Nach zweijähriger Corona-Pause finden wieder Musikfestivals statt. Also nix wie hin mit Zelt, Schlafsack und Getränkevorräten. Doch die gehen bei warmen Temperaturen schnell zuneige – außer jemand hat eine Maschine dabei, die Wasser aus der Luft ziehen kann. Sie erinnert an eine Kühlbox mit Wasserspender, ähnlich wie bei einem Getränkeautomaten. Das Funktionsprinzip basiert auf einem Wärmetauscher, erklärt Anna Chernyavsky von der israelischen Firma Watergen: „Also wenn wir mal in die Physik gehen: Wir arbeiten mit Taupunkt-Temperaturen, es findet eine Kondensation der Luftfeuchtigkeit statt. Diese Technik wird schon in Klimaanlagen oder auch in Luftentfeuchtern genutzt.“
Schon die Maya verwandelten Luftfeuchte in Wasser
Anna Chernyavsky ist Vertriebsleiterin bei Watergen im israelischen Petah Tikva. 2009 gegründet, fing das Unternehmen mit Luftentfeuchtern an, in denen Wasser als Nebenprodukt anfiel. Zur Geschäftsidee, Trinkwasser aus der Luft zu gewinnen, war es dann nicht mehr weit. Schließlich wurde das Verfahren schon vor Jahrhunderten angewendet, sagt Chernyavsky: „Die Mayas und die Inka haben schon Nebelsammlung betrieben. Dafür spannten sie Netze an Bergen, an denen der Nebel kondensierte und Tröpfchen bildete. Die konnten dann ausgewrungen und als Trinkwasser benutzt werden.“
Natürlich genügte das so gewonnene Wasser nicht den Hygiene-Standards, die heute für Trinkwasser gelten. Die Maschine des israelischen Entwicklungs-Teams kann sie aber erfüllen – völlig unabhängig davon, wie sauber die Umgebungsluft ist.
Natürlich genügte das so gewonnene Wasser nicht den Hygiene-Standards, die heute für Trinkwasser gelten. Die Maschine des israelischen Entwicklungs-Teams kann sie aber erfüllen – völlig unabhängig davon, wie sauber die Umgebungsluft ist.
Pro Liter Wasser sind 0,2 Kilowattstunden Strom nötig
Die Luft gehe zuerst durch einen ein bis zweieinhalb Mikrometer feinen Filter - damit alle Verunreinigungen draußen bleiben, erklärt Anna Chernyavsky: "Die nächste Stufe ist dann der Wärmetauscher, der nur aus Polymeren besteht. Metall würde das Wasser verunreinigen. Fünf Liter können wir mit einer Kilowattstunde bekommen, für einen Liter braucht es also 0,2 Kilowattstunden. Das gewonnene Nass geht dann durch mehrere Filter, damit keine Bakterien oder Schadstoffe mehr enthalten sind. Und es wird mit Mineralstoffen angereichert.“
Konkurrierende Firmen in Deutschland scheiterten
In den 2010er Jahren gab es weltweit um die 100 Firmen, die Geräte mit ähnlicher Funktionsweise anboten – einige davon auch in Deutschland, etwa die Aqua Society GmbH aus Herten in Nordrhein-Westfalen. Heute existiert hierzulande keines dieser Unternehmen mehr. Zu den Gründen für die Einstellung des Geschäfts möchten sich die ehemaligen Belegschaften nicht äußern. Anna Chernyavsky, die für eins der rund 40 noch tätigen Unternehmen arbeitet, kann da nur mutmaßen.
„Ich denke, es gab drei Hauptgründe: Erstens gab es für die Wasserqualität keine Zertifikate von einer international anerkannten Organisation. Zweitens war der Energieverbrauch sehr hoch, oft höher als ausgewiesen. Und der dritte Grund war der Wirkungsgrad: Wir haben Geräte gesehen, die erst bei 65 Prozent Luftfeuchtigkeit richtig arbeiteten.“
„Ich denke, es gab drei Hauptgründe: Erstens gab es für die Wasserqualität keine Zertifikate von einer international anerkannten Organisation. Zweitens war der Energieverbrauch sehr hoch, oft höher als ausgewiesen. Und der dritte Grund war der Wirkungsgrad: Wir haben Geräte gesehen, die erst bei 65 Prozent Luftfeuchtigkeit richtig arbeiteten.“
Ein portables Gerät mit Akkubetrieb liefert bis zu 20 Liter pro Tag
Die israelische Firma Watergen ließ die Wasserqualität ihrer Kondensationsmaschinen deshalb durch die American Society of Sanitary Engineering zertifizieren. Außerdem schafften es die Experten, schon ab 20 Prozent Luftfeuchtigkeit und 15°C Umgebungstemperatur Wasser zu produzieren. Ein portables Gerät läuft mit 12-Volt-Akku und liefert bis zu 20 Liter Trinkwasser pro Tag. Für eine Gruppe Musikfans auf einem Festival mag das ausreichen, nicht aber für ein Dorf mit mehreren tausend Menschen. Da müssen Anlagen her, die jeweils so groß sind wie drei Waschmaschinen.
„Unser größtes Modell, das bis zu 6.000 Liter pro Tag liefern kann, arbeitet mit Drehstrom. Und der ist gerade in Entwicklungs- oder Schwellenländern wie Indien oder Afrika nicht immer oder gar nicht verfügbar. Wir haben dafür ein Modell geschaffen, das auch mit normalem Wechselstrom funktioniert. Es bringt immerhin 250 Liter am Tag.“
„Unser größtes Modell, das bis zu 6.000 Liter pro Tag liefern kann, arbeitet mit Drehstrom. Und der ist gerade in Entwicklungs- oder Schwellenländern wie Indien oder Afrika nicht immer oder gar nicht verfügbar. Wir haben dafür ein Modell geschaffen, das auch mit normalem Wechselstrom funktioniert. Es bringt immerhin 250 Liter am Tag.“
Camping-Plätze, Militär und Katastrophenhelfer sind Kunden
Allerdings haben die Geräte auch ihren Preis. Das portable Modell kostet umgerechnet rund 3700 Euro, das größte ca. 140.000 Euro. In Entwicklungsländern stehen deshalb und aufgrund lückenhafter Energieversorgung noch die wenigsten Maschinen. Sehr beliebt sind sie laut Watergen etwa auf Campingplätzen, bei Feuerwehren, Armeen und auch in Büroparks. Eine größere Stadt könnte die Technik noch nicht flächendeckend speisen. Energieverbrauch und Ertrag stünden dann in keinem Verhältnis – zumindest Stand heute. Aber die Forschung zeigt wegen der aktuellen Klimaentwicklungen großes Interesse an der Trinkwassergewinnung aus Luft – und testet unter anderem erste Versuchsanlagen, die dank cleverer Beschichtungen ohne Strom auskommen sollen.
Die Atmosphäre als unerschöpfliche Wasserquelle
Das Potenzial der Technik sei enorm, betont Anna Chernyavsky: „Wenn Sie alle Süßwasserseen der Welt zusammennehmen und das Ganze mit Zweieinhalb multiplizieren – dann kommen Sie auf die Menge Wasser, die jährlich in die Atmosphäre verdunstet. Das sind 505.000 Kubikkilometer – und durch den Wasserkreislauf ist es eine unerschöpfliche Quelle, die bislang kaum genutzt wird.“