Die Erdnuss-Verkäuferin muss ihre Ware laut anpreisen - denn es sind nur wenige Menschen unterwegs in den engen und schmalen Gassen von Trinidad an diesem Morgen. Es ist Sonntag. Da geht alles noch viel gemächlicher zu in diesem Städtchen zwischen Karibischem Meer und Sierra del Escambray, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.
Kein Berufsverkehr. Keine Schüler. Und nicht so viele fliegende Händler wie an Wochentagen.
Da sind die Tierfreunde fast unter sich - die Trinitarios, die mit ihrem Hund Gassi gehen oder ihren Vogel ausführen.
In Trinidad werden die gefiederten Freunde ausgeführt - mitsamt Käfig selbstverständlich. Sonst könnten sie ja davonfliegen. Und die besten Sänger singen hier sonntags um die Wette - und bescheren ihren Besitzern unter Umständen einen schönen Nebenverdienst.
Die alte Kolonialstadt Trinidad, die ihr Gesicht und ihren Charme über fünf Jahrhunderte zu bewahren vermochte, ist so etwas wie Kubas Vogel-Hauptstadt. Und das hat sich bis in den entferntesten Winkel der Insel herumgesprochen.
"Se pasa sin jaula por las calles de Trinidad" - "Er spaziert ohne Vogelkäfig durch die Straßen von Trinidad," sagen die Kubaner, wenn sie der Meinung sind, dass einer ihrer Landsleute etwas völlig Abwegiges tut.
Touristen sind vor allem Tagesausflügler
In puncto Vögel ist das Abwegige in Trinidad völlig normal. Ein Leben ohne Singvögel - das ist in Trinidad völlig unvorstellbar.
Und ein Leben ohne Touristen auch nicht - wobei die Touristen einträglicher sind. Die wenigsten verbringen ihren Urlaub hier. Zumeist sind es Tagesausflügler, die auf einer Rundreise durch Kuba einen Abstecher nach Trinidad machen. Darunter immer mehr Deutsche.
"Wir waren fünf Tage in Havanna dann in den Bergen im Westteil, dann durchs Zentrum runter bis Cienfuegos, und jetzt sind wir in Trinidad. Traumhaft!"
Trinidad - das ist ein Traum in pastellfarben: zartes Gelb, Hellblau, Hellgrün, Rosa - Häuschen, wie von einem Maler auf eine Leinwand dahingetupft. Hohe Fenster mit kunstvoll gestalteten schmiedeeisernen Gittern davor. Prächtige Paläste und Villen, die einst die Zuckermagnaten errichteten - damals, als mit Zuckerrohr, Tabakanbau, Viehzucht und nicht zuletzt Sklavenhandel viel Geld zu verdienen war.
"Man fühlt sich hier in Trinidad wirklich wie im 19. Jahrhundert oder Ende des 18. Jahrhunderts. Es ist eine Architektur, die total anders ist als in anderen Städten Kubas. Also das ist eine richtige karibische Kolonialstadt."
Privatisierung der Fremdenverkehrswirtschaft
Eine karibische Kolonialstadt mit Original-Kopfsteinpflaster, das zum Teil als Schiffsballast aus Boston in Neuengland nach Kuba gekommen sein soll. Mit windschiefen Telefonmasten - die es immer wieder mit karibischen Wirbelstürmen aufnehmen müssen.
Und mit Bewohnern, die es verstehen aus der Randlage der Stadt auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten das Beste zu machen. Früher als andere erkannten sie, dass es heute im Grunde nur eine lukrative Einnahmequelle gibt: den Tourismus. Dass der Staat allein nicht in der Lage ist, den Wünschen der Touristen gerecht zu werden und dass sich privates Engagement auszahlt. Das Wort wird vermieden, doch sie ist unübersehbar: die Privatisierung in der Fremdenverkehrswirtschaft.
