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Trierer Bistumsreform
Kampf um die Kirche im Dorf

Aus knapp 900 katholischen Pfarreien im Bistum Trier sollen 35 werden. Das sieht eine Strukturreform vor, die 2020 umgesetzt werden soll. Das territoriale Prinzip habe sich überlebt, sagen Bischof und Generalvikar. Kritiker sprechen von einer Zerstörung der Gemeinde und planen eine Klage in Rom.

Von Tonia Koch |
Pressekonferenz nach der vorletzten Vollversammlung der Synode im Bistum Trier: (v.l.) Manfred Thesing, Moderator, Pater Franz Meures, gesitlicher Berater der Synode, Bischof Dr. Stepahn Ackermann und Dr. Andre Uzulis, Kommunikationsdirektor Bistum Trier
Auf einen "Perspektivwechsel" hatten sich Laien, Kleriker und Ordensleute auf der Bistumssynode 2013 und 2016 verständigt. Foto: Pressekonferenz zur Synode im Jahr 2015 (imago images / Becker&Bredel)
Kirche neu denken, heißt für den Trierer Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg: "Die Menschen müssen wieder interessant für uns werden."
Das wirft die Frage auf, wer - wenn nicht Menschen - bisher für die katholische Kirche im Bistum Trier interessant war. "Perspektivwechsel" lautet jedenfalls das Schlüsselwort des Abschlussdokuments einer dreijährigen Bistumssynode. Laien, Kleriker und Ordensleute hatten zwischen 2013 und 2016 darüber beraten, was sich in Trier ändern sollte. Das Bistum präsentierte danach einen Strukturreformplan, der zum 1. Januar 2020 Dessen sichtbarste Auswirkung: die Zusammenlegungen von 887 Pfarreien und Pfarrei-Gemeinschaften zu 35 Großpfarreien. Damit schlägt der Trierer Bischof Stephan Ackermann einen Weg ein, der weiter geht als sämtliche strukturellen Reformansätze, die in den anderen deutschen Bistümern ausprobiert werden. Dazu Generalvikar von Plettenberg:
"Diese Struktur ist tatsächlich ein radikaler Wandel."
Radikale Strukturreform
Das heißt, es bleibt kein Stein auf dem anderen. Eine der Großpfarreien wird zum Beispiel Saarbrücken mit dann 100.000 Gläubigen. Geleitet werden die großflächigen Gebilde von Teams bestehend aus jeweils einem Pfarrer, zwei Haupt- und zwei Ehrenamtlichen, alle bestellt auf Zeit.
Die Strukturveränderung sei nicht nur radikal sondern zu radikal, argumentiert der Münchner Pastoraltheologe Andreas Wollbold. Die Menschen suchten nach Heimat in ihrem Dorf, in ihrem Stadtteil, da wo sie lebten und Kirche sollte ein Teil davon sein.
Wollbold sagt: "Kirche muss nah bei den Menschen sein, sonst wird sie aus ihrem Horizont entschwinden. Genau das ist die Gefahr bei der Reform des Bistums Trier."
Reformbefürworter halten dagegen, dass sich das territoriale Prinzip überlebt habe. Die Menschen fühlten sich nicht mehr daran gebunden und suchten sich kirchlich motivierte Angebote je nach Interessenlage gezielt aus. Kirche als Ort müsse daher neu definiert werden, als Möglichkeit der Begegnung, der Zusammenarbeit, so Graf von Plettenberg.
Er sagt: "Die Pfarrei baut sich von den einzelnen Orten von Kirche her auf, das heißt von den kirchlichen Gruppierungen. Die können sehr klein sein. Da wollen wir den Schwerpunk drauf legen, dass diese Gruppieren sich weiter entwickeln, sie weiter verlebendigen."
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann auf der Pressekonferenz der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda zur Vorstellung der Studie über Missbrauch in der Kirche.
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann (dpa / Arne Dedert)
Und zwar mit einem klaren Ziel.
Plettenberg: "Unser Augenmerk sollte aber auch zunehmend auf die Menschen gehen, die wir aus dem Blick verloren haben, für die wir die fernstehende Kirche sind."
"Was wir gerade mühsam aufgebaut haben, wird zerstört"
Viele derjenigen, dies sich bislang bereits in den Pfarreien engagiert haben, fühlen sich von der Bistumsleitung links liegen gelassen. Harald Cronauer meint:
"Die Gemeinde wird zerstört. Das was wir gerade mühsam aufgebaut haben, wo wir dabei sind, viele Aktionen wieder zur Kirche zu bringen, wird zerstört, einfach weggeputzt."
Cronauer ist Jurist und Sprecher der Initiative Kirchgemeinde vor Ort. Ehrenamtliche aus dem gesamten Bistum gehören ihr an. Sowohl in der jüngsten Umfrage der Initiative als auch in einer Befragung des Bistums beurteilt weit über ein Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die geplante Reform als überwiegend negativ. Vor allem die Tatsache, dass der Trierer Bischof überall neue Leute hinsetze ohne danach zu schauen, wo es vielleicht bislang gut gelaufen ist, sorgt für Unmut. Harald Cronauer sieht keinen Nutzen in dem von Trier verordneten Zwei-Klassen-System beim geistlichen Personal:
"Es wird ja nur noch 35 Pfarrer geben, die anderen sind Freiwild, die sind Priester, die wie jeder Patoralreferent oder Kaplan im ganzen Bistum rundgeschickt werden können. Da gibt es keinen Schutz. Nach dem Kirchenrecht ist nur der Pfarrer geschützt gegen die Willkür des Bischofs."
Initiative will in Rom klagen
Es muss nicht so kommen. Für etwa 250 Priester, die durch die Reform von Verwaltungsaufgaben entbunden würden, ergäben sich viel mehr Spielräume, wendet das Bistum ein. Aber ob diese künftig auch genutzt würden, wenn ihre Eigenverantwortung derart beschnitten wird, sei fraglich, glaubt der Theologe Andreas Wollbold.
"Man sollte dafür sorgen, dass es auch weiterhin überschaubare Einheiten gibt mit möglichst reduziertem bürokratischen Anforderungen, sodass auch der, der kein Verwaltungsgenie ist, aber ein guter Seelsorger, da auch wirken kann, und auch Letztverantwortung hat. Das wird ihm weggenommen und wird auf Dauer viele Priester demotivieren."
Trier habe - so die Initiative - eine reine Strukturreform auf die Schiene gesetzt und die inhaltlichen Vorgaben der Synode außer Acht gelassen. Deshalb will sie gegen das Mitte Oktober in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der Synode in Rom Klage einreichen.