Dirk-Oliver Heckmann: Nach Jahrzehnten des Stillstands und der Dauerblockade um ein zukünftiges Lager für hoch radioaktiven Atommüll schien die Kuh endlich vom Eis. Ende April nämlich stellte sich CDU-Umweltminister Peter Altmaier mit dem Ministerpräsidenten Niedersachsens, Stephan Weil von der SPD, nach zähen Verhandlungen vor die Presse und verkündete den historischen Kompromiss. Heute wird der entsprechende Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht, doch das Projekt könnte noch kippen.
In Berlin erreichen wir Jürgen Trittin, den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion und Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen. Schönen guten Morgen, Herr Trittin.
Jürgen Trittin: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Herr Trittin, auch die Bündnis-Grünen, die hatten ja dem Bund-Länder-Kompromiss von Ende April zugestimmt, darunter auch der grüne Koalitionspartner in Niedersachsen. Jetzt stellen sie ihre Zustimmung infrage. Sieht so aus Ihrer Sicht grüne Verlässlichkeit aus?
Trittin: Ja, wir sind hoch verlässlich. Wir sind für ein Endlager-Auswahlgesetz. Dieses Endlager-Auswahlgesetz, was jetzt Standort-Auswahlgesetz heißt, ist im Kern ein Gesetzentwurf, den ein Bundesumweltminister Jürgen Trittin mal vor zehn Jahren auf den Weg gebracht hat. Es gäbe also keinen Grund, gegen ein solches Gesetz zu stimmen. Voraussetzung ist allerdings, dass das, was verabredet wird, auch eingehalten wird, und dazu gehört ganz klar: es muss rechtssicher sichergestellt sein, dass die Kosten der Endlagerauswahl nicht beim Steuerzahler landen, sondern bei den Verursachern. Dazu gehört: es muss Rechtssicher sichergestellt werden, dass es keine Enteignungen am Standort Gorleben gibt, und es muss rechtssicher festgestellt werden und sichergestellt sein, dass es ins Transportbehälter-Zwischenlager in Gorleben keine Transporte gibt. Das ist die Bringschuld, die Herr Altmaier zugesagt hat, und wir erwarten nichts anderes, als dass er das, was er zugesagt hat, auch einhält.
Heckmann: Aber, Herr Trittin, dass keine Transporte mehr nach Gorleben stattfinden sollen, das ist Ihnen doch bereits fest zugesagt von Peter Altmaier. Weshalb sind Sie da so misstrauisch?
Trittin: Ich bin nicht misstrauisch, sondern ich betrachte einfach die Rechtslage und die Rechtslage sieht so aus, dass bis zum heutigen Tag die Betreiber einen Rechtsanspruch auf Verbringung nach Gorleben haben. Herr Altmaier hat es bisher nicht geschafft, ihnen diesen Rechtsanspruch abzuverhandeln. Das wäre die eine Möglichkeit.
Die andere ist: Dieser Rechtsanspruch wird ihnen durch Gesetz entzogen. Dann muss dieses Gesetz geändert werden. Das sind die beiden Möglichkeiten, vor denen wir heute stehen. Ich bin sicher, wir werden zu der einen oder der anderen Lösung kommen. Dennoch bleibt eben offen: vor einer endgültigen Verabschiedung dieses Gesetzes müssen diese Fragen geklärt werden. Das ist nichts anderes, als dass wir darauf beharren, dass das, was im April verabredet worden ist, auch gemeinsam umgesetzt wird. Also es ist an der Zeit von Herrn Altmaier, hier seine Hausaufgaben zu machen.
Heckmann: Es wurden weitere Einwände vorgebracht, beispielsweise von Stefan Wenzel, Ihrem Parteifreund, stellvertretender Ministerpräsident in Niedersachsen und dort auch Umweltminister. Der hat gesagt, die Zeit für die Erkundung unter Tage bis 2031, wie es jetzt dieses Gesetz vorsieht, die sei viel zu kurz. Aber das ist doch kein Grund, zumindest anzufangen, und außerdem hatte man diesem Kompromiss doch zugestimmt.
