Dirk Müller: Orlando, Florida – er macht es wieder, er will es wieder wissen. Er wird wieder alle Hebel in Gang setzen, um zu gewinnen. Donald Trump wird noch einmal kandidieren für eine zweite Amtszeit, mit vielen Millionen Dollar in der Tasche für einen Wahlkampf, der wohl teurer werden wird als alle anderen in der US-Geschichte zuvor. So umstritten wie er ist wohl auch noch kein US-Präsident zuvor in der jüngeren Geschichte zumindest gewesen, international, vor allem aber auch nach wie vor national. Die Migrationspolitik zum Beispiel, die Handelspolitik, die Sicherheitspolitik, die Steuer- und auch die Finanzpolitik. Dennoch: Seine Anhänger stehen fest zu ihm. Er wird auf die Wechselwähler im kommenden Jahr besonders schauen und auf den Gegenkandidaten aus dem Lager der Demokraten.
Jetzt haben wir ihn gehört: die zweite Kandidatur von Donald Trump. Unterschätzen werden ihn die Kritiker diesmal ganz bestimmt nicht. Auch nicht der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin, der jetzt am Telefon ist. Guten Morgen!
Jürgen Trittin: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Trittin, ist das Ihr Albtraum?
Trittin: Nein. Ich habe schon längere Zeit und auch bei meinem letzten USA-Besuch den Eindruck gewonnen, dass die Chancen von Donald Trump, wiedergewählt zu werden, leider nicht die schlechtesten sind.
"Ein Meister darin, Amerika zu spalten"
Müller: Weil er auch etwas richtig macht?
Trittin: Nein! Weil er - und das zeigt ja diese Rede - ein Meister darin ist, Amerika zu spalten und seine eigene Wählerschaft zu mobilisieren. Er ist Präsident geworden mit 46 Prozent der Wählerinnen und Wähler, aber er hat es geschafft, die Mehrheit der Wahlpersonen, muss man ja richtigerweise sagen, für sich zu gewinnen. Genau darauf setzt diese Rede und deswegen war der wichtigste Satz, den er eben in dieser Rede gesagt hat, "Vote, Vote, Vote!" Darauf zielt das ab. Er will genau mit dieser Rhetorik des Bürgerkriegs, der Ausgrenzung, der Spaltung seine Klientel an die Wahlurne bringen. Er wird sich einen Dreck um Wechselwähler scheren. Und er hat, weil er noch nicht weiß, gegen wen er seine Feinderklärung richten muss, Hillary Clinton revitalisiert. Er konnte sich ja weder gegen Elizabeth Warren oder Joe Biden oder Bernie Sanders oder wer auch immer bei den Demokraten antritt tatsächlich positionieren, und deswegen hat er auf sein bewährtes Rezept gesetzt und er hat ja auch seinen Wahlslogan einfach recycelt mit "Keep America great."
Müller: Mit den Wechselwählern, Herr Trittin, das habe ich jetzt nicht ganz verstanden. Ich habe das eben in meiner Moderation so behauptet, dass er natürlich daran Interesse hat. Ich habe gesagt, das ist natürlich; das muss ja nicht so sein, auf die Wechselwähler zu schauen. Sie haben das ja auch gesagt: Er hat nur 46 Prozent der Stimmen bekommen. Die Wahlmänner - Sie sagen jetzt Wahlpersonen - haben dann aber den Ausschlag gegeben. Das heißt, er müsste ja schon Interesse haben an 51 Prozent und braucht auch die Skeptiker von damals.
Trittin: Sie müssen unterscheiden zwischen den 51 Prozent der Wählerinnen und Wähler und den 51 Prozent der Wahlpersonen. Wenn Sie zum Beispiel einen Staat wie Florida nehmen: Es nützt nichts, dort ehrenvoll mit 49 Prozent zu verlieren, weil anschließend 100 Prozent der Wahlmänner tatsächlich dann für den anderen wählen. Das ist das Dilemma, sowohl für die Republikaner wie für die Demokraten. Die Demokraten müssen sich entscheiden, konzentrieren sie ihre Wahlanstrengungen auf die Staaten, in denen, anders als zuvor unter Obama, Trump gewonnen hat und nicht die Demokraten. Oder setzen sie darauf, die Staaten wie Florida und Texas zu erobern, um auf diese Weise eine Mehrheit der Wahlmänner für sich zu gewinnen. Das ist völlig irrelevant in Staaten wie Kalifornien oder an der Westküste. Da ist es eh klar, dass die demokratisch wählen. Genauso gibt es Staaten, die sind sowieso immer republikanisch gewesen; die werden das auch bleiben. Aber es gibt welche, die sind auf der Kippe. Die sind im Süden und es sind die ehemaligen demokratischen Hochburgen im mittleren Westen, um die der Kampf gehen wird.
