"Ich bin hart wie Marmelade, ich bin zäh wie Himbeer-Gelee…."
Hart wie Marmelade, zäh wie Himbeer-Gelee – so geriert sich die sozialliberale Koalition bereits viele Monate vor ihrem endgültigen Aus am 17. September 1982. An diesem Tag zieht Bundeskanzler Helmut Schmidt den Schlussstrich. Sein Resümee:
"Wenn jetzt eine geschichtliche Epoche in der Entfaltung unseres demokratischen Gemeinwesens beendet wird, wenn jetzt die Zukunft …. ungewiss ist, so will ich in diesem Zusammenhang meinen Stolz auf das in der sozialliberalen Koalition Geleistete noch einmal hervorheben (Beifall)"
Unmittelbar vor seiner letzten Rede als sozialliberaler Regierungschef fordert Schmidt an jenem Freitagmorgen im Bundestag in Bonn die vier FDP-Minister ultimativ zum Rücktritt auf. Hans-Dietrich Genscher, damals Vize-Kanzler, Außenminister und Vorsitzender der FDP, lässt daraufhin im Plenum keinen Zweifel am Aus der Koalition zwischen SPD und FDP:
"Die Koalition aus SPD und FDP ist beendet. Sie wie wir haben jetzt die Freiheit, in eigener Verantwortung zu entscheiden."
Trennung nach 13 gemeinsamen Jahren. Begonnen hatte alles im Herbst 1969, als Willy Brandt und Walter Scheel eine "Liebesheirat" eingegangen waren. Die rot-gelbe Ehe funktioniert lange Zeit in harmonischer, konstruktiver Zweisamkeit. Mit dem Wechsel zu Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher allerdings wird sie mehr und mehr zur nüchternen Geschäftsbeziehung. Ab 1981 schließlich gibt es nur noch Streit, Misstrauen und Unaufrichtigkeit.
Dabei stehen die Signale zu Beginn der 9. Legislaturperiode auf Erfolg. Aus der Bundestagswahl im Herbst 1980 geht die Koalition als Sieger hervor. Die FDP erzielt mit über 10 Prozent ein überragendes Ergebnis. Auch die SPD legt – wenn nur geringfügig – um 0,3 Punkte auf 42,9 Prozent zu. Die Mehrheit von SPD und FDP kann damit von zehn auf 45 Mandate ausgebaut werden.
Die Wahlforscher sind sich einig: Der sozialliberale Erfolg ist in erster Linie das Verdienst von Helmut Schmidt. Sein – auch international - hohes Ansehen hat sich ausgezahlt. Vor allem für die FDP. Sie verdankt ihre Zuwächse in erster Linie dem landauf, landab plakatierten Wahlversprechen: "Für die Regierung Schmidt/Genscher".
Und doch ist Helmut Schmidt bitter enttäuscht. Er hatte im Kampf gegen Strauß auf die absolute Mehrheit seiner Partei gesetzt und fühlt sich nun um seinen persönlichen Wahlsieg betrogen. Genscher dagegen feiert seinen größten Triumph: "Mister Zehn-Prozent". Das hat vor ihm noch kein FDP-Chef geschafft. Kanzler und Vize-Kanzler treten noch am Wahlabend gemeinsam vor die Wähler und sprechen sich für eine weitere sozialliberale Legislaturperiode aus. Hans-Dietrich Genscher:
"Die Koalition hat sich gut entwickelt, und das ist ein guter Startschuss für die nächsten vier Jahre."
Aus den vier Jahren wird nichts. Schon bald nach der Wahl treten Meinungsverschiedenheiten offen zutage – vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Hier verlangt die FDP immer größere Zugeständnisse und Einschnitte von der SPD - zum Beispiel Kürzungen beim Kinder- und Arbeitslosengeld. Auch in der Außenpolitik gibt es Probleme, aber nicht so sehr zwischen den Koalitionspartnern, sondern vor allem innerhalb der SPD.
Bei den Sozialdemokraten kriselt es: Ideologisch gefärbte Richtungskämpfe, Differenzen grundsätzlicher Natur. Schmidt pocht darauf, den NATO-Doppelbeschluss aus dem Jahre 1979 konsequent einzuhalten. Doch gerade das damit verbundene atomare Aufrüsten für den Fall, dass Abrüstungsverhandlungen mit der Sowjetunion ohne Erfolg bleiben sollten, sorgt in der SPD für Unruhe. Der Kanzler kann nicht mehr sicher sein, dass ihm die Fraktion in strittigen Fragen noch geschlossen folgt.
Zudem werfen immer mehr Sozialdemokraten den Liberalen unverhohlen vor, ohne Wenn und Aber die Interessen der Wirtschaft zu vertreten. Auch FDP-Chef Genscher registriert das angespannte Klima. In seinen "Erinnerungen" schreibt er:
Die Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl 1980 gestalteten sich schwierig. Es wurde immer deutlicher, dass Helmut Schmidt in seiner Partei Probleme hatte.