Trittin: Ich muss auch ganz ruhig sagen, ich glaube, dass 2031 ein guter Zeitplan ist. Ich glaube, das ist der Zeitplan, wo wir versuchen müssen, tatsächlich zu einer Entscheidung zu kommen, weil dann sind die ersten oder die meisten Brennelemente lagerfähig. Solange müssen sie sowieso abkühlen. Also es bedarf auch keiner größeren Schnelligkeit.
Heckmann: Das heißt, Sie widersprechen gerade Ihrem Parteifreund Stefan Wenzel?
Trittin: Im Übrigen bleibe ich ganz ruhig dabei. Niedersachsen hat das tiefste Interesse, dass dieses Gesetz verabschiedet wird. Wenn dieses Gesetz nicht verabschiedet wird, bleibt es ausschließlich bei Gorleben. Wenn dieses Gesetz nicht verabschiedet wird, kommen alle künftigen Transporte nach Gorleben. Dafür wird Niedersachsen kaum die Hand heben.
Heckmann: Die Frage ist jetzt, Herr Trittin: Was geschieht mit dem Atommüll, der ja aus den Wiederaufarbeitungsanlagen Sellafield und La Hague hergeschafft werden muss. Bisher hatten sich Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg ja bereit erklärt, diesen Müll zwischenzulagern. Weshalb sollten sich jetzt eigentlich unionsregierte Bundesländer noch bewegen? Es gibt ja jetzt schon Freiwillige.
Trittin: Ja weil der Platz in den beiden Ländern nicht ausreicht und weil wir noch gar nicht wissen, auf welchem Wege die Castoren aus Sellafield im Wesentlichen herkommen. Wenn sie über Frankreich zugeliefert werden und nicht auf dem Seeweg geliefert werden, dann bieten sich ja allein wegen Verkürzung der Transportwege süddeutsche Standorte an. Dann gibt es einen Beitrag von Baden-Württemberg. Aber das reicht nicht aus und folglich wird man entweder dann in Hessen oder in Bayern einen Standort suchen müssen. Ich halte das auch für völlig selbstverständlich, diejenigen, die über Jahrzehnte hinweg darauf gedrungen haben, dass möglichst viel Atommüll produziert wird, können sich jetzt nicht aus der Verantwortung stehlen. Das ist die Grundvoraussetzung, die wir an diesen Konsens legen, und das sage ich als Mitglied einer Partei, die nun dezidiert nicht dafür die Verantwortung trägt, dass in Deutschland eine Tonne Atommüll transportiert worden ist, weil wir waren gegen den Einstieg in diese Technologie. Wir finden trotzdem, dass man sich aus seiner Verantwortung für die Beseitigung des gefährlichsten Mülls der Welt nicht davonstehlen kann, insbesondere wenn man sich so verhalten hat wie Herr Seehofer und Herr Bouffier.
Heckmann: Herr Trittin, trotzdem wirkt es ja so ein bisschen wie ein parteipolitisches Klein-Klein. Peter Altmaier bringt ein sachliches Argument und sagt, küstennahe Standorte …
Trittin: Das können Sie aber nicht den Grünen vorwerfen. Die Grünen haben in ihren Ländern als Erste sehr nachdrücklich gesagt, wir können da Dinge aufnehmen und wir machen das, und wir erwarten diese Selbstverständlichkeit von allen anderen auch. Wenn andere sich aus parteipolitischen Gründen verweigern, dann sollten Sie das den anderen zuschreiben und nicht den Grünen.
Heckmann: Na ja, das wirkt ja auch so ein bisschen vonseiten der Grünen parteipolitisch. Peter Altmaier, der sagt, bei dem Rücktransport dieses Atommülls seien küstennahe Standorte am besten und man soll den Seeweg nutzen, um den Transportweg möglichst kurz zu halten. Da wirkt es doch ein bisschen so, dass die Grünen sagen und die SPD, die CDU-Länder müssen auch mit ins Boot, die müssen auch mit einen Teil der Last tragen. Ist das nicht ein bisschen parteipolitisches Klein-Klein?