Müller: Das sind die "Swing States", die Wechselstaaten?
"Aus Sicht seiner Wähler ist es paradox, dass sie ihn wählen"
Trittin: Deswegen heißt es bewusst "Swing States" und nicht "Swing Voters".
Müller: Dann hätten wir das auch geklärt, Herr Trittin. - Noch mal: Ich möchte Sie das zum zweiten Mal jetzt fragen. Sie beobachten das seit vielen, vielen Jahren ganz intensiv und waren auch neulich in den Vereinigten Staaten. Mir war in den Interviews, die wir auch zusammen geführt haben, häufig aufgefallen, dass Sie das schon sehr differenziert betrachten, wenig emotional in dem Punkt. Deswegen noch mal meine Frage: Kann Donald Trump auch mal etwas richtig machen? Gibt es eigentlich Pluspunkte, wo Sie sagen würden, ja gut, für den Punkt kann man ihn schon wählen, aus Sicht seiner Wähler?
Trittin: Nein. Aus Sicht seiner Wähler ist es zum Teil paradox, dass sie ihn wählen. Weil er ja verspricht, "drain the swamp". Wenn Sie die Liste derjenigen nehmen, die wegen Verstrickungen mit der Wirtschaft, wegen korruptiven Verhaltens und Ähnlichem ihr Amt quittieren oder gar nicht erst antreten durften, weil sie in der Bestätigung durch den republikanischen Senat gescheitert sind, dann werden Sie sehen, dass der "swamp", der Sumpf nun direkt bei Donald Trump anfängt. Auf der anderen Seite bedient er seine Klientel gerade in ihrem kulturellen Gefühl, benachteiligt zu sein. Das kontrastiert übrigens ganz merkwürdig mit den objektiven ökonomischen Zahlen, die in den USA exzellent sind. Sie haben eine sehr niedrige Arbeitslosigkeit, die niedrigste, glaube ich, seit 2001.
"Trumps Mobilisierung beruht auf Ausgrenzung"
Müller: Ist das nicht ein Pluspunkt?
Trittin: Das ist ohne Zweifel ein Pluspunkt. Aber merkwürdigerweise macht er genau damit wenig Wahlkampf, sondern seine Mobilisierung beruht auf der Ausgrenzung, auf der innerstaatlichen oder innergesellschaftlichen Feinderklärung. Deswegen glaube ich, dass die Demokraten das Problem haben, dass sie darauf noch keine wirkliche Antwort gefunden haben. Setzen sie auf ein vergleichbares Konzept, nämlich vor allen Dingen Mobilisierung der eigenen Gegnerschaft, der versuchen sie, mehr in der Mitte tatsächlich dadurch "Swing States" zu erobern, dass sie "Swing Voters" tatsächlich für sich zu gewinnen? Es gibt ein paar, die sich abgewandt haben von Donald Trump. Das haben die letzten Midterm Elections gezeigt. Aber das ist nicht entschieden bei den Demokraten, und ich glaube auch nicht, dass das vor dem Ende dieses Jahres entschieden sein wird.
Müller: Er hat ja auch in Florida - wir haben das in einem anderen Bericht auch gehört - von den sechs Millionen Jobs gesprochen, die er angeblich geschaffen hat, von der guten Wirtschaft. Dieses Argument benutzt er schon. Jetzt sind wir beide aber noch gar nicht auf die internationale Politik zu sprechen gekommen, wieder mal mit der Frage: Hat er auch was Gutes, was Konstruktives geleistet? Stichpunkt Nordkorea: Ist es darum besser bestellt als vor Donald Trump?