Manches Vorhaben wird fallen gelassen. Gegenseitige Blockaden sind an der Tagesordnung. Es folgen sieben quälende Wochen, ehe Schmidt seine Regierungserklärung abgibt. Der dickste Brocken, der Bundeshaushalt, ist zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht bearbeitet.
Die Spannungen nehmen zu. Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff ist schon länger überzeugt: Wenn die FDP – bei guten Wahlergebnissen im Bund aber verheerenden Resultaten in den Ländern - überleben will, muss sie ganz schnell die Wende hin zu den C-Parteien vollziehen. Im Frühjahr 1981 bespricht er sich mit seinem Parteifreund Genscher.
Auf keinen Fall will der FDP-Vorsitzende die Schuld am Tod der Koalition haben. Ihn scheint aber auch eine panische Angst um Identität und Existenz seiner Partei zu plagen.
Machtstrategische Überlegungen gewinnen an Bedeutung. Genscher möchte die Plattform verbreitern – am liebsten so, wie es damals in der Polit-Hitparade des Satirikers Volker Kühn vorgeschlagen wird:
"Meine Freunde, Politik der Mitte verfolgt eine entschiedene Linie der Vernunft; und sie muss sich durchsetzen gegenüber den Angriffen der extremen Unvernunft und der Unvernunft der Extremen. Ich habe es schon im letzten Jahr gesagt, und ich wiederhole es hier: Wo steht denn geschrieben, dass wir der ewige Dritte sein müssen ..."
Am 20. August 1981 schreibt Genscher einen Brief an die FDP-Mitglieder. Er äußert sich besorgt über die wirtschaftliche Lage, stimmt seine Parteifreunde auf bevorstehende Konflikte mit der SPD ein: Das Land stehe am "Scheideweg", es sei eine "Wende ... notwendig."
Das fünfseitige Schreiben – später "Wendebrief" genannt, wird – nicht nur von der SPD - als Aufforderung zum Koalitionsbruch verstanden. Die damalige liberale Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Hildegard Hamm-Brücher, erinnert sich:
""Genau 81 – da hat ja Genscher so einen komischen Brief mal geschrieben..., dass eine wichtige Wende... Da hat er das sozusagen mal angetönt.... Das war ein Versuchsballon, der sogenannte Wendebrief...""
Genscher fühlt sich missverstanden. "Eine Aufforderung zum Koalitionsbruch ist der Brief nicht gewesen", sagt er – im Gegenteil:
"Dieser Brief ... war der Versuch, die Koalition zu befähigen, Probleme, die von außen an uns herankommen, in freiheitlichen Geist zu lösen."
Die Probleme wachsen. Die Wirtschaftsdaten werden immer schlechter. 1981 gibt es 1,1 Millionen Arbeitslose, ein Jahr später schon 800.000 mehr. Die Haushaltslöcher werden größer und die Krisenwolken über der Koalition immer dunkler. Schmidt versucht, gegenzuhalten: Das Kabinett beschließt eine "Gemeinschaftsinitiative für Arbeitsplätze, Wachstum und Stabilität." Am 5. Februar 1982 stellt der Kanzler die Vertrauensfrage, er will die Koalition auf ein einigendes Ziel verpflichten. Die Öffentlichkeit soll ein "Signal der Klarheit" bekommen:
"Wer den Sozialdemokraten und den Freien Demokraten am 5. Oktober 1980 seine Stimme gegeben hat, ... der braucht Gewissheit darüber, dass die Regierung ihr für vier Jahre erteiltes Mandat auch tatsächlich ausüben wird."
Alle Abgeordnete von SPD und FDP geben dem Kanzler ihr Vertrauen – kein Abtrünniger. Mit dabei ist auch Hans Apel, damals Verteidigungsminister. In seinem Tagebuch "Der Abstieg" schreibt er.
"Der Kanzler erwartet von dieser Abstimmung eine Stärkung seiner Position und eine Disziplinierung der SPD und des Herrn Genscher. Das aber ist ein Irrtum."
Apel behält Recht. Es wird weiter über ein Ende der Regierung Schmidt spekuliert. Mittlerweile haben auch die Kabarettisten das Thema entdeckt. So grantelt der bayerische Volksschauspieler Walter Sedlmayr:
"Der Wehner, der tritt gern zurück. Der hat ja schon den Brandt zurückgetreten. Und jetzt hofft halt der Kohl, dass der Wehner den Rücktritt von Schmidt auch noch schaffen wird. Und wenn sich dann der FDP-Schwanz einen neuen Hund sucht, mit dem er wedeln kann ..."