Trittin: Noch mal: nicht bei uns! Wir haben gesagt, wenn was zum Beispiel über den Seeweg kommt, dann wird ein Teil in Brunsbüttel untergebracht werden. Das haben die Grünen gesagt, das haben übrigens die Grünen in Schleswig-Holstein auf einem kleinen Parteitag so beschlossen. Wir fragen unsere Leute, bevor wir solche Entscheidungen machen. Wir erwarten die gleiche Bereitschaft von jedem anderen Land, egal von wem es regiert wird, wenn es dort ist. Das ist der Kern dessen. Und parteipolitisches Klein-Klein und Verantwortungslosigkeit wird hier nur von der rechten Seite des politischen Spektrums demonstriert, jener rechten Seite, die über Jahrzehnte hinweg für die Produktion des Atommülls eingetreten ist und sich jetzt aus standortbornierten parteitaktischen Motiven davor wegducken will. Grüne wollen und werden ihren Beitrag zur Lösung dieses Problems erbringen.
Heckmann: Ihre Partei, die Grünen, Herr Trittin, sind ja strikt gegen Gorleben als Endlager. Dennoch haben Sie zugestimmt, dass Gorleben im Topf bleibt. Wie groß ist die Gefahr aus Ihrer Sicht, dass Sie sich über den Tisch haben ziehen lassen?
Trittin: Ich habe diesen Gesetzentwurf in seiner Grundkonstruktion selber mal entworfen. Ich bin der Auffassung, dass ein Ausschluss Gorlebens aus einem dieser Standorte rechtssicher nur in einem Vergleich auf Basis objektiver wissenschaftlicher Kriterien geschehen kann, nicht willkürlich durch Vorabfestlegung. Deswegen ist es richtig, auf einer weißen Landkarte ohne Ausschluss, aber auch ohne Vorfestlegung anzufangen und nach wissenschaftlichen Kriterien die Standorte auszuscheiden, die nicht geeignet sind, um dann zu vergleichen von denen, die geeignet sind, wer der beste ist. Und da bin ich ziemlich sicher, wird am Ende Gorleben nicht im Topf bleiben.
Heckmann: Sollten Sie und die SPD den Kompromiss jetzt doch ablehnen im Bundestag und dann auch im Bundesrat, dann wird es kein Endlager-Suchgesetz in dieser Legislaturperiode geben, und das heißt möglicherweise eine weitere Blockade um Jahre.
Trittin: Wir sind ja jetzt bei der ersten Lesung und wir sagen bei der ersten Lesung, was nötig ist, wenn man die zweite und dritte Lesung erfolgreich absolvieren will, wenn man eine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat haben will. Dafür ist Voraussetzung, dass das, was verabredet wird, auch eins zu eins umgesetzt wird, und dazu gehört, dass es keine Enteignung in Gorleben gibt, und dazu gehört, dass rechtssicher sichergestellt ist, dass es keine weiteren Transporte ins Transportbehälter-Zwischenlager in Gorleben gibt. Das ist so verabredet, und wenn das wie verabredet umgesetzt wird, dann wird es auch dieses Gesetz geben. Ich bin ganz zuversichtlich, dass das am Ende so sein wird.
Heckmann: Vor fast einem Jahr ist Peter Altmaier zum Umweltminister ernannt worden. Sie haben damals gesagt, Sie hätten ihn als harten schlitzohrigen, aber ergebnisoffenen Verhandler erlebt. Stehen Sie weiter zu dieser Aussage?
Trittin: Nun, er hat in einem Punkt etwas umgesetzt, was Grüne mal auf den Weg gebracht haben. Das finde ich gut, dass er das gemacht hat. In anderen Bereichen ist es gut, dass es andere Mehrheiten in Deutschland mittlerweile gibt. Der Versuch von Peter Altmaier, mit Herrn Rösler zusammen den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland zum Erliegen zu bringen, dieser Versuch einer Ausbaubremse, da ist er gescheitert, und das ist ein spektakulärer Rückschlag für jemand, der an dieser Stelle mit solcher Verve angetreten ist. Also es ist gut, dass in Deutschland mittlerweile so viele Länder von Grünen mitregiert werden, dass der Versuch des Zurückdrehens der Energiewende durch Herrn Altmaier gestoppt werden konnte.
