Rund 1,8 Millionen Menschen haben zwischen 1991 und 2013 dem Osten Deutschlands den Rücken gekehrt. Einzelne strukturschwache Regionen verloren in diesem Zeitraum bis zu 40 Prozent ihrer Einwohnerschaft. Ein demografischer Trend, der nun gestoppt wurde - das zeigen Zahlen des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Demnach gibt es inzwischen wieder mehr Zu- als Abwanderung in den Osten. Institutsleiter Reiner Klingholz spricht von einer Trendwende, auch wenn es - regional gesehen - weiterhin mehr Verlierer als Gewinner gibt:
"Insgesamt profitieren nur 15 Prozent der ostdeutschen Gemeinden von diesem Wanderungsplus. Dort leben allerdings 40 Prozent der Bevölkerung. Aber: Das heißt natürlich gleichzeitig, dass 85 Prozent der Kommunen in Ostdeutschland nach wie vor Bevölkerung verlieren."
Ostdeutsche Großstädte im Aufwind
Die heute vorgestellten Daten betreffen die fünf ostdeutschen Flächenländer, das derzeit stark wachsende Berlin als Stadtstaat wurde nicht berücksichtigt.
Grundlage für die Untersuchung ist das Umzugsverhalten der Bevölkerung in den vergangenen sieben Jahren. Das Plus beim Wanderungssaldo sei vor allem ostdeutschen Großstädten geschuldet, so Reiner Klingholz.
"Leipzig, Dresden, Erfurt oder auch Weimar - das sind Perlen geworden, wie wir sie im Westen Deutschlands kaum haben. Diese Städte bieten nicht nur eine schöne Fassade, sondern mittlerweile auch attraktive Arbeitsplätze.
Sie bieten sehr attraktive Universitäten, die auch Studierende aus Westdeutschland anziehen. Weil hier auch das Studentenleben recht günstig ist, im Vergleich zu Frankfurt am Main oder München.
Doch gilt auch weiterhin: Je kleiner eine Gemeinde, desto größer die Abwanderung. Eine Beobachtung, die längst auch aus westdeutschen Kommunen bekannt ist.
Senioren gehen gen Osten
Die Zahlen zeigen, dass junge, sogenannte Berufswanderer im Schnitt immer noch mehr in den Westen gehen, aber auch dieser Trend hat sich abgeschwächt. Interessant: Vor allem bei der Generation 65-plus liegt der Osten im Trend.
"Das sind die, die an die Ostsee oder nach Görlitz oder Weimar wollten. Das waren dann Menschen aus Westdeutschland. Die sagen: Warum muss ich in Frankfurt oder München bleiben? Da ist es teuer und eng. Es ist viel schöner im Osten Deutschlands. Also gehen wir dahin."
Die Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung wurde heute der Ostbeauftragten der Bundesregierung, Iris Gleicke übergeben. Die SPD-Politikerin wollte nicht von einer allumfassenden Trendwende sprechen, sie will künftig vermehrt ländliche Gebiete fördern.
Mit Zuwanderung demografischen Wandel stoppen
Vor Ort müssten Angebote für Familien und Ältere erhalten und ausgebaut werden. Iris Gleicke sieht zudem Flüchtlinge als Chance für viele schrumpfende Gemeinden.
"Wer das Schrumpfen abmildern will, wer den Alterungsprozess aufhalten will - der muss auf Zuwanderung setzen. Und das entscheidet letztlich auch ein Stück weit darüber, ob Gemeinden schrumpfen, sich stabilisieren oder eben auch wachsen."
Die gegenwärtig massive Zuwanderung von Flüchtlingen konnte in der Studie nicht mehr berücksichtigt werden. In einer aktualisierten Zusammenfassung weisen die Autoren aber darauf hin, dass Flüchtlinge, die ein vorübergehendes Bleiberecht erhalten haben, in der Regel aus kleineren Gemeinden in größere Städte ziehen. Womit sie sich - zumindest vom allgemeinen Trend her - nicht groß von den Deutschen unterscheiden.