Lisa Düwel: "Wir klemmen die Vorlage hier hinter die Leinwand … direkt mit goldener Farbe und dem ganz kleinen Pinsel."
Art Night heißt dieses Treffen. Aber von wegen Night. Es ist Nachmittag, in dem hippen Hotel stehen zwei Tischreihen, auf jedem Platz eine kleine Leinwand. Vorne liegen Acrylfarben und Farbpaletten. Die Malerinnen, Frauen, zwischen Mitte zwanzig bis Ende vierzig, tragen Namensticker.
Teilnehmerin: "Ich male nie Zu Hause alleine, ich kann überhaupt nicht malen. Ich mag, dass das erklärt wird, was ich tun kann, und dann ein fertiges Bild dabei raus kommt."
Reporterin: "Du bist unter Stress oder?"
Teilnehmerin: "Ja! Weil es auch noch schön sein soll am besten."
Das Bild muss aufwachen
Das Motiv, einen Elefantenkopf, haben sich die Teilnehmer online ausgesucht. Der Veranstalter will für Kunst und Kreatives begeistern. Dabei sollen lokale Künstler helfen. Jungesellenabschiede, Betriebsausflüge - die Zielgruppe ist groß. Vorkenntnisse sind nicht nötig. Zwei, drei Stunden Malen dienen dem Spaß, der Konzentration und dem Ego, wenn etwas Schönes dabei rum kommt.
Lisa Düwel: "Man muss da ein bisschen rein kommen, wie beim Morgenmuffel, das Bild muss erstmal aufwachen."
Je weiter das Kunstwerk gedeiht, desto besser die Stimmung.
Teilnehmerin: "Dieses Gemeinschaftliche ist, glaube ich, das, was es ausmacht."
Lisa Düwel hat Malerei und Fotografie studiert. Vor Kurzem hat sie noch die Wohnung von Karl Lagerfeld fotografiert – jetzt steht sie hier. Vor kichernden Frauen, die mal malen wollen. Ein hartes Brot?
"Es ist überhaupt nicht so, dass ich dann denke: 'Oh Gott, die können gar nicht malen!' Sondern im Gegenteil, Kunst ist subjektiv. In der Kunst gibt es kein richtig oder falsch."
Die Paint Partys leitet sie drei Mal in der Woche. Es gibt viel zu tun, denn die Events boomen.
"Ich denke, das liegt vor allen Dingen an der Digitalisierung. Die Zeit wird immer schnelllebiger, immer digitaler. Freundschaften sind manchmal nur noch fiktiv, unreal. Gerade deswegen sucht man das Gegenteil, der Mensch ist ein soziales Wesen."
Die Atmosphäre ist wichtig
Manche Begegnungen beeindrucken die Künstlerin:
"Ich hatte einmal eine Teilnehmerin, der wurde aus familiärem Hintergrund verboten zu Malen. Sie hat sich das aber nicht verbieten lassen, dann hatte sie so eine unglaubliche Freude am Malen. Das war sehr berührend und ist hängen geblieben bei mir."
Dennoch - für Lisa ist das ein fair bezahlter Nebenjob, der mehr Spaß macht, als ein Malkurs für die Volkshochschule.
"Der Unterschied ist natürlich, dass es nicht den verschulten Charakter hat. Sondern in den angesagtesten Bars und Restaurants stattfindet. Die Atmosphäre ist ganz wichtig."
Mich hat die Atmosphäre hier noch nicht vom Hocker gerissen. Eine Party war das nicht. Ich teste einen weiteren Anbieter – die Artmasters. Diesmal abends in einer großen Kneipe. Ein Portrait der Malerin Frida Kahlo steht an. Alle Motive entwerfen die Künstler selbst. In der Runde sitzt ein einziger Mann.
Teilnehmer: "Hab' ich mir schon gedacht, dass das eher etwas ist, das Männer von sich aus nicht so machen. Vielleicht haben sie nicht die Geduld dafür. Ich schon. Das Bild hat mir gefallen, von daher habe ich das gebucht. Ich finde es halt schön, dass man mal was Neues ausprobiert."
Ist das Kunst?
Bier steht neben der Leinwand, dieser Abend kommt einer Party schon näher. Es wird viel gelacht. Etwas abseits malt eine fröhliche Vierertruppe.
Teilnehmerin: "Es macht mir total Spaß, wenn ich dann male, bin ich total drin, ich versuch' dann, alles richtig zu machen. Dann sieht das erstmal gut aus, wenn man noch mehr malt, sieht das katastrophal aus."
Einige Werke überraschen mich doch – sie sind passabel, teils weit ab von der Vorlage. Dabei kann doch hier keiner wirklich malen.
Teilnehmerin: "Ich habe schon den Anspruch, dass dann was Schönes bei rum kommt, das ich auch wem geben kann oder mir selbst gerne aufhänge, ja. Wenn ich kreativ werde und was dabei raus kommt, dann ist das schon Kunst für mich, ja."
Teilnehmerin: "Man fühlt sich hier nicht als Außenseiter, egal mit welchem Hintergrund Du hier hinkommst."
Unterschiedliche Charkatere treffen aufeinander. Einige arbeiten sich verbissen von Strich zu Strich. Andere schwingen lässig den Pinsel.
Teilnehmerin: "Ich bin positiv überrascht von meinem eigenen Werk. Ich kann normalerweise gar nicht malen, muss man auch dazu sagen."
Teilnehmer: "Ich glaube ich hänge es bei mir auf der Arbeit auf."
Teilnehmer: "Ich glaube ich hänge es bei mir auf der Arbeit auf."
Ein bisschen was mit Farbe
Paint Partys bringen Menschen zusammen, sie sind kreativ, das Malen löst den Alltagsstress – aber das geht auch mit Kochen oder Yoga. Doch manchmal entsteht hier am Ende sogar Kunst. Im Idealfall. Das erfordert zumindest Künstlernaturen. Künstlerin Kim Heep ist 26, war Immobilienkauffrau, dann an der Kunsthochschule und ist heute Make-up-Artist. Über Ihre Kursteilnehmer denkt sie:
"Wenn die Leute besonders verkopft sind und ich das Gefühl habe, die können sich gar nicht entspannen mit der Sache, dann nehme ich da schon was für mich mit. Gibt mir das was, dass ich sage: 'So, das möchte ich nicht.' Wir müssen produktiv sein, so ein bisschen. Dass wir da ausbrechen und schöne Dinge machen, das zeigt mir das dann oft."
Von dem Konzept ist Kim trotz allem überzeugt: "Weil man da auch nochmal seine Welt so ein bisschen mitgeben kann nach draußen. Und hoffentlich den anderen Leuten eine Bereicherung gibt und sie vielleicht auch zu Hause nochmal ein bisschen was mit Farbe machen."