"Ja, die Entwicklung läuft in die Richtung. Der Staat hat auch eingesehen durch die wirtschaftlichen Probleme, dass solche Sachen wichtig und nötig sind, als Ersatz, als Partner solche Möglichkeiten zur Verfügung zu haben."
Fördert der Staat heute Privatinitiative im Tourismus?
"Ja, langsam beginnt diese Entwicklung in Verbindung mit der Öffnung, den Schritten, die die kubanische Wirtschaft macht."
"Der Staat möchte auch seine Präsenz behalten, aber auch Möglichkeiten geben, damit sich alles friedlich zusammenwächst oder zusammenwachsen kann."
Private Angebote häufen sich
Reiseleiter Jaime, Mitarbeiter der Staatsfirma CUBATUR, ist der Ansicht, dass private Konkurrenz dem zuweilen etwas schwerfälligen staatlichen Tourismus ausgesprochen gut bekommt.
Kein Wunder, dass die "casas particulares" - die Privatquartiere bei Touristen immer beliebter werden. Im kleinen Trinidad hat man eine ziemlich große Auswahl an sehr ansprechenden Ferienwohnungen - und privaten Restaurants, der Paladares.
Manche Vermieter präsentieren ihre Quartiere mittlerweile im Internet als YouTube-Video-
Konkurrenz belebt das Geschäft.
Apropos Geschäft. Geschäfte machen können die Trinitarios jetzt nicht nur mit den für die Region typischen Stickarbeiten der Frauen, mit geflochtenen Hüten und Taschen, farbenprächtigen Bildern der zahlreichen Hobbymaler, und den üblichen Souvenirs von der Trachtenpuppe bis hin zum Che-Guevara T-Shirt.
Sogar ihre Häuser dürfen sie heute veräußern - was lange nicht gestattet war.
Pracht und Prunk vergangener Tage
35.000 C.U.C. will die junge Frau, die durch das geöffnete Fenster Erfrischungsgetränke, Kaffee und Snacks verkauft, für ihr Haus im Stadtzentrum von Trinidad haben - was 35.000 US-Dollar entspricht. Durchaus preiswert also. Sie findet das mitnichten.
Denn wer kann schon so viel Geld locker machen in einem Land mit einem nach wie vor äußerst geringen Einkommensniveau! Die Kubaner haben gelernt, bescheiden zu leben.
Pracht und Prunk vergangener Tage sind heute in Trinidad im Museum zu besichtigen. In den zahlreichen Museen an der Plaza Mayor - dem schönsten Platz Kubas, wie manche meinen.
Vergleichsweise jung: die 1892 errichtete Pfarrkirche Iglesia de la Santísima Trinidad.
Der Gottesdienst ist gut besucht an diesem strahlenden Sonntagmorgen.
Vom etwas erhöhten Standort der Kirche aus bietet sich der beste Über-Blick über Trinidads Schmuckstück - die Plaza Mayor.
Das wirkliche Kuba
Prächtige Amphoren, kunstvoll verzierte Gaslaternen, eine Marmorstatue von Terpsichore, der Muse des Tanzes und des Gesangs, der kleine Park bewacht von bronzenen Hunden, an denen kaum ein Kind vorbeigeht ohne auf dem Rücken Platz zu nehmen - das ist die Plaza Mayor, eingerahmt von Herrenhäusern und Palästen der Zuckerbarone, die heute sehr sehenswerte Museen beherbergen.
Touristen, die nach Trinidad kommen, reiben sich die Augen. Diese malerische und im Zentrum außerordentlich gepflegte Museumsstadt, die seit 1989 als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO steht und im Jahre 2014 ihren 500. Geburtstag feiert, ist das wirklich Kuba - die "rote Insel" der Gebrüder Castro?
Eine Touristin, die gerade aus der Kirche kommt, bringt es auf den Punkt:
"Ich würde sagen, auf jeden Fall sind die Erwartungen übertroffen worden. Die Fotomotive einmalig, die Leute sehr freundlich und das sozialistische Regime nirgendwo angetroffen."