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Trisomie-21-Bluttest auf Krankenkassenkosten?
"Wir leben in einer wertepluralen Gesellschaft"

Soll der Bluttest auf Down-Syndrom zu einer regulären Kassenleistung werden? Für den Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, geht es dabei vor allem um die Frage, wie die Gesellschaft mit Menschen mit Behinderung umgehen soll. "Ein Leben mit einem Menschen, der nicht der Normalvorstellung entspricht, kann sehr wohl ein lebenswertes Leben sein", sagte er im DLF.

Peter Dabrock im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrates
    Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrates (Deutscher Ethikrat/Foto: Reiner Zensen)
    Tobias Armbrüster: Down-Syndrom – für viele werdende Eltern ist das ein Riesenthema. Kommt unser Kind völlig gesund zur Welt oder müssen wir mit einer Behinderung rechnen. Die medizinische Diagnostik kann Müttern und Vätern da inzwischen ziemlich genaue Antworten liefern, vor allem beim Down-Syndrom, auch Trisomie 21 genannt. Seit mehreren Jahren gibt es dazu einen relativ unkomplizierten Bluttest. Allerdings kostet der mehrere Hundert Euro, und er wird in den allermeisten Fällen nicht von der Krankenkasse übernommen. Das könnte sich jetzt bald ändern. Heute treffen sich in Berlin die Vertreter von Ärzten und Krankenkassen, um über diesen Bluttest zu beraten, und über die Frage, ob er mit aufgenommen werden soll in den Leistungskatalog der Kassen. Dabei geht es dann natürlich nicht nur um einen einfachen Bluttest, sondern sehr schnell auch um die Frage, was Medizin darf und was nicht. Am Telefon ist jetzt Professor Peter Dabrock, der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Schönen guten Morgen, Herr Dabrock!
    Peter Dabrock: Guten Morgen, Herr Armbrüster!
    Armbrüster: Wenn eine schwangere Frau wissen will, ob ihr Kind mit Behinderung zur Welt kommt, dann ist der Wunsch, das zu wissen, doch nur allzu verständlich, oder?
    Dabrock: Ja, das würde ich zunächst erst mal auch sagen. Wer will nicht ein gesundes Kind haben. Es wird zwar immer wieder kritisiert, dass man diesen Wunsch nicht haben darf, aber ich glaube, im Tiefsten wollen alle Eltern ein gesundes Kind haben. Das ist die eine Seite. Und die andere Seite ist, dass natürlich man dennoch ein Kind annimmt und es liebt, wenn es ihm nicht gut geht. Das ist die Erfahrung eigentlich aller Eltern, die ein krankes Kind mal gehabt haben.
    "Wir haben jetzt schon eine Quote von 90 Prozent"
    Armbrüster: Was ist dann das Problem mit diesem Test, mit diesem Bluttest, der Auskunft über das Risiko eines Down-Syndroms beim Embryo geben kann?
    Dabrock: Wenn man die Kritik derjenigen, die sich dagegen wenden, dass das eine reguläre Kassenleistung wird, anschaut, dann ist die Befürchtung da, dass ein Bluttest, der nicht invasiv ist, also bei dem nicht, wie bei den bisherigen Untersuchungen in die Frau eine Punktation durchgeführt wird, dass der noch mal die Schwelle senken könnte, dass man sozusagen einen TÜV auf Gesundheit, hier in dem Fall jetzt auf Trisomie, auf das Vorhandensein von Trisomie 21 und andere Trisomien durchführt.
    Armbrüster: Aber da ist ja durchaus was dran. Wenn das ein relativ unkomplizierter Test ist, und es ist tatsächlich, wenn ich das richtig sehe, nur ein kleiner Pieks in den Finger und ein Blutstropfen, der genügt, dann können wir davon ausgehen, dass dieser Test massenhaft durchgeführt wird, wenn die Krankenkassen ihn bezahlen, oder?
    Dabrock: Ja, davon wird man ausgehen können. Jetzt sind zwei Dinge zu berücksichtigen. Erstens ändert man, wenn man diesen Test nicht anbietet, die Intention der Frau, der Eltern, diese Auskunft bekommen zu wollen. Davon gehe ich mal aus, wenn ich mir das ganze Untersuchungsregime in einer Schwangerschaft anschaue, dem sich eigentlich fast alle Frauen unterziehen – dann könnte man da eher mit der Kritik ansetzen, dass die Frauen eben diesen Wunsch haben, das wissen zu wollen. Das ist sozusagen die eine Sache. Und die andere Sache ist dann eben, zu fragen, wie schaut es denn bisher aus? Auch da gibt es ja entsprechende Statistiken, die übrigens von den Kritikern selber bemüht werden, nämlich, dass wir jetzt schon den im Übrigen aus meiner Sicht auch bedauernswerten Umstand haben, dass bei einer Entdeckung einer Trisomie 21 neun von zehn Frauen oder Paaren sich entscheiden, das Kind nicht austragen zu wollen. Das heißt, wir haben jetzt schon eine Quote von 90 Prozent, wo Menschen sagen, das kann, das will ich nicht tragen. Und wenn man dann sagt, jetzt wird das noch mal so richtig schlimm, dann geht es – also ich sage noch mal ausdrücklich, ich bedaure das –, um diese zehn Prozent. Aber bei 90 Prozent soll man ja nicht sagen können, jetzt ist alles in Butter, und dann wird alles ganz schlimm.