Heckmann: Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion und Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin, war das live hier im Deutschlandfunk. Herr Trittin, danke Ihnen für das Gespräch und einen schönen Tag noch.
Trittin: Tschüß, Herr Heckmann!
Heckmann: Und die schlechte Leitung bitten wir zu entschuldigen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
In Berlin erreichen wir Jürgen Trittin, den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion und Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen. Schönen guten Morgen, Herr Trittin.
Jürgen Trittin: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Herr Trittin, auch die Bündnis-Grünen, die hatten ja dem Bund-Länder-Kompromiss von Ende April zugestimmt, darunter auch der grüne Koalitionspartner in Niedersachsen. Jetzt stellen sie ihre Zustimmung infrage. Sieht so aus Ihrer Sicht grüne Verlässlichkeit aus?
Trittin: Ja, wir sind hoch verlässlich. Wir sind für ein Endlager-Auswahlgesetz. Dieses Endlager-Auswahlgesetz, was jetzt Standort-Auswahlgesetz heißt, ist im Kern ein Gesetzentwurf, den ein Bundesumweltminister Jürgen Trittin mal vor zehn Jahren auf den Weg gebracht hat. Es gäbe also keinen Grund, gegen ein solches Gesetz zu stimmen. Voraussetzung ist allerdings, dass das, was verabredet wird, auch eingehalten wird, und dazu gehört ganz klar: es muss rechtssicher sichergestellt sein, dass die Kosten der Endlagerauswahl nicht beim Steuerzahler landen, sondern bei den Verursachern. Dazu gehört: es muss Rechtssicher sichergestellt werden, dass es keine Enteignungen am Standort Gorleben gibt, und es muss rechtssicher festgestellt werden und sichergestellt sein, dass es ins Transportbehälter-Zwischenlager in Gorleben keine Transporte gibt. Das ist die Bringschuld, die Herr Altmaier zugesagt hat, und wir erwarten nichts anderes, als dass er das, was er zugesagt hat, auch einhält.
Heckmann: Aber, Herr Trittin, dass keine Transporte mehr nach Gorleben stattfinden sollen, das ist Ihnen doch bereits fest zugesagt von Peter Altmaier. Weshalb sind Sie da so misstrauisch?
Trittin: Ich bin nicht misstrauisch, sondern ich betrachte einfach die Rechtslage und die Rechtslage sieht so aus, dass bis zum heutigen Tag die Betreiber einen Rechtsanspruch auf Verbringung nach Gorleben haben. Herr Altmaier hat es bisher nicht geschafft, ihnen diesen Rechtsanspruch abzuverhandeln. Das wäre die eine Möglichkeit.
Die andere ist: Dieser Rechtsanspruch wird ihnen durch Gesetz entzogen. Dann muss dieses Gesetz geändert werden. Das sind die beiden Möglichkeiten, vor denen wir heute stehen. Ich bin sicher, wir werden zu der einen oder der anderen Lösung kommen. Dennoch bleibt eben offen: vor einer endgültigen Verabschiedung dieses Gesetzes müssen diese Fragen geklärt werden. Das ist nichts anderes, als dass wir darauf beharren, dass das, was im April verabredet worden ist, auch gemeinsam umgesetzt wird. Also es ist an der Zeit von Herrn Altmaier, hier seine Hausaufgaben zu machen.
Heckmann: Es wurden weitere Einwände vorgebracht, beispielsweise von Stefan Wenzel, Ihrem Parteifreund, stellvertretender Ministerpräsident in Niedersachsen und dort auch Umweltminister. Der hat gesagt, die Zeit für die Erkundung unter Tage bis 2031, wie es jetzt dieses Gesetz vorsieht, die sei viel zu kurz. Aber das ist doch kein Grund, zumindest anzufangen, und außerdem hatte man diesem Kompromiss doch zugestimmt.
Trittin: Ich muss auch ganz ruhig sagen, ich glaube, dass 2031 ein guter Zeitplan ist. Ich glaube, das ist der Zeitplan, wo wir versuchen müssen, tatsächlich zu einer Entscheidung zu kommen, weil dann sind die ersten oder die meisten Brennelemente lagerfähig. Solange müssen sie sowieso abkühlen. Also es bedarf auch keiner größeren Schnelligkeit.