"Trump hat die gesamte internationale Ordnung zerstört"
Trittin: Wir haben in Nordkorea bis heute kein Ergebnis. Insofern würde ich mich mit einer Beurteilung zurückhalten. Ansonsten hat Donald Trump vorsätzlich die gesamte internationale Ordnung, die die USA mal geschaffen haben, zerstört. Er ist nicht nur aus der UNESCO, aus dem Klimaabkommen ausgetreten. Er hat faktisch die G8 oder G7 zu einer Veranstaltung gemacht, die nicht mehr ernst zu nehmen ist. Und er destabilisiert auf das Massivste den mittleren Osten. Dass wir es dort mit einer wachsenden Kriegsgefahr zu tun haben, hat auch und gerade mit dem Verhalten der USA zu tun. Und schließlich und alles überwölbend: Er stößt die Welt in einen kalten Wirtschaftskrieg mit China, in dem alle, auch große Wirtschaftsmächte wie die Europäische Union gezwungen sind, sich zu positionieren, entweder gegen die USA oder gegen China, oder einen dritten Weg zu finden. Da ist Europa auch noch weit von entfernt. All dieses ist eine Zerstörung der internationalen Ordnung, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten nicht erlebt haben.
Müller: Das ist ja ein absolutes Statement von Ihnen. Da bleibt ja gar nichts mehr übrig. Jetzt habe ich Schwierigkeiten, da irgendwo einzuhaken. Wenn wir den Nahen Osten vielleicht einmal ausklammern. Das war immer ein Problem. Die Amerikaner haben immer alles richtig oder auch falsch gemacht oder nie was richtig gemacht.
Trittin: Das würde ich nicht so sehen!
Müller: Das sagen ja viele, jedenfalls seit Jahrzehnten.
Trumps Nahost-Politik trägt zur Eskalation bei
Trittin: Ich finde, dass zum Beispiel unter der Obama-Administration mit John Kerry ernste Versuche gemacht worden sind, tatsächlich zu einer Zwei-Staaten-Lösung zu kommen.
Müller: … ist aber auch gescheitert.
Trittin: Das ist auch gescheitert. Aber zumindest war der Versuch, dort internationale Ordnung zu schaffen, und auch unter Obama hat es in verschiedenen Fällen den Versuch gegeben, tatsächlich internationale Ordnungsstrukturen wiederherzustellen. Da waren die USA in einer sehr vernünftigen und produktiven Rolle. Was wir jetzt erleben, ist eine Eskalation dort. Da wird ein Staat wie Saudi-Arabien massivst hochgerüstet mit dem Wissen, dass dieser Staat nichts anderes vorhat, als im Zweifelsfall militärisch seine Dominanz in diesem Raum herzustellen.
Müller: Aber das war ja auch immer so. Das war auch schon der Verbündete von Obama und von Bush und allen Vorgängern.
Trittin: Ich würde an der Stelle, was die Außenpolitik Obamas und das Verhältnis zum saudischen König angeht, zurückhaltend sein. Die waren nicht umsonst sehr froh, als Herr Trump an die Macht kam.
Zölle sind absolut falsche Methoden für die Probleme mit China
Müller: Handelskonflikt China - vielleicht geben Sie mir da noch eine Chance. Da haben viele immer gesagt, die Amerikaner sind da nicht mutig genug, sind zu feige - auch der Vorwurf an Obama -, da einmal klipp und klar Tacheles zu reden, auch Konsequenzen zu ziehen. Hat Donald Trump inhaltlich in Punkten recht, wo er sagt: Das ist unfair, das verstößt gegen amerikanische Interessen, das hat nichts mit Interessensausgleich zu tun, da müssen wir härtere Bandagen anziehen beziehungsweise an den Tag legen?
Trittin: Es gibt bestimmte Dinge, die sehen die Europäer und die USA gemeinsam. Die Chinesen haben Technologieklau betrieben. Sie schotten ihre Märkte weiterhin WTO-widrig ab. Aber es gibt ein einfaches Instrument, mit so etwas umzugehen: Wir machen das in den Regeln der Welthandelsorganisation und auf diese Weise kommt man, wie man gerade sehen kann, auch an deutschen Unternehmen wie BASF mit seinem neuen Investment tatsächlich auch in China einen Schritt weiter. Was Donald Trump macht, ist Zölle ja nicht nur gegen China, gegen Indien, gegen Mexiko, gegen Kanada, gegen Deutschland. Volkswagen ist eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA, folgt man Donald Trump. Ich wusste gar nicht, dass die so leicht zu gefährden ist an dieser Stelle.
Müller: Er hat das Klima damit gemeint.
Trittin: Insofern glaube ich, dass man nicht, weil er ein berechtigtes Anliegen aufgreift, die absolut falschen Methoden, mit denen er diese Probleme angeht, dann tatsächlich billigen muss. Das erinnert mich manchmal an eine Person, die sagt, jedes Problem ist ein Nagel und ich habe einen Hammer. So ist das mit Donald Trump und den Zöllen.
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