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Trennungskinder in Coronazeiten
Wenn der Umgang verweigert wird

Wo Eltern nach einer Trennung Kinder abwechselnd betreuen, stellt sich angesichts der Corona-Maßnahmen die Frage: Wird das Umgangsrecht weiterhin gewährt – auch dann, wenn die Eltern in unterschiedlichen Bundesländern leben? Und was gilt, wenn der Unterhalt nicht mehr bezahlt werden kann?

Von Sina Fröhndrich |
Schattenriss , Eltern mit Kind. Das Kind ist in der Mitte und wird an beiden Armen von jeweils einem Elternteil gehalten
Therapeuten empfehlen, auch jetzt sollte das vereinbarte Umgangsmodell eingehalten werden (imago/photothek)
Freitagnachmittag kommen die Kinder zum Vater und seiner Freundin, – eine Woche später geht es zurück zur Mutter. Das ist das Umgangsmodell einer Berliner Familie – und das gilt auch trotz der Pandemie.
"Dieses Wechselmodell haben wir auch in Coronazeiten beibehalten – und es gab für uns keinen Grund, das zu diskutieren, und von daher wechseln wir nach wie vor ohne Unterbrechung weiter."
Doch so ist es nicht in allen Familien, sagt etwa Klaus-Peter Völlmecke – er ist stellvertretender Leiter des Amtes für Jugend, Kinder und Familie der Stadt Köln.
"Wir haben die Beobachtung, dass sich vereinzelt dann doch Elternteile melden, die beklagen, dass das Umgangsrecht vom anderen Elternteil nicht eingehalten wird...Die Einzelfälle, die sich bei uns melden, da ist deutlich, dass Corona mit als Vorwand genommen wird, den Umgang auszusetzen."
Zulässig ist das nicht, darauf weist Tülay Kocer hin, sie ist Fachanwältin für Familienrecht in einer Kanzlei in Leverkusen. Das Umgangsrecht in Coronazeiten sei juristisches Neuland – grundsätzlich gelte aber: Kinder haben Recht auf den Umgang mit beiden Elternteilen. Bisher vereinbarte Umgangstermine sollten trotz Ausgangsbeschränkungen beibehalten werden, allerdings gebe es auch Ausnahmen.
"Hierzu zählen beispielsweise eine nachgewiesene Infektion des anderen Elternteils oder aber einer anderen Person im Haushalt des Elternteils, Symptome, die aufgetaucht sind bei einem Elternteil, eine akute Erkältung des Elternteils."
Coronavirus
Coronavirus (imago / Science Photo Library)
Rechtsweg derzeit schwierig, da auch Familiengerichte eingeschränkt arbeiten
Dann kann der Umgang befristet ausgesetzt werden, die Angst allein vor einer Ansteckung gehöre nicht dazu, betont die Anwältin. Doch was, wenn der Umgang trotzdem verweigert wird? Dann können sich Eltern auch an die Familiengerichte wenden. Die Familientherapeutin Gesine Götting leitet die Erziehungsberatungsstelle im Landkreis Peine und ist – was diesen Weg angeht – allerdings eher skeptisch:
"Hier muss man auch noch dazu sagen, dass die Familiengerichte und die Anwälte im Moment die Tätigkeit sehr stark zurückgefahren haben – so dass für die Eltern auch kaum eine Möglichkeit besteht, den Rechtsweg zu gehen ist schwierig."
Gesine Götting versucht in ihren Gesprächen zu vermitteln, sie rät Eltern dazu, Routine nicht zu verändern.
"Je nachdem, wie alt das Kind ist: Wenn das Kind noch im Bindungsaufbau ist, das heißt in den ersten Lebensjahren, dann ist das fatal, wenn eine wochenlange Unterbrechung stattfindet, dann ist auch zu verstehen, dass das Elternteil, das das Kind nicht sehen darf, ohnmächtig und verzweifelt ist. Da sind auch sehr heftige Gefühlsregungen, mit denen wir in der Beratung zu tun haben."
Ein Mädchen allein im Treppenhaus 
Save the Children - "Für manche Kinder ist Schule der einzige sichere Ort"
Für viele Jugendliche und Kinder sei ihr Zuhause auch vor der Coronakrise kein sicherer Ort gewesen, sagte Susanna Krüger, Geschäftsführerin der Organisation "Save the Children", im Dlf. Die momentane Situation verschlimmere das.
Unterhaltsansprüche bestehen auch in Krisenzeiten grundsätzlich weiter
Zugleich beobachtet die Therapeutin einen stärkeren Beratungsbedarf. Eltern seien verunsichert – dürfen sie noch von einem Bundesland ins andere reisen?
"Bestimmungen der Länder sind auch nicht einheitlich, auch da gibt es Verunsicherung bei Eltern. Manchmal wird nicht explizit gesagt, ob nur sorgeberechtigte Eltern ihre Kinder sehen dürfen ober ob das auch für die nur umgangsberechtigten Mütter und Väter gilt. Ist sowieso ein konflikthaltiges Arbeitsgebiet – und die Konflikte sind nicht weniger geworden, wenn die Nerven bei allen blank liegen."
Familienanwältin Kocer sagt, die Ausgangsbeschränkungen der einzelnen Bundesländer stehen dem Umgangsrecht nach ihrer Auffassung nicht entgegen.
Probleme kann es auch mit der Unterhaltungszahlung geben, etwa wenn das zahlende Elternteil den Job verliert, keine Einnahmen mehr hat - oder in Kurzarbeit rutscht. Doch einfach den Unterhalt kürzen, gehe nicht sagt, die Anwältin Kocer:
"Grundsätzlich bestehen Ansprüche auch in Krisensituationen weiter – eine nur vorübergehende Einkommensminderung für einige Monate dürfte nicht dafür ausreichen für eine Aussetzung oder Kürzung. Eine Abänderung eines Unterhaltstitels dürfte nur bei einer dauerhaften Einkommensminderung erfolgreich sein, momentan kann die Dauer der wirtschaftlichen Krise nicht eingeschätzt werden."
Das Bundesfamilienministerin erklärt dazu auf Anfrage: Für schlechtere Zeiten müsse der unterhaltspflichtige Elternteil Rücklagen bilden und diese nun verbrauchen. Möglich sei auch eine Ratenzahlung – und die festgelegte Summe vom Jugendamt prüfen zu lassen. Und für den Unterhaltsbeziehenden gilt: Hat er die alleine Erziehungsverantwortung, kann er oder sie einen Unterhaltsvorschuss beantragen.