In der Wirtschafts- und Sozialpolitik treibt die FDP ihren Koalitionspartner weiter vor sich her. Manchmal ganz im Sinne des Kanzlers. Der hat in Wirtschaftsfragen häufig mehr Probleme mit der eigenen Partei als mit der FDP, etwa bei der von den Genossen geforderten Ergänzungsabgabe für Besserverdienende. So kann CDU-Generalsekretär Heiner Geißler am 4. März 1982 im Bundestag genüsslich in den Wunden der SPD herumstochern:
"Die SPD ... ist keine Arbeiterpartei mehr ... Die Entwicklung ist für Sie doch inzwischen unerträglich geworden ... Sie setzen sich mit ihren sozialpolitischen Zielen ... in dieser Koalition nicht mehr durch ... Sie lassen sich den Willen der Freien Demokraten ... aufzwingen, also von einer Partei, von der niemand so recht weiß, nach welchen Grundsätzen sie gerade handelt."
Geißler trifft die Stimmung, spricht aus, was viele Sozialdemokraten denken. Der anstehende Parteitag in München droht zum Stolperstein für die Koalition zu werden. Das wissen auch die SPD-Granden: Sie bemühen sich, alles zu vermeiden, was der FDP zusätzliche Vorlagen zum Bruch der Regierungskoalition liefern könnte.
Helmut Schmidt gelingt es dann auch – unter großer Anspannung und mit Willy Brandts Hilfe –, die Partei in der Außen- und Sicherheitspolitik hinter sich zu scharen. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik werden Beschlüsse gefasst, die für die SPD zwar nicht neu sind, aber gravierende Unterschiede zu FDP-Positionen deutlich machen.
Die Freien Demokraten nehmen den SPD-Parteitag zum Anlass, die lodernden Konflikte weiter anzuheizen. Für Genscher und Lambsdorff ist spätestens jetzt klar: Der Wechsel muss kommen. Im "Hamburger Abendblatt" heißt es am 24. April 1982:
"Nach dem Münchener SPD-Parteitag gehen die Freien Demokraten noch deutlicher als bisher auf Distanz zum Bonner Koalitionspartner (...) Unverhüllt droht die FDP mit dem Ende der Koalition für den Fall, dass die SPD versuchen sollte, ihre in München gefassten Beschlüsse zur Wirtschaftspolitik durchzusetzen."
Trotz neuer Drohgebärden aus der neoliberalen Wirtschaftsecke ist Schmidt immer noch - bis zum Sommer 1982 - davon überzeugt, dass seine Regierung durchhalten wird. Doch auch ihn beschleichen manchmal Zweifel.
"Alles hat seine Risiken. Trotzdem bin ich dafür, diese Risiken in Kauf zu nehmen. Sicher kann hier keiner sein. Du nicht. Die übrigen auch nicht. Ich auch nicht. Du glaubst, etwas zu wissen. Andere glauben, etwas zu wissen. Sicher kann keiner sein ...."
Spätestens am 9. September ist Helmut Schmidt ganz sicher, dass die Koalition nicht mehr zu retten ist. Jetzt kommt es darauf an, selbst zu handeln, nicht mehr länger der "Getriebene" von FDP und CDU/CSU zu sein. Im Bericht zur Lage der Nation versucht der Kanzler an diesem Tag, die Liberalen herauszufordern:
"Offenbar gibt es (...) bei der FDP den einen oder anderen Kollegen, der einen (...) Wechsel in einer ungewissen Zukunft erhofft. Die Zeitungen berichten seit Wochen darüber ... Der Bundeskanzler weiß, dass man Reisende nicht aufhalten soll."
Hauptadressat dieser Rede ist aber nicht die FDP, sondern Oppositionsführer Helmut Kohl. Schmidt ermuntert ihn, ein konstruktives Misstrauensvotum zu versuchen:
"Bringen Sie den Antrag auf ein konstruktives Misstrauensvotum ein, Herr Dr. Kohl! Lassen Sie uns nächste Woche darüber abstimmen.... Die Bürger haben Anspruch auf Wahrheit und Klarheit."
Helmut Kohl will zu diesem Zeitpunkt nichts wissen von einem Misstrauensvotum. Er fordert den Kanzler verklausuliert auf, von sich aus zurückzutreten:
"Verschonen Sie uns bitte mit Appellen zu Wahrhaftigkeit und Klarheit, und gehen Sie endlich mit gutem Beispiel voran."
Hans Dietrich Genscher antwortet für die FDP, versucht noch einmal einen verbalen Schulterschluss mit den Sozialdemokraten.
"Wir sind darauf auch stolz. Wir bekennen uns zu jeder der gemeinsam getroffenen Entscheidung."
Doch das nimmt der Kanzler seinem Koalitionspartner inzwischen nicht mehr ab. Einen Tag später, am 10. September, wird ihm das sogenannte "Lambsdorff-Papier" zugestellt. Ein 21 Seiten starkes Thesenpapier des Wirtschaftsministers zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Rezession. Schmidt nennt es sofort ein "Manifest der Sezession" und kritisiert die "Anhäufungen von Grausamkeiten".
