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Treibhausgase
Künstliche Bäume als CO2-Sauger

Eine Idee im Kampf gegen die Treibhausgase sind künstliche Bäume: Wie ihre natürlichen Vorbilder sollen sie CO2 aus der Luft filtern und einlagern. Sechs Jahre nachdem der Ansatz erstmals auftauchte ist er über den Status von Prototypen nicht hinausgekommen. Aber die Natur hat die Bäume ja auch nicht über Nacht entwickelt...

Von Volker Mrasek |
    Ein einzelner Baum auf einem Hügel vor dem bewölkten Nachmittagshimmel unweit des Dorfes Groß Sperrenwalde in der Uckermark / Brandenburg
    Mit künstlichen CO2-Filtern wollen Forscher echten Bäumen beim Reinigen der Luft helfen. (picture alliance / ZB)
    Ein typischer Buchenwald in Deutschland. Die Blätter der Bäume betreiben Fotosynthese und entziehen der Luft dabei Kohlendioxid. Weil das CO2 zugleich ein Treibhausgas ist, kühlen Wälder auf diese Weise die Atmosphäre.
    Eine typische, viel befahrene Autobahn. Alles andere als ein idealer Standort für Wälder. Doch genau dort wollten Ingenieure vor Jahren massenweise Bäume hinsetzen. Künstliche Bäume, die Kohlendioxid aus den Autoabgasen auffangen. Und dazu noch lauter kleine Windräder für die Energieversorgung der Baum-Spaliere.
    Dieses Szenario entwarf vor sechs Jahren ein Fachbericht der britischen Ingenieursvereinigung IMechE. Hauptautor war Tim Fox:
    "Damals beschäftigte sich nur eine Handvoll Leute an Universitäten mit dieser Technologie, und alles spielte sich noch im Labor ab. Durch unseren Bericht wurde das Konzept der künstlichen Bäume erst richtig bekannt, sodass sich heute einiges tut im Bereich von Forschung und Entwicklung."
    Künstliche Bäume als Luftfilter
    Künstliche Bäume - diesen Begriff prägte ein gebürtiger Deutscher: der Physiker Klaus Lackner. Er gilt als Vater der Idee, forscht allerdings schon seit 35 Jahren in den USA. Neuerdings an einem eigens gegründeten Forschungszentrum an der Staatsuniversität von Arizona.
    Lackners CO2-Sammler sind im Prinzip Luftfilter. Strömt Kohlendioxid hindurch, bleibt es in einer Kunststoff-Membran hängen. In ihr steckt ein sogenannter Austauscher-Harz - ein Material, das schon länger in Gebrauch ist, um Stoffe zu trennen:
    "Wir haben entdeckt, dass dieses Material eine sehr hohe Anziehungskraft auf CO2 ausübt, wenn es trocken ist. Sobald es aber nass wird, lässt dieser Effekt dramatisch nach, und das CO2 wird wieder frei. Man stellt also diese Filter draußen auf. Der Wind weht hindurch. Dadurch trocknet die Membran und sammelt CO2. Wenn der Filter voll ist, fährt er in eine Feuchtekammer, und das Kohlendioxid wird frei. Dann kommt der Filter wieder nach draußen, der Wind trocknet ihn, und das Ganze beginnt von Neuem."
    Doch wohin mit dem aus der Luft gegriffenen Kohlendioxid? Man könnte es abtransportieren und unter Tage deponieren, in geeigneten Gesteinsschichten - so wie es auch bei Kohle-Kraftwerken angedacht ist. Oder besser noch: Man steckt das CO2 in die Aufzucht von Algen, aus denen Biokraftstoff gewonnen wird. Das ist jedenfalls eine von Lackners Ideen.
    Vom Baum zum Container
    Der Ursprungsbegriff "künstlicher Baum" ist übrigens etwas irreführend. Inzwischen favorisieren die Forscher offene Container mit Filterlamellen, in die der Wind hineinweht. Lackner:
    "Wenn man eine Einheit baut, die so groß ist wie ein Lkw-Anhänger oder ein Schiffscontainer, dann kann man damit nach unseren Berechnungen eine Tonne Kohlendioxid am Tag aufsammeln."
    Mehrere Millionen solcher Container wären allein nötig, um die CO2-Emissionen des englischen Autoverkehrs aufzufangen. Das stand schon in dem Bericht von 2009. Doch wird es wirklich bald Wälder voller künstlicher Bäume geben?
    Auch die Experten wissen das nicht, sagt Fox:
    "Heute, sechs Jahre später, haben wir zwar immer noch keine anwendungsreife Anlage. Aber eine kanadische Firma testet gerade einen größeren Prototypen in Calgary. Und ein US-Unternehmen bemüht sich bereits, sein Modell zu vermarkten - als Produkt, das Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen kann."
    Lackner: "Ich denke, dass es wahrscheinlich in ein, zwei Jahrzehnten so weit ist. Es hängt davon ab, wie ernst das Klimaproblem noch wird - und wie entschlossen die Politik darauf reagiert."
    Die Technologie hat erst dann eine echte Chance, wenn der Ausstoß von Kohlendioxid mit einem hohen Preis belegt wird. Lackner spricht von 30 Dollar pro Tonne. Ab diesem Preisniveau könne es sich lohnen, CO2-Sammler aufzustellen, statt teure Verschmutzungsrechte zu kaufen, so der Physiker. Dazu müsse die Kohlendioxid-Einfangrate der Container allerdings weiter erhöht werden.
    Kein künstlicher Wald am Straßenrand
    Wenn die stationären CO2-Absauger kommen, werden sie übrigens nicht an Autobahnen stehen. Diese Idee ist inzwischen vom Tisch. Da sich Kohlendioxid schnell und homogen in der Atmosphäre verteilt, spielt es nämlich gar keine Rolle, wo man die CO2-Fallen aufstellt, so Lackner:
    "Man muss das nicht mitten in den Niederlanden oder in Deutschland machen. Das geht auch in einer entlegenen Wüstenregion mit geeigneten Gesteinsreservoiren für die Einlagerung von CO2."