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Trittin fordert stärkere Aufforstung in Auen und Wäldern

Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat sich für eine stärkere Aufforstung in den Auen und im Hochgebirge ausgesprochen, um die Menschen stärker vor Hochwasser zu schützen. Die Rückhaltefähigkeit der Landschaft müsse angesichts des Klimawandels verbessert werden, sagte der Grünen-Politiker. Nach wie vor gebe es eine große Versiegelung der Erde in der Nähe von Flüssen.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Es vergeht kaum ein Jahr mehr ohne ein großes Hochwasser, so scheint es jedenfalls. An der Donau und Isar in diesem Jahr, an der Donau werden die Rekordstände erst für den heutigen Tag erwartet, an der Elbe, an der Oder oder am Rhein. Woran liegt das? Am Telefon begrüße ich Bundesumweltminister Jürgen Trittin von Bündnis 90/Die Grünen. Guten Morgen, Herr Trittin.

    Jürgen Trittin: Guten Morgen.

    Meurer: Ist das nur jetzt ein subjektiver Eindruck oder häufen sich tatsächlich die Fluten?

    Trittin: Nein, Sie können immer die Jahre verfolgen, dass die Zahl, das heißt die Häufigkeit von Hochwassern aber auch die Wasserstände und die Schnelligkeit von Hochwasserwellen insgesamt zugenommen haben. Das hat sehr viel damit zu tun, dass wir eine insgesamt feuchtere Luft haben. Das wird von Experten darauf zurückgeführt, dass es hier eben wir im Klimawandel mitten drin sind. Diese Häufung von Starkregen und Starkwetterereignissen hat ganz viel mit der Klimaveränderung zu tun. Insofern ist das, was Sie subjektiv empfinden, durchaus durch Messungen und Statistiken belegbar: mehr und stärkere Hochwasser als Folge von extremeren Wetterereignissen.

    Meurer: Spielt der Klimawandel sogar beim Hochwasser eine größere Rolle, als der Einfluss des Menschen, der die Flüsse begradigt und verhindert, dass die Flüsse auf natürlichem Wege die Ufer überschwemmen können?

    Trittin: Das andere, das verstärkt dann die Folgen von solchen Entwicklungen. Aber wir haben es ja hier sehr stark gerade mit Gebirgsflüssen zu tun. Hier ist, und das ist ja gerade Gegenstand der diversen Hochwasseraktionspläne, die unter anderem als Folge des Hochwassers 1999, aber auch in Umsetzung des Hochwasserschutzgesetzes vom letzten Jahr, die dazu dienen sollen, hier die Rückhaltefähigkeit von Landschaften zu erhöhen. Das setzt zum Beispiel voraus, dass in Hochgebirgslagen, beispielsweise der Schweiz und Österreich - ein Teil des Wassers, was da durch bayerische Städte geflossen ist, kommt aus diesen Ländern - eben gerade so etwas wie Mischbewaldung und ähnliches aufrecht erhalten und weiter ausgebaut wird, weil solche Flächen halten Wasser zurück und können Hochwasserspitzen - und wir reden hier nur von den Spitzen - mildern.

    Meurer: Warum sind Mischwälder so wichtig?

    Trittin: Nun, anders als Monokulturen verfügen sie tatsächlich über eine Rückhaltefähigkeit, die beispielsweise gegenüber einer glatten Wiese, auf der man zwar Ski fahren kann, aber genauso wie der Skifahrer schneller zu Tal kommt, kommt auch das Wasser schneller runter.

    Meurer: Werden die Sünden auch in Bayern gemacht?

    Trittin: Ich habe den Eindruck, dass Bayern auch aus dem Jahre 1999 sehr energisch Konsequenzen gezogen hat. Da wird seit geraumer Zeit sehr viel Geld in die Hand genommen, auch und gerade für den vorbeugenden Hochwasserschutz. Und wenn man sieht, wie dieser Tage dort mit der Feuerwehr und mit den vielen und unzähligen Freiwilligen dann auch auf die akute Aktion reagiert wurde, dann würde ich sagen, im Großen und Ganzen sind die Bayern in ihrem Gebiet in der Umsetzung der Hochwasseraktionspläne auf dem richtigen Weg.