Jetzt sind die Würfel endgültig gefallen. Der 17. September 1982 wird zum historischen Datum. Der Deutschlandfunk meldet in seinen 13:00 Uhr Nachrichten:
"Die FDP/SPD-Regierungskoalition in Bonn ist nach dreizehn Jahren zerbrochen. In einer Erklärung vor dem Bundestag sagte Bundeskanzler Schmidt am Mittag, der FDP-Vorsitzende Genscher habe ihm seinen Rücktritt als Außenminister sowie die Demissionen der Bundesminister Graf Lambsdorff, Baum und Ertl mitgeteilt. Aus diesem Grunde sehe er sich veranlasst, so schnell wie möglich Neuwahlen vorzuschlagen."
Schmidt lässt an diesem Tag keinen Zweifel darüber aufkommen, wen er für den eigentlichen Totengräber der sozialliberalen Koalition hält: Hans-Dietrich Genscher. Der Kanzler an die Adresse des FDP-Vorsitzenden:
"Nach den Ereignissen der letzten Tage musste ich das politische Vertrauen zu einigen Führungspersonen der FDP verlieren. Eine weitere Zusammenarbeit ist weder den sozialdemokratischen Bundesministern, noch dem Bundeskanzler zuzumuten....Ich habe Mal um Mal dem Koalitionspartner das ernst gemeinte Angebot gemacht, in einer großen und gemeinsamen Anstrengung die Handlungsfähigkeit der sozialliberalen Bundesregierung zu kräftigen... Ich bin Mal um Mal ohne eine klare Antwort geblieben... Es drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Haushaltsberatungen ... nur noch zum Schein geführt werden, weil ein Vorwand gesucht wird, mit dem der Partnerwechsel dem Publikum erklärt werden soll."
Das mag Genscher nicht auf sich sitzen lassen. Für ihn ist klar: Schuld am Aus der Koalition ist allein die SPD. Der Münchener Parteitag hat demnach die Regierungsarbeit der SPD endgültig "eingekeilt" - für die FDP nicht länger tragbar. Haushaltsberatungen schier unmöglich; zu groß die Staatsverschuldung.
Hildegard Hamm-Brücher hält die Genscher-Begründung auch heute noch für Humbug. Der wahre Grund für die von Genscher und Lambsdorff betriebene Wende hin zur Union ist in ihren Augen der 1980 aufziehende Flick-Parteispendenskandal, da die SPD-Fraktion in der Spendenaffäre keinerlei Bereitschaft zeigte, einer Amnestie zuzustimmen.
"Der Parteispendenskandal, das war ja nach meiner festen Überzeugung dann der entscheidende Punkt ... und nicht, dass nun die Verschuldung angewachsen war... Das war ja wirklich bei den Haaren herbeigezogen."
Wie auch immer. Ehe die vier FDP-Minister am Nachmittag des 17. September ihre Entlassungsurkunden erhalten, macht Schmidt noch einen Vorschlag zur Überwindung der politischen Krise: In einer Vereinbarung aller Bundestags-Parteien sollen Neuwahlen unverzüglich vorbereitet werden – für etwa Ende November.
Oppositionsführer Helmut Kohl hat einige Tage vorher in der "Westfälischen Rundschau" den gleichen Vorschlag gemacht. Doch im Bundestag will er nichts mehr davon wissen. Die Duldung einer Minderheitsregierung unter Schmidt bis zu den Neuwahlen lehnt er rundweg ab:
"Ich kann keinen Sinn in einem Parteiführergespräch erkennen, dessen eigentlicher Zweck doch letztlich nur darin besteht, die Zeit Ihrer Minderheitsregierung zu verlängern. Wir, die CDU/CSU, gehen den von der Verfassung vorgesehenen Weg."
Einen konkreten Hinweis, wie es weitergehen soll, gibt Kohl nicht. Das bleibt seinem neuen Partner Genscher überlassen. Der sagt zumindest andeutungsweise, was er will:
"Wir sind bereit, dazu beizutragen, eine handlungsfähige Regierung zu bilden. Wenn diese Regierung die jetzt unmittelbar vor uns liegenden Aufgaben erledigt hat, sollte sie sich ... dem Wähler zur Wahl stellen."
So kommt es dann auch. Zwei Wochen nach dem Ende der sozialliberalen Koalition – am 1. Oktober 1982 - wird Helmut Schmidt mit Hilfe eines konstruktiven Misstrauensvotums von CDU/CSU und FDP abgewählt. Helmut Kohl erreicht 23 Stimmen weniger, als die neue Koalition besitzt. Er nimmt die Wahl an und wird noch am selben Tag als Bundeskanzler vereidigt. Vorgezogene Neuwahlen gibt es nicht – wie von Schmidt vorgeschlagen – im November, sondern erst am 6. März 1983.