Heckmann: Das heißt, Sie widersprechen gerade Ihrem Parteifreund Stefan Wenzel?
Trittin: Im Übrigen bleibe ich ganz ruhig dabei. Niedersachsen hat das tiefste Interesse, dass dieses Gesetz verabschiedet wird. Wenn dieses Gesetz nicht verabschiedet wird, bleibt es ausschließlich bei Gorleben. Wenn dieses Gesetz nicht verabschiedet wird, kommen alle künftigen Transporte nach Gorleben. Dafür wird Niedersachsen kaum die Hand heben.
Heckmann: Die Frage ist jetzt, Herr Trittin: Was geschieht mit dem Atommüll, der ja aus den Wiederaufarbeitungsanlagen Sellafield und La Hague hergeschafft werden muss. Bisher hatten sich Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg ja bereit erklärt, diesen Müll zwischenzulagern. Weshalb sollten sich jetzt eigentlich unionsregierte Bundesländer noch bewegen? Es gibt ja jetzt schon Freiwillige.
Trittin: Ja weil der Platz in den beiden Ländern nicht ausreicht und weil wir noch gar nicht wissen, auf welchem Wege die Castoren aus Sellafield im Wesentlichen herkommen. Wenn sie über Frankreich zugeliefert werden und nicht auf dem Seeweg geliefert werden, dann bieten sich ja allein wegen Verkürzung der Transportwege süddeutsche Standorte an. Dann gibt es einen Beitrag von Baden-Württemberg. Aber das reicht nicht aus und folglich wird man entweder dann in Hessen oder in Bayern einen Standort suchen müssen. Ich halte das auch für völlig selbstverständlich, diejenigen, die über Jahrzehnte hinweg darauf gedrungen haben, dass möglichst viel Atommüll produziert wird, können sich jetzt nicht aus der Verantwortung stehlen. Das ist die Grundvoraussetzung, die wir an diesen Konsens legen, und das sage ich als Mitglied einer Partei, die nun dezidiert nicht dafür die Verantwortung trägt, dass in Deutschland eine Tonne Atommüll transportiert worden ist, weil wir waren gegen den Einstieg in diese Technologie. Wir finden trotzdem, dass man sich aus seiner Verantwortung für die Beseitigung des gefährlichsten Mülls der Welt nicht davonstehlen kann, insbesondere wenn man sich so verhalten hat wie Herr Seehofer und Herr Bouffier.
Heckmann: Herr Trittin, trotzdem wirkt es ja so ein bisschen wie ein parteipolitisches Klein-Klein. Peter Altmaier bringt ein sachliches Argument und sagt, küstennahe Standorte …
Trittin: Das können Sie aber nicht den Grünen vorwerfen. Die Grünen haben in ihren Ländern als Erste sehr nachdrücklich gesagt, wir können da Dinge aufnehmen und wir machen das, und wir erwarten diese Selbstverständlichkeit von allen anderen auch. Wenn andere sich aus parteipolitischen Gründen verweigern, dann sollten Sie das den anderen zuschreiben und nicht den Grünen.
Heckmann: Na ja, das wirkt ja auch so ein bisschen vonseiten der Grünen parteipolitisch. Peter Altmaier, der sagt, bei dem Rücktransport dieses Atommülls seien küstennahe Standorte am besten und man soll den Seeweg nutzen, um den Transportweg möglichst kurz zu halten. Da wirkt es doch ein bisschen so, dass die Grünen sagen und die SPD, die CDU-Länder müssen auch mit ins Boot, die müssen auch mit einen Teil der Last tragen. Ist das nicht ein bisschen parteipolitisches Klein-Klein?
