen der zwei Grad, des Zwei-Grad-Zieles ist nach wie vor möglich, aber erfordert umgehende und effektive Umsetzung von Klimaschutzpolitik. Das ist nach wie vor möglich, aber das Zeitfenster wird immer kürzer, in dem es noch möglich ist. Und es wird natürlich, je länger man wartet, immer schwieriger, das Ziel zu erreichen. Das heißt, Abwarten ist hier sogar nachteilig.
    Ehring: Warum steigt denn der CO2-Gehalt trotz der Klimapolitik immer weiter? Hat das vielleicht auch etwas zu tun mit der Aufnahmefähigkeit der Erde für CO2?
    Lucht: Nein. Die Erde hilft uns, indem sie CO2 absorbiert. Die Biosphäre nimmt etwa ein Viertel der CO2-Emissionen, die wir als Menschen produzieren, auf, indem das Pflanzenwachstum verstärkt wird – übrigens ein Effekt, der sich spätestens ab Mitte des Jahrhunderts auch abschwächen dürfte. Der Ozean nimmt ein weiteres Viertel auf und etwa die Hälfte unserer Emissionen verbleibt in der Atmosphäre. Im Moment absorbiert das Natursystem Erde etwa die Hälfte von dem, was wir anrichten. Diese neuen Zahlen beziehen sich allerdings auf den Teil, der in der Atmosphäre verbleibt und daher tatsächlich direkt den Klimawandel bewirkt.
    Ehring: Ein Teil des CO2 geht ja auch in die Meere. Was bewirkt es denn da?
    Lucht: Ja. Es geht zunächst mal in der Klimadiskussion um den Anstieg der Temperaturen, und dieser Anstieg der Temperaturen, die Veränderung der Muster bewirkt eine Veränderung der Luftströmungen und damit der Zirkulationsmuster der Atmosphäre und damit auch der Niederschlagsgebiete und ist der Haupttreiber der großen Auswirkungen. Im Meer gibt es einen weiteren Effekt, und das ist die Versauerung des Ozeans unabhängig von der Temperatur, weil ein höherer CO2-Gehalt der Atmosphäre dazu führt, dass auch das Wasser mehr CO2 löst, und dort weiß man, dass ein etwas saurer Ozean und ein zunehmend nicht nur ein bisschen, sondern deutlich versauerter Ozean die Bildung von Kalkschalen bei Meeresorganismen erschwert, vor allem bei den Mikroorganismen. Die Kalkschalenbildung läuft gestört ab, läuft geschwächt ab, und die Auswirkungen davon kann man nur vermuten, dass die erheblich sein werden. Da es aber sehr komplexe Systeme sind, kann man sie nicht genau überschauen. Es ist jedenfalls denkbar, dass die Ökosysteme mit den Nahrungsketten in den Meeren sehr erheblich von dieser Ozeanversauerung beeinträchtigt werden mit unabsehbaren Folgen. Das ist ein Effekt, der auf das CO2 direkt zurückgeht und auch unabhängig von der Temperatur gleichzeitig stattfindet.
    Hinweise auf extremere Wetterlagen
    Ehring: Wir haben in diesem Jahr viele extreme Wetterlagen erlebt, sintflutartige Regenfälle zum Beispiel. Hat das auch etwas mit dem Klimawandel zu tun?
    Lucht: Das ist eine sehr interessante Frage, die gerade heiß diskutiert wird. Natürlich, das wissen Sie, kann man nicht aus einzelnen Ereignissen auf die langfristige Statistik schließen, und Klima geht ja um die langfristigen statistischen Eigenschaften, aber es gibt vermehrt Hinweise darauf, dass Veränderungen in der Temperaturdifferenz zwischen den Polarregionen und den Äquatorialregionen eventuell zu einer Verschiebung atmosphärischer Strömungen und atmosphärischer Wellen führt beziehungsweise zu bestimmten Resonanzen, die sich dort einfinden, die zu extremen Wetterlagen führen, indem stärker als in der Vergangenheit Luft aus südlichen Regionen zum Beispiel in die mittleren Breiten strömt und zu Wärmeereignissen führt, oder polare Luft von Norden nach Süden strömt, weil die Wettermuster sich entsprechend verändern. Das beobachtet man in den letzten zehn Jahren vor allem insbesondere gehäuft. Das ist noch nicht genug, um daraus eine sichere Statistik abzuleiten, aber es gibt theoretische Überlegungen, die in diese Richtung deuten, und wenn sich das bestätigen sollte, kann man in der Tat erwarten, dass extreme Wetterereignisse verstärkt auftreten im künftigen Klima. Das macht auch physikalisch Sinn. Eine energetisch aufgeladenere Erde neigt zu extremeren Ausdrücken in ihrer Dynamik und damit auch zu extremeren Wetterereignissen.
    Ehring: Professor Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung – herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.