Hart wie Marmelade, zäh wie Himbeer-Gelee – so geriert sich die sozialliberale Koalition bereits viele Monate vor ihrem endgültigen Aus am 17. September 1982. An diesem Tag zieht Bundeskanzler Helmut Schmidt den Schlussstrich. Sein Resümee:
"Wenn jetzt eine geschichtliche Epoche in der Entfaltung unseres demokratischen Gemeinwesens beendet wird, wenn jetzt die Zukunft …. ungewiss ist, so will ich in diesem Zusammenhang meinen Stolz auf das in der sozialliberalen Koalition Geleistete noch einmal hervorheben (Beifall)"
Unmittelbar vor seiner letzten Rede als sozialliberaler Regierungschef fordert Schmidt an jenem Freitagmorgen im Bundestag in Bonn die vier FDP-Minister ultimativ zum Rücktritt auf. Hans-Dietrich Genscher, damals Vize-Kanzler, Außenminister und Vorsitzender der FDP, lässt daraufhin im Plenum keinen Zweifel am Aus der Koalition zwischen SPD und FDP:
"Die Koalition aus SPD und FDP ist beendet. Sie wie wir haben jetzt die Freiheit, in eigener Verantwortung zu entscheiden."
Trennung nach 13 gemeinsamen Jahren. Begonnen hatte alles im Herbst 1969, als Willy Brandt und Walter Scheel eine "Liebesheirat" eingegangen waren. Die rot-gelbe Ehe funktioniert lange Zeit in harmonischer, konstruktiver Zweisamkeit. Mit dem Wechsel zu Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher allerdings wird sie mehr und mehr zur nüchternen Geschäftsbeziehung. Ab 1981 schließlich gibt es nur noch Streit, Misstrauen und Unaufrichtigkeit.
Dabei stehen die Signale zu Beginn der 9. Legislaturperiode auf Erfolg. Aus der Bundestagswahl im Herbst 1980 geht die Koalition als Sieger hervor. Die FDP erzielt mit über 10 Prozent ein überragendes Ergebnis. Auch die SPD legt – wenn nur geringfügig – um 0,3 Punkte auf 42,9 Prozent zu. Die Mehrheit von SPD und FDP kann damit von zehn auf 45 Mandate ausgebaut werden.
Die Wahlforscher sind sich einig: Der sozialliberale Erfolg ist in erster Linie das Verdienst von Helmut Schmidt. Sein – auch international - hohes Ansehen hat sich ausgezahlt. Vor allem für die FDP. Sie verdankt ihre Zuwächse in erster Linie dem landauf, landab plakatierten Wahlversprechen: "Für die Regierung Schmidt/Genscher".
Und doch ist Helmut Schmidt bitter enttäuscht. Er hatte im Kampf gegen Strauß auf die absolute Mehrheit seiner Partei gesetzt und fühlt sich nun um seinen persönlichen Wahlsieg betrogen. Genscher dagegen feiert seinen größten Triumph: "Mister Zehn-Prozent". Das hat vor ihm noch kein FDP-Chef geschafft. Kanzler und Vize-Kanzler treten noch am Wahlabend gemeinsam vor die Wähler und sprechen sich für eine weitere sozialliberale Legislaturperiode aus. Hans-Dietrich Genscher:
"Die Koalition hat sich gut entwickelt, und das ist ein guter Startschuss für die nächsten vier Jahre."
Aus den vier Jahren wird nichts. Schon bald nach der Wahl treten Meinungsverschiedenheiten offen zutage – vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Hier verlangt die FDP immer größere Zugeständnisse und Einschnitte von der SPD - zum Beispiel Kürzungen beim Kinder- und Arbeitslosengeld. Auch in der Außenpolitik gibt es Probleme, aber nicht so sehr zwischen den Koalitionspartnern, sondern vor allem innerhalb der SPD.
Bei den Sozialdemokraten kriselt es: Ideologisch gefärbte Richtungskämpfe, Differenzen grundsätzlicher Natur. Schmidt pocht darauf, den NATO-Doppelbeschluss aus dem Jahre 1979 konsequent einzuhalten. Doch gerade das damit verbundene atomare Aufrüsten für den Fall, dass Abrüstungsverhandlungen mit der Sowjetunion ohne Erfolg bleiben sollten, sorgt in der SPD für Unruhe. Der Kanzler kann nicht mehr sicher sein, dass ihm die Fraktion in strittigen Fragen noch geschlossen folgt.
Zudem werfen immer mehr Sozialdemokraten den Liberalen unverhohlen vor, ohne Wenn und Aber die Interessen der Wirtschaft zu vertreten. Auch FDP-Chef Genscher registriert das angespannte Klima. In seinen "Erinnerungen" schreibt er:
Die Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl 1980 gestalteten sich schwierig. Es wurde immer deutlicher, dass Helmut Schmidt in seiner Partei Probleme hatte.