    Meurer: Das heißt, sie teilen nicht den Vorwurf, der von SPD und Grünen in München in der Opposition erhoben wird, Edmund Stoiber habe im Hochwasserschutz den Rotstift angesetzt und jetzt könne man die Konsequenzen besichtigen.

    Trittin: Sie müssen mir nachsehen, dass ich nicht jedes Detail der Landespolitik nachvollziehen kann. Aber in der Grundausrichtung waren sich Bund und Ländern einig, man muss, wenn man solche Aktionen, wenn man weiß, dass es diesen großen und Häufung von entsprechenden Ereignissen gibt, dann muss man darauf vorbereitet sein. Vorbereitet sein heißt insbesondere, die Rückhaltefähigkeit von Landschaft zu erhöhen. Das sind Entsiegelungsmaßnahmen, das ist in den Flachländern auch die Notwendigkeit, auch Wälder neu wieder entstehen zu lassen, und das ist die Notwendigkeit, im Einzugsgebiet beispielsweise von Flüssen zum Beispiel keine neuen Skiarenen auszuweisen, wie das übrigens leider in Tirol passiert ist.

    Meurer: Inwieweit ist das besser geworden mit der Versiegelung von Landschaften und der Betonierung von Flüssen?

    Trittin: Nun insgesamt haben wir es nach wie vor damit zu tun, dass in Deutschland über den Daumen noch immer fast 90 Hektar jeden Tag versiegelt werden. Wir reden hier insbesondere von Flächen unmittelbar im Bereich von Flüssen. Wir haben mit dem vorbeugenden Gesetz zum vorbeugenden Hochwasserschutz eine strikte Regel durchgesetzt - in Einzugsgebieten von Flüssen, in potenziellen Überschwemmungsgebieten dürfen in Deutschland künftig keine Neubaugebiete mehr ausgewiesen werden, denn das war eine der am härtesten umstrittenen Regelungen dieses Gesetzes. Am Ende haben wir uns damit durchgesetzt. Und wer dieser Tage die Kamerabilder sieht, von Häusern in Überschwemmungsgebieten, der weiß, dass man recht daran getan hat, hier für dieses Stück Entsiegelung und für diesen Schutz von Menschen zu sorgen.

    Meurer: Was muss denn außer Bauverboten noch geschehen?

    Trittin: Ich glaube, dass wir insgesamt im Bereich der Land- und der Waldwirtschaft darauf achten müssen, dass die ganzen Fragen von möglichen Erosionen, von Abflussgeschwindigkeiten in der Landschaftsplanung entsprechend berücksichtigt werden müssen. Dieses, Wiederherstellung von Auwäldern, Wiederherstellung von Wäldern gerade in Hochgebirgslagen, das ist das A und O in diesem Bereich.

    Meurer: Es gibt ja ein Hochwasserschutzgesetz, das in Berlin verabschiedet worden ist, von dem hieß es einmal, es sei von den Ländern verwässert worden. War das so? Oder sind Sie mit dem Gesetz, wie es zustande gekommen ist, zufrieden?

    Trittin: Mit den Kernpunkten bin ich überaus zufrieden. Wir haben an der Stelle in der Tat dafür gesorgt, dass sowohl mit Blick auf die Landwirtschaft aber insbesondere auf die Siedlungsentwicklung und der Pflicht, tatsächlich Hochwasseraktionspläne zu entwickeln entlang eines jeden Flusses, die Verantwortlichen da in die Pflicht genommen worden sind. Das war eine harte Auseinandersetzung. Am Ende haben aber die Länder mit großer Mehrheit zugestimmt, übrigens außer Bayern. Bayern hat schlicht und ergreifend dem Bund die Kompetenz für solches Gesetz bestritten. Da schüttelt man natürlich den Kopf, wenn man weiß, dass Flüsse nicht nur Ländergrenzen überschreiten, sondern auch Staatengrenzen.

    Meurer: Wäre das dann doch Ihr Vorwurf an die Adresse der Bayerischen Staatsregierung?

    Trittin: Gar nicht die Zeit, an dieser Stelle irgendwelche Vorwürfe zu machen. Am Ende ist der Akt, das Hochwasserschutzgesetz durchgekommen. Den wesentlichen Regelungen im Einzelnen hat Bayern auch zugestimmt. Und wie gesagt, Bayern ist dabei, seine Hochwasseraktionspläne tatsächlich umzusetzen.