Trittin: Noch mal: nicht bei uns! Wir haben gesagt, wenn was zum Beispiel über den Seeweg kommt, dann wird ein Teil in Brunsbüttel untergebracht werden. Das haben die Grünen gesagt, das haben übrigens die Grünen in Schleswig-Holstein auf einem kleinen Parteitag so beschlossen. Wir fragen unsere Leute, bevor wir solche Entscheidungen machen. Wir erwarten die gleiche Bereitschaft von jedem anderen Land, egal von wem es regiert wird, wenn es dort ist. Das ist der Kern dessen. Und parteipolitisches Klein-Klein und Verantwortungslosigkeit wird hier nur von der rechten Seite des politischen Spektrums demonstriert, jener rechten Seite, die über Jahrzehnte hinweg für die Produktion des Atommülls eingetreten ist und sich jetzt aus standortbornierten parteitaktischen Motiven davor wegducken will. Grüne wollen und werden ihren Beitrag zur Lösung dieses Problems erbringen.
Heckmann: Ihre Partei, die Grünen, Herr Trittin, sind ja strikt gegen Gorleben als Endlager. Dennoch haben Sie zugestimmt, dass Gorleben im Topf bleibt. Wie groß ist die Gefahr aus Ihrer Sicht, dass Sie sich über den Tisch haben ziehen lassen?
Trittin: Ich habe diesen Gesetzentwurf in seiner Grundkonstruktion selber mal entworfen. Ich bin der Auffassung, dass ein Ausschluss Gorlebens aus einem dieser Standorte rechtssicher nur in einem Vergleich auf Basis objektiver wissenschaftlicher Kriterien geschehen kann, nicht willkürlich durch Vorabfestlegung. Deswegen ist es richtig, auf einer weißen Landkarte ohne Ausschluss, aber auch ohne Vorfestlegung anzufangen und nach wissenschaftlichen Kriterien die Standorte auszuscheiden, die nicht geeignet sind, um dann zu vergleichen von denen, die geeignet sind, wer der beste ist. Und da bin ich ziemlich sicher, wird am Ende Gorleben nicht im Topf bleiben.
Heckmann: Sollten Sie und die SPD den Kompromiss jetzt doch ablehnen im Bundestag und dann auch im Bundesrat, dann wird es kein Endlager-Suchgesetz in dieser Legislaturperiode geben, und das heißt möglicherweise eine weitere Blockade um Jahre.
Trittin: Wir sind ja jetzt bei der ersten Lesung und wir sagen bei der ersten Lesung, was nötig ist, wenn man die zweite und dritte Lesung erfolgreich absolvieren will, wenn man eine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat haben will. Dafür ist Voraussetzung, dass das, was verabredet wird, auch eins zu eins umgesetzt wird, und dazu gehört, dass es keine Enteignung in Gorleben gibt, und dazu gehört, dass rechtssicher sichergestellt ist, dass es keine weiteren Transporte ins Transportbehälter-Zwischenlager in Gorleben gibt. Das ist so verabredet, und wenn das wie verabredet umgesetzt wird, dann wird es auch dieses Gesetz geben. Ich bin ganz zuversichtlich, dass das am Ende so sein wird.
Heckmann: Vor fast einem Jahr ist Peter Altmaier zum Umweltminister ernannt worden. Sie haben damals gesagt, Sie hätten ihn als harten schlitzohrigen, aber ergebnisoffenen Verhandler erlebt. Stehen Sie weiter zu dieser Aussage?
Trittin: Nun, er hat in einem Punkt etwas umgesetzt, was Grüne mal auf den Weg gebracht haben. Das finde ich gut, dass er das gemacht hat. In anderen Bereichen ist es gut, dass es andere Mehrheiten in Deutschland mittlerweile gibt. Der Versuch von Peter Altmaier, mit Herrn Rösler zusammen den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland zum Erliegen zu bringen, dieser Versuch einer Ausbaubremse, da ist er gescheitert, und das ist ein spektakulärer Rückschlag für jemand, der an dieser Stelle mit solcher Verve angetreten ist. Also es ist gut, dass in Deutschland mittlerweile so viele Länder von Grünen mitregiert werden, dass der Versuch des Zurückdrehens der Energiewende durch Herrn Altmaier gestoppt werden konnte.
Heckmann: Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion und Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin, war das live hier im Deutschlandfunk. Herr Trittin, danke Ihnen für das Gespräch und einen schönen Tag noch.
Trittin: Tschüß, Herr Heckmann!
Heckmann: Und die schlechte Leitung bitten wir zu entschuldigen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.