Manches Vorhaben wird fallen gelassen. Gegenseitige Blockaden sind an der Tagesordnung. Es folgen sieben quälende Wochen, ehe Schmidt seine Regierungserklärung abgibt. Der dickste Brocken, der Bundeshaushalt, ist zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht bearbeitet.
Die Spannungen nehmen zu. Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff ist schon länger überzeugt: Wenn die FDP – bei guten Wahlergebnissen im Bund aber verheerenden Resultaten in den Ländern - überleben will, muss sie ganz schnell die Wende hin zu den C-Parteien vollziehen. Im Frühjahr 1981 bespricht er sich mit seinem Parteifreund Genscher.
Auf keinen Fall will der FDP-Vorsitzende die Schuld am Tod der Koalition haben. Ihn scheint aber auch eine panische Angst um Identität und Existenz seiner Partei zu plagen.
Machtstrategische Überlegungen gewinnen an Bedeutung. Genscher möchte die Plattform verbreitern – am liebsten so, wie es damals in der Polit-Hitparade des Satirikers Volker Kühn vorgeschlagen wird:
"Meine Freunde, Politik der Mitte verfolgt eine entschiedene Linie der Vernunft; und sie muss sich durchsetzen gegenüber den Angriffen der extremen Unvernunft und der Unvernunft der Extremen. Ich habe es schon im letzten Jahr gesagt, und ich wiederhole es hier: Wo steht denn geschrieben, dass wir der ewige Dritte sein müssen ..."
Am 20. August 1981 schreibt Genscher einen Brief an die FDP-Mitglieder. Er äußert sich besorgt über die wirtschaftliche Lage, stimmt seine Parteifreunde auf bevorstehende Konflikte mit der SPD ein: Das Land stehe am "Scheideweg", es sei eine "Wende ... notwendig."
Das fünfseitige Schreiben – später "Wendebrief" genannt, wird – nicht nur von der SPD - als Aufforderung zum Koalitionsbruch verstanden. Die damalige liberale Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Hildegard Hamm-Brücher, erinnert sich:
""Genau 81 – da hat ja Genscher so einen komischen Brief mal geschrieben..., dass eine wichtige Wende... Da hat er das sozusagen mal angetönt.... Das war ein Versuchsballon, der sogenannte Wendebrief...""
Genscher fühlt sich missverstanden. "Eine Aufforderung zum Koalitionsbruch ist der Brief nicht gewesen", sagt er – im Gegenteil:
"Dieser Brief ... war der Versuch, die Koalition zu befähigen, Probleme, die von außen an uns herankommen, in freiheitlichen Geist zu lösen."
Die Probleme wachsen. Die Wirtschaftsdaten werden immer schlechter. 1981 gibt es 1,1 Millionen Arbeitslose, ein Jahr später schon 800.000 mehr. Die Haushaltslöcher werden größer und die Krisenwolken über der Koalition immer dunkler. Schmidt versucht, gegenzuhalten: Das Kabinett beschließt eine "Gemeinschaftsinitiative für Arbeitsplätze, Wachstum und Stabilität." Am 5. Februar 1982 stellt der Kanzler die Vertrauensfrage, er will die Koalition auf ein einigendes Ziel verpflichten. Die Öffentlichkeit soll ein "Signal der Klarheit" bekommen:
"Wer den Sozialdemokraten und den Freien Demokraten am 5. Oktober 1980 seine Stimme gegeben hat, ... der braucht Gewissheit darüber, dass die Regierung ihr für vier Jahre erteiltes Mandat auch tatsächlich ausüben wird."
Alle Abgeordnete von SPD und FDP geben dem Kanzler ihr Vertrauen – kein Abtrünniger. Mit dabei ist auch Hans Apel, damals Verteidigungsminister. In seinem Tagebuch "Der Abstieg" schreibt er.
"Der Kanzler erwartet von dieser Abstimmung eine Stärkung seiner Position und eine Disziplinierung der SPD und des Herrn Genscher. Das aber ist ein Irrtum."
Apel behält Recht. Es wird weiter über ein Ende der Regierung Schmidt spekuliert. Mittlerweile haben auch die Kabarettisten das Thema entdeckt. So grantelt der bayerische Volksschauspieler Walter Sedlmayr:
"Der Wehner, der tritt gern zurück. Der hat ja schon den Brandt zurückgetreten. Und jetzt hofft halt der Kohl, dass der Wehner den Rücktritt von Schmidt auch noch schaffen wird. Und wenn sich dann der FDP-Schwanz einen neuen Hund sucht, mit dem er wedeln kann ..."