    "Wie gehen wir als Gesellschaft mit Menschen mit Behinderung um?"
    Armbrüster: Ich glaube, Herr Dabrock, das müssen Sie noch mal genauer erklären. Was genau bedauern Sie da?
    Dabrock: Ich persönlich glaube, dass ein Leben mit einem Menschen, der nicht, sagen wir mal, der Normalvorstellung entspricht, sehr wohl ein lebenswertes Leben sein kann. Und ich glaube, dass hinter dieser ganzen Debatte, die wir gerade führen, vor allen Dingen die Debatte steht, wie gehen wir als Gesellschaft überhaupt mit Menschen mit Behinderung um, mit Menschen, die nicht sozusagen den Normalerwartungen entsprechen. Und das wird an dieser Fragestellung Trisomie 21 respektive Down-Syndrom beispielhaft durchexerziert. Und ich glaube, das wollen Menschen sich vom Leibe halten, und gleichzeitig – ich gebe das zu, ich finde das selbst verstörend –, zeigen aber auch viele Statistiken, dass insgesamt das Leben mit Menschen mit Behinderung sehr wohl eine hohe Akzeptanz in unserer Gesellschaft findet. Es gibt da so eine gewisse Diskrepanz, dass man sagt, man selbst möchte es von vornherein ausschließen, und gleichzeitig, wo man Leben mit Behinderung sieht und findet, ist man bereit, es zu unterstützen. Aber man muss beide Seiten sehen.
    "Wir leben in einer wertepluralen Gesellschaft"
    Armbrüster: Und wenn wir uns Ihre Haltung genauer ansehen, müssten Sie dann nicht eigentlich sagen, am besten, man würde einen solchen Test eben nicht von der Kasse bezahlen, vielleicht noch besser, man würde ihn einfach gar nicht zulassen und verbieten.
    Dabrock In einer idealen Welt wäre das vielleicht so. Aber wir leben ja in einer wertepluralen Gesellschaft. Und in einer wertepluralen Gesellschaft, auf der Ebene des Rechtsstaats muss man sich fragen, wenn man bestimmte andere Methoden zugelassen hat – im Übrigen, wenn, wie ich gerade betont habe, man durchaus die ethische Problematik dann sieht, dann muss man sich nach dem Gleichheitsgrundsatz fragen, ob es hinreichende Gründe gibt, eine andere Methode, die dasselbe Ziel verfolgt, nicht zuzulassen. Das ist, glaube ich, meines Erachtens an der Stelle die Frage, die sich der Ethiker und das Recht stellen muss. Und wenn man der Auffassung ist, dass man die Pränataldiagnostik zulässt, dann hat man eine hohe Beweislast, also die invasive pränatale Diagnostik zulässt, dann hat man eine hohe Beweislast zu sagen, warum man ausgerechnet die nicht-invasive Pränataldiagnostik nicht zulassen will, obwohl bereits die Quote bei, wie gesagt, aus meiner Sicht bedauerlichen 90 Prozent liegt, dass bei einer auch normalen Pränataldiagnostik es danach zu einer Abtreibung kommt.
    "Man wird diesen Test nicht kontextlos freigeben dürfen"
    Armbrüster: Könnte genau das denn für den Ethiker ein Grund sein, so etwas zu verbieten, dass man sagt, wenn wir diesen Test tatsächlich massenweise zulassen, dann wird das zu einer immens hohen Zahl von zusätzlichen Abtreibungen führen.
    Dabrock: Also erstens glaube ich nicht, dass es zu einer weiteren immens hohen Zahl an Schwangerschaftsabbrüchen führen wird. Zum Zweiten, das wird der Ethiker dann vielleicht schon der Politik mit auf den Weg geben, und das haben wir auch in unserer Stellungnahme zur Zukunft der genetischen Diagnostik im Deutschen Ethikrat so der Politik anempfohlen, wird man diesen nichtinvasiven Pränataltest gar nicht kontextlos freigeben dürfen, sondern er müsste immer begleitet werden von einer nachfolgenden Ultraschalluntersuchung. Er muss, da es sich um eine genetische Diagnostik handelt, von genau den Standards, die es eben nach dem Diagnostikgesetz gibt, begleitet werden, also, dass es Aufklärung, Diagnostik und individuelle Beratung jeweils gibt. Also es muss sozusagen prozedural begleitet werden und nicht diesen Test sozusagen kontextlos auf den Markt werfen. Aber das ist, glaube ich, auch nicht, auch nach der Auskunft der Firma, die Intention.
    Armbrüster: In Berlin beginnen heute intensive Beratungen über einen umstrittenen Bluttest zur Diagnose von Down-Syndrom bei ungeborenen Embryos. Wir sprachen darüber mit Professor Peter Dabrock, dem Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates. Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Dabrock, heute Morgen!
    Dabrock: Vielen Dank, Herr Armbrüster!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.