In der Wirtschafts- und Sozialpolitik treibt die FDP ihren Koalitionspartner weiter vor sich her. Manchmal ganz im Sinne des Kanzlers. Der hat in Wirtschaftsfragen häufig mehr Probleme mit der eigenen Partei als mit der FDP, etwa bei der von den Genossen geforderten Ergänzungsabgabe für Besserverdienende. So kann CDU-Generalsekretär Heiner Geißler am 4. März 1982 im Bundestag genüsslich in den Wunden der SPD herumstochern:
"Die SPD ... ist keine Arbeiterpartei mehr ... Die Entwicklung ist für Sie doch inzwischen unerträglich geworden ... Sie setzen sich mit ihren sozialpolitischen Zielen ... in dieser Koalition nicht mehr durch ... Sie lassen sich den Willen der Freien Demokraten ... aufzwingen, also von einer Partei, von der niemand so recht weiß, nach welchen Grundsätzen sie gerade handelt."
Geißler trifft die Stimmung, spricht aus, was viele Sozialdemokraten denken. Der anstehende Parteitag in München droht zum Stolperstein für die Koalition zu werden. Das wissen auch die SPD-Granden: Sie bemühen sich, alles zu vermeiden, was der FDP zusätzliche Vorlagen zum Bruch der Regierungskoalition liefern könnte.
Helmut Schmidt gelingt es dann auch – unter großer Anspannung und mit Willy Brandts Hilfe –, die Partei in der Außen- und Sicherheitspolitik hinter sich zu scharen. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik werden Beschlüsse gefasst, die für die SPD zwar nicht neu sind, aber gravierende Unterschiede zu FDP-Positionen deutlich machen.
Die Freien Demokraten nehmen den SPD-Parteitag zum Anlass, die lodernden Konflikte weiter anzuheizen. Für Genscher und Lambsdorff ist spätestens jetzt klar: Der Wechsel muss kommen. Im "Hamburger Abendblatt" heißt es am 24. April 1982:
"Nach dem Münchener SPD-Parteitag gehen die Freien Demokraten noch deutlicher als bisher auf Distanz zum Bonner Koalitionspartner (...) Unverhüllt droht die FDP mit dem Ende der Koalition für den Fall, dass die SPD versuchen sollte, ihre in München gefassten Beschlüsse zur Wirtschaftspolitik durchzusetzen."
Trotz neuer Drohgebärden aus der neoliberalen Wirtschaftsecke ist Schmidt immer noch - bis zum Sommer 1982 - davon überzeugt, dass seine Regierung durchhalten wird. Doch auch ihn beschleichen manchmal Zweifel.
"Alles hat seine Risiken. Trotzdem bin ich dafür, diese Risiken in Kauf zu nehmen. Sicher kann hier keiner sein. Du nicht. Die übrigen auch nicht. Ich auch nicht. Du glaubst, etwas zu wissen. Andere glauben, etwas zu wissen. Sicher kann keiner sein ...."
Spätestens am 9. September ist Helmut Schmidt ganz sicher, dass die Koalition nicht mehr zu retten ist. Jetzt kommt es darauf an, selbst zu handeln, nicht mehr länger der "Getriebene" von FDP und CDU/CSU zu sein. Im Bericht zur Lage der Nation versucht der Kanzler an diesem Tag, die Liberalen herauszufordern:
"Offenbar gibt es (...) bei der FDP den einen oder anderen Kollegen, der einen (...) Wechsel in einer ungewissen Zukunft erhofft. Die Zeitungen berichten seit Wochen darüber ... Der Bundeskanzler weiß, dass man Reisende nicht aufhalten soll."
Hauptadressat dieser Rede ist aber nicht die FDP, sondern Oppositionsführer Helmut Kohl. Schmidt ermuntert ihn, ein konstruktives Misstrauensvotum zu versuchen:
"Bringen Sie den Antrag auf ein konstruktives Misstrauensvotum ein, Herr Dr. Kohl! Lassen Sie uns nächste Woche darüber abstimmen.... Die Bürger haben Anspruch auf Wahrheit und Klarheit."
Helmut Kohl will zu diesem Zeitpunkt nichts wissen von einem Misstrauensvotum. Er fordert den Kanzler verklausuliert auf, von sich aus zurückzutreten:
"Verschonen Sie uns bitte mit Appellen zu Wahrhaftigkeit und Klarheit, und gehen Sie endlich mit gutem Beispiel voran."
Hans Dietrich Genscher antwortet für die FDP, versucht noch einmal einen verbalen Schulterschluss mit den Sozialdemokraten.
"Wir sind darauf auch stolz. Wir bekennen uns zu jeder der gemeinsam getroffenen Entscheidung."
Doch das nimmt der Kanzler seinem Koalitionspartner inzwischen nicht mehr ab. Einen Tag später, am 10. September, wird ihm das sogenannte "Lambsdorff-Papier" zugestellt. Ein 21 Seiten starkes Thesenpapier des Wirtschaftsministers zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Rezession. Schmidt nennt es sofort ein "Manifest der Sezession" und kritisiert die "Anhäufungen von Grausamkeiten".
Jetzt sind die Würfel endgültig gefallen. Der 17. September 1982 wird zum historischen Datum. Der Deutschlandfunk meldet in seinen 13:00 Uhr Nachrichten:
"Die FDP/SPD-Regierungskoalition in Bonn ist nach dreizehn Jahren zerbrochen. In einer Erklärung vor dem Bundestag sagte Bundeskanzler Schmidt am Mittag, der FDP-Vorsitzende Genscher habe ihm seinen Rücktritt als Außenminister sowie die Demissionen der Bundesminister Graf Lambsdorff, Baum und Ertl mitgeteilt. Aus diesem Grunde sehe er sich veranlasst, so schnell wie möglich Neuwahlen vorzuschlagen."
Schmidt lässt an diesem Tag keinen Zweifel darüber aufkommen, wen er für den eigentlichen Totengräber der sozialliberalen Koalition hält: Hans-Dietrich Genscher. Der Kanzler an die Adresse des FDP-Vorsitzenden:
"Nach den Ereignissen der letzten Tage musste ich das politische Vertrauen zu einigen Führungspersonen der FDP verlieren. Eine weitere Zusammenarbeit ist weder den sozialdemokratischen Bundesministern, noch dem Bundeskanzler zuzumuten....Ich habe Mal um Mal dem Koalitionspartner das ernst gemeinte Angebot gemacht, in einer großen und gemeinsamen Anstrengung die Handlungsfähigkeit der sozialliberalen Bundesregierung zu kräftigen... Ich bin Mal um Mal ohne eine klare Antwort geblieben... Es drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Haushaltsberatungen ... nur noch zum Schein geführt werden, weil ein Vorwand gesucht wird, mit dem der Partnerwechsel dem Publikum erklärt werden soll."
Das mag Genscher nicht auf sich sitzen lassen. Für ihn ist klar: Schuld am Aus der Koalition ist allein die SPD. Der Münchener Parteitag hat demnach die Regierungsarbeit der SPD endgültig "eingekeilt" - für die FDP nicht länger tragbar. Haushaltsberatungen schier unmöglich; zu groß die Staatsverschuldung.
Hildegard Hamm-Brücher hält die Genscher-Begründung auch heute noch für Humbug. Der wahre Grund für die von Genscher und Lambsdorff betriebene Wende hin zur Union ist in ihren Augen der 1980 aufziehende Flick-Parteispendenskandal, da die SPD-Fraktion in der Spendenaffäre keinerlei Bereitschaft zeigte, einer Amnestie zuzustimmen.
"Der Parteispendenskandal, das war ja nach meiner festen Überzeugung dann der entscheidende Punkt ... und nicht, dass nun die Verschuldung angewachsen war... Das war ja wirklich bei den Haaren herbeigezogen."
Wie auch immer. Ehe die vier FDP-Minister am Nachmittag des 17. September ihre Entlassungsurkunden erhalten, macht Schmidt noch einen Vorschlag zur Überwindung der politischen Krise: In einer Vereinbarung aller Bundestags-Parteien sollen Neuwahlen unverzüglich vorbereitet werden – für etwa Ende November.
Oppositionsführer Helmut Kohl hat einige Tage vorher in der "Westfälischen Rundschau" den gleichen Vorschlag gemacht. Doch im Bundestag will er nichts mehr davon wissen. Die Duldung einer Minderheitsregierung unter Schmidt bis zu den Neuwahlen lehnt er rundweg ab:
"Ich kann keinen Sinn in einem Parteiführergespräch erkennen, dessen eigentlicher Zweck doch letztlich nur darin besteht, die Zeit Ihrer Minderheitsregierung zu verlängern. Wir, die CDU/CSU, gehen den von der Verfassung vorgesehenen Weg."
Einen konkreten Hinweis, wie es weitergehen soll, gibt Kohl nicht. Das bleibt seinem neuen Partner Genscher überlassen. Der sagt zumindest andeutungsweise, was er will:
"Wir sind bereit, dazu beizutragen, eine handlungsfähige Regierung zu bilden. Wenn diese Regierung die jetzt unmittelbar vor uns liegenden Aufgaben erledigt hat, sollte sie sich ... dem Wähler zur Wahl stellen."
So kommt es dann auch. Zwei Wochen nach dem Ende der sozialliberalen Koalition – am 1. Oktober 1982 - wird Helmut Schmidt mit Hilfe eines konstruktiven Misstrauensvotums von CDU/CSU und FDP abgewählt. Helmut Kohl erreicht 23 Stimmen weniger, als die neue Koalition besitzt. Er nimmt die Wahl an und wird noch am selben Tag als Bundeskanzler vereidigt. Vorgezogene Neuwahlen gibt es nicht – wie von Schmidt vorgeschlagen – im November, sondern erst am 6